Freitag, 10. Mai 2024

Was verbirgt sich hinter dem Orchestrion, das um die Welt ging?

Ochestrion von 1885

Michael Welte (1807-1880) wurde als Sohn eines Weißgerbers aus Vöhrenbach geboren. Von einem Onkel, einem katholischen Priester, erhielt der aufgeweckte Junge nach der Volksschule Unterricht in Mathematik und Musik. Er ging beim bekannten  Uhr- und Musikwerkemacher Joseph Blessing in Unterkirnach in eine 5-jährige Lehre. 1932 machte er sich im elterlichen Haus in Vöhrenbach selbstständig und baute walzengesteuerte Flötenuhren und Musikwerke mit Pfeifen. Durch die Erfolge der Meisterwerke verwöhnt, wurden die selbstspielenden Instrumente immer größer.

Der internationale Durchbruch gelang Michael Welte 1846 mit dem dreijährigen Bau eines Orchestrions mit 1.100 Pfeifen nach Odessa. Es steht heute noch im Museum von Odessa. Plötzlich waren die Weltschen Werke beim Hochadel, Adel und der Haute-Volée gefragt und standen in deren Konzertsälen. Auszeichnungen dieser Kunstwerke kamen von den Weltausstellungen in London und Paris.

Der Weltruhm der Orchestrions führte dazu, dass 3 Söhne von Welte ins Unternehmen einstiegen und unter „ M. Welte & Söhne“ firmierten. Um der Weltgeltung Rechnung zu tragen, zog das Unternehmen 1872 nach Freiburg um. Da ein Großteil der Produktion für die USA bestimmt war, gründete Welte 1865 in New York die Firma „M.Welte & Sons“, die der älteste Sohn Emil übernahm, der zweite Sohn Berthold übernahm die Leitung des Freiburger Werkes, während der dritte Michael jun. die Technik betreute.

Im Jahre 1887 erhielten die Weltes ein Patent auf Papiermusikrollen zur Steuerung des Orchestrions anstatt der unhandlichen großen Holzrollen. Die neue Technik ließ die Fa Welte auf lange Jahre hinaus nahezu konkurrenzlos sein. Folge davon waren zahlreiche höchste Auszeichnungen auf den gängigen Messen.

Um 1890 gab es im Fertigungsprogramm die ersten Orchestrien mit Pianoeinbauten. Eine Weiterentwicklung gelang Edwin Welte, einem Enkel von Michael Welte und seinem Schwager Karl Bockisch, in Form eines „Mignon“. Das war ein Klavier ohne Tastatur aber mit kompletter Pneumatik. Es folgten 1906  Klaviere mit  Bedienungsmöglichkeit, 1910 ergänzten Klavierflügel namhafter Firmen wie Steinway und Feurich mit eingebauter Mechanik von Welte das Verkaufsprogramm. So konnten zahlreiche berühmte Komponisten in großer Zahl für Welte-Mignon ihre eigenen Werke einspielen. Der unvorstellbare Erfolg führte dazu, dass in New York eine eigenen Produktionsfirma  „Welte Artistic Player Company“ errichtet wurde. So konnten Geräte mit dem amerikanischen Rollenstandardmaß auf den Markt kommen.

Die rasante Entwicklung wurde durch den Ersten Weltkrieg unterbrochen. Mit dem Eintritt der USA 1916 in den Krieg, wurden durch den „Alien Property Custodian Act“ sämtliche in deutschen Besitz an Aktien, Patentrechte beschlagnahmt. Heinrich Bockisch, einem Mitglied der Geschäftsführung, wurde verhaftet.

Die wirtschaftlich schweren Verhältnisse nach dem Ersten Weltkrieg, die Inflation der 20er Jahre reduzierten die Möglichkeit „Mignon-Instrument“ zu verkaufen. Einfache Klaviere mit Reproduktionspneumatik unter dem Namen „Pianon“ waren als Billigklaviere kein Ersatz. Die wirtschaftliche Lage der Firma Welte wurde langsam schwierig, da die Reserven nach und nach aufgebraucht wurden. Mit dem Aufkommen der Schallplatte wurde ein ganzer Industriezweig in die Knie gezwungen, so dass 1930 die Produktion gänzlich eingestellt wurde. Der Versuch Plattenspieler zu produzieren endete erfolglos. 1932 folgte erwartungsgemäß der Vergleich der Firma Welte. Die von Karl Bockisch weiterführte Orgelbauanstalt wurde 1944 in Freiburg bei einem Luftangriff völlig zerstört. 

Freiburg Fa Welte vor dem 2. Weltkrieg


Freitag, 3. Mai 2024

Was verbirgt sich hinter der Falkensteiner Kapelle bei Schramberg?


Das Bernecktal führt von Schramberg nach Tennenbronn. Am Ortsende von Schramberg liegt links etwas erhöht eine etwas unscheinbare Kapelle, die 2022 außen saniert wurde. Erstaunlich für den Besucher, im schwäbischen Gebiet eine Kapelle zu finden. Aber Schramberg gehörte von 1532 bis 1805 zu Vorderösterreich und damit zum Kaisereich in Wien.

1275 wurde die Falkensteiner Kapelle erstmals urkundlich und zwar in Protokollen der Diözese Konstanz  als „Eigenkirche der Seelengemeinde Valkenstein“, der Falkensteiner Herrschaft erwähnt. Sie gehörte den Herren von Falkenstein und von Ramstein und ist dem hl Erasmus geweiht, wird bei Magenleiden, Geburten und Viehkrankheiten angerufen (Patrozinium 2.6.) Die Wallfahrten zur Falkensteiner Kapelle waren vor allem wegen des Bauchwehs üblich.

Während des 30jährigen Krieges wurde die Kapelle durch Kämpfe zwischen schwedischen und württembergischen Truppen im Jahr 1634 zerstört. Reichsfreiherr Ferdinand Carl von Bissingen ließ  sie 1689 wieder aufbauen. 1713 erhielt die Kapelle ein Notdach, da das Gebälk verfault war und wurde von 1755 bis 1757 von Graf Joseph Ferdinand von Bissingen und Nippenburg wieder ausgebaut. Im Zeitalter der Aufklärung und vor allem während des Kulturkampfs von Kaiser Franz Josef II war sie auch vom Abbruch bedroht, da viele Kapellen abgerissen wurden. Durch die Zugehörigkeit von Schramberg zum Königreich Württemberg ab 1805 war die Kapelle weiterhin wegen der Reformation bedroht. Errettung brachte der Kauf der Kapelle von Reichsgraf Cajetan von Bissingen und Nippenburg. Dieser richtete in ihr 1830 eine Gruft als Grablege seiner Familie ein.

In früheren Jahrhunderten war die Falkensteiner Kapelle eine Fiale der Kirche St Michael in Lauterbach geworden. 1787 kehrte sie wieder nach Schramberg zurück und wurde St Nikolaus angegliedert.

Selbst im 2. Weltkrieg gab es viele Wallfahrten zur Kapelle. Kurz vor dem Einmarsch der Franzosen in Schramberg feierten die Gläubigen einen Gottesdienst und versprachen der Muttergottes eine Dankwallfahrt, wenn die Stadt verschont werden würde. Was auch tatsächlich geschah. Ende April 1945 wurde die Dankwallfahrt zur Falkensteiner Kapelle festlich begangen.

Die Falkensteiner Kapelle ist als Kulturgut von besonderer Bedeutung im Denkmalbuch eingetragen. Die Hochaltarplastik ist als Zubehör erwähnt. Diese ist die schönste Beweinungsgruppe Süddeutschlands. 1515 ist die Kreuzungsszene entstanden, ein bedeutendes Kunstwerk der Spätgotik vom Bildhauer Conrad Rötlin. Der tote Jesus, den Johannes stützt, zugleich hält er Maria, die trauernde Gottesmutter, die ohnmächtig wird. Maria Magdalena hält Jesus linke Hand und küsst sie und schließlich Maria Kleophae, die Mutter von Jakobus dem Jüngeren, ganz rechts.

An der Nordwand war ein Kreuz angebracht, das restauriert wurde wie auch die Sanierung außen 2022 abgeschlossen wurde. Das Kreuz war in den 1880er Jahren angebracht worden. Vom eigentlichen Friedhof der Kapelle sind noch Grabsteine vorhanden, da sie früher als Pfarrkirche verwendet wurde.

Die eigentliche Straße, die zur Kapelle und weiter führte, ist die Rausteinstraße. Die Bernecker Str wurde erst  1851 angelegt und 1877/78 ausgebaut, da es zuvor zu gefährlich war, im am Bach wegen der vielen Hochwasser einen Straße anzulegen.

Heute ist der Kapelle der Bestattungswald „Waldruh“ angegliedert. 



Freitag, 26. April 2024

Was verbirgt sich hinter dem Naturschutzgebiet Hornisgrinde?

Hornisgrinde mit Hochmoor und Turm

Die Hornisgrinde ist mit 1163 der höchste Berg im Nordschwarzwald. Typisch ist die Grindenlandschaft, die durch jährliche Brandrodung und dann als Weideflächen für das Vieh entstanden ist. Der südliche und der nördlichen Gipfel hat jeweils ein Hochmoorgebiet, das auf einer mächtigen Sandsteinschicht jeweils lagert. Begünstigt wurde die Moor- und Torfbildung durch die zahlreichen Niederschläge. Die Torfschichten werden auf ein Alter von 6.000 Jahren geschätzt.

An der Ostseite der Hornisgrinde-Hochfläche fallen bis zu 130 m hohe Karwände hinab zu den unten liegenden Mulden des Kleinen und Großen Biberkessels. Wobei der Große Biberkessel das größte  Kar im Nordschwarzwald aber inzwischen verlandet ist. Beim Kleinen Biberkessel ist noch eine kleine Wasserlinse im Moor eingebettet. Teile der Hochfläche auf der Hornisgrinde und die Biberkessel wurden 1992 endlich als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Leider gab es immer wieder Gründe, den Naturschutzgedanken bei Seite zu legen:

1871 wurde der Bismarckturm am Rande ins südliche Moorgebiet gebaut. Er diente als Vermessungspunkt und später als Aussichtsturm. 1910 wurde vom Schwarzwaldverein der Hornisgrindeturm erbaut, der seit 2000 der Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht worden ist. Schon 1912 wurde neben dem Turm für Gäste das Grinden Hotel gebaut. In den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde das Hochplateau über der Rheinebene ein Eldorado der Segelflieger und von 1930 bis 38 wurden deren deutsche Meisterschaften ausgetragen. An die unkontrollierten Besucherströme im Moor mag man heute nicht mehr denken. 1942 übernahm den Fliegerstützpunkt die Deutsche Wehrmacht zur militärischen Nutzung. Nach dem Ende 2. Weltkriegs besetzten die Franzosen bis 1996 die Hornisgrinde als Sperrgebiet und betrieben eine Abhörstation des Auslandsgeheimdienstes. Sie bauten Unterkünfte, Bunker und Straßen durch das Moorgebiet. Erst 2004 wurden teilweise die Bunkeranlagen abgebaut.

Seit den 50er Jahren wurde am nördlichen Ende des Gipfelplateaus der Hornisgrinde ein Sendeturm gebaut, der heute noch von der Telekom AG betrieben wird. Seit Mitte der 60er Jahre befindet sich eine Windkraftanlage auf der Hornisgrinde. Am Rande des nördlichen Moorgebiets steht seit 1972 der 206 m hohe Sendeturm des Südwestrundfunks. Am südlichen Ende des Moorgebgiets steht ein Sendeturm als Stahlfachwerkkonstruktion von Vodafon. Alle Anlagen haben jeweils die notwendige Infrastruktur an Gebäuden und Zufahrtswegen. Um die Besucherströme etwas zu lenken, wurde wenigstens ein Bohlenweg durch das Moor vom Bismarckturm zum Dreifürstenstein im Süden gelegt.

Es gibt zwei Hochmoorgebiete auf der 2 km langen Hornisgrinde. Das kleinere Gebiet, das nördliche Hochmoor, umschließt den ganz nördlich am Ende des asphaltierten Weges liegenden Sendeturm der Telekom AG, der von 3 Seiten durch das Moor umgeben ist. Die größte Torfmächtigkeit beträgt 1,2 bis 1,4 m und ist teilweise mit Latschen bewachsen. Dieses Moor wurde in der Vergangenheit durch umfangreiche Torfstiche, die bis auf den Mineralboden gehen und Entwässerungsgräben, schwer beeinträchtigt.

Das südliche Hochmoor ist ein Vielfaches größer. Es erstreckt sich vom Hornisgrindeturm, bis über den Bismarckturm hinaus in einer großen Schleife über den durchschneidenden Bohlenweg zum Dreifürstenstein, von dort zum abgesperrten Vodafonturm und zurück zum Hornisgrindeturm. Die Torfmächtigkeit beträgt 2 bis 4 m. Im südlichen Moor befinden sich mehrere vom Moor eingeschlossene Mooraugen. Aber schon das deutsche Militär hat 1939 den vorhandenen trennenden Weg im südlichen Moorgebiet zu einer Ringstraße für schwere LKWs ausgebaut. Torfstiche, Entwässerungskanäle und Bunkeranlagen der Franzosen haben die Moorbildung schwer geschädigt.

Hornisgrinde mit Mummelsee



Freitag, 19. April 2024

Was verbirgt sich hinter (ET) und (KT)?

Tennenbronner Tracht vorne ev hinten kath

Tennenbronn liegt im oberen Bernecktal und ist mit seinen gut 3.300 Einwohnern seit 2006 ein Ortsteil von Schramberg. Es wurde 1179 erstmals von Papst Alexander III in einer Urkunde an das Kloster St Georgen erwähnt. Besiedelt wurde die Gegend durch das Klöster St Georgen. Vögte waren die Falkensteiner, die sich in zwei Zweige vergabelt hatten: Falkensteiner und Ramsteiner. Durch die Aufteilung in die Familienzweige und deren zeitlich auseinander liegenden Verkäufe ihrer Besitztümer, kam unter anderem 1444 ein Teil von Tennenbronn an Graf Ludwig von Württemberg.1532 kam mit Schramberg der andere Teil von Tennenbronn an das Hause Österreich.

Im Tennenbronner Vertrag von 1558 als Folge der unterschiedlichen Verkäufe wurde Tennenbronn in evangelisch Tennenbronn (ET) geteilt, denn Württemberg hatte 1556 die Reformation eingeführt. Der andere Rest von Tennenbronn blieb als katholisch Tennenbronn (KT) erhalten.

Jede Gemeinde hatte ihren eigenen Pfarrer, eine  eigene Kirche: Die 1453 erbaute Kirche, 1901 abgebrannt, wurde 1556 evangelisch und 1565 in das gegründete evangelische Kirchspiel eingebracht. Eine katholische Pfarrei bestand seit 1786 und deren Kirche, St Johann Baptista, wurde 1848 erbaut. Jede Gemeinde hatte ihren Friedhof sowie einen eigenen Bürgermeister. Auch die Schulen waren getrennt und kamen im jeweiligen Rathaus unter, in (KT) im oberen Dorf und in (ET) im unteren Dorf.

Die Säkularisierung und Mediatisierung 1803 verfügte, dass beide Teile Tennenbronns 1806 nach Württemberg zum Amt Hornberg kamen. Durch einen Staatsvertrag mit Gebietstausch kam 1810 das Amt Hornberg an das Großherzogtum Baden.  Napoleon wollte bei seinen Kriegszügen nicht durch Württemberg marschieren. Da die Straße zum Bodensee nicht über Triberg damals führte sondern über Langenschiltach und die Benzebene d.h. Tennenbronner Gebiet, musste Tennenbronn zu Baden wechseln. Ob der Herrscher der König von Württemberg bzw der Großherzog von Baden waren, die beiden getrennten Stäbe blieben erhalten. 

Um 1900  lebten 82 % der 1700 Einwohner Tennenbronns auf den verstreuten Höfen und Kleingütern in den vielen Zinken im Außenbereich. Die Häuser und Höfe von (KT) und (ET) waren nicht getrennt sondern lagen gemischt untereinander allerdings durch einen gemeinsamen Ortskern verbunden. 1900 hatte (ET) 838 Einwohner davon 656 evangelisch und182 katholisch und (KT) 853 Einwohnern davon 757 katholisch und 96 evangelisch.

Die Tenennbronner Tracht war ob evangelisch oder katholisch unterschiedlich. Ja, selbst die Sprache unterschied zwei eingefärbte Dialekte: Der evangelische Dialekt hatte sich durch die jahrhundertalte Zugehörigkeit zu Württemberg gebildet und der katholische aus der Zugehörigkeit zu Vorderösterreich und Schramberg.

Am 5. Juni 1922 beschlossen die beiden politisch getrennten Gemeinderatsgremien den Zusammenschluss der beiden Gemeinden. Die beiden Gemeinenden waren so verschachtelt, dass 1.000 Grenzsteine die Gemeinden auseinander hielten. Schon bald nach der Jahrhundertwende sollte eine Wasserleitung durchs Dorf gebaut werden, um dem Fremdenverkehr Rechnung tragen zu können. Des war aber nicht möglich, nur ein glücklicher Zufall half bei der Vereinigung. Im April 1922 verstarb der Bürgermeister von (ET), Gleichzeitig kündigte der Ratsschreiber von (KT) seinen Dienst. Das war die Chance, die sogleich beim Schopfe gepackt wurde. Erleichtert unterschrieb das badische Ministerium des Innern den Einigungsvertrag nach bald 500 Jahren. 

Tennenbronn links kath. rechts ev.

Was verbirgt sich hinter dem Schwarzwälder Zundergewerbe?

Der Zunder- oder auch Zundelwamm ist ein Pilz, der parasitisch geschwächte Laubbäume und Birken befällt, vor allem Buchen, Eichen, Linden. Er bildet an den Stämmen dicke, invers konsolenförmige Fruchtkörper. Er wurde früher viel im Schwarzwald gesucht und vorgefunden. Als im 19. Jahrhundert die heimischen Wälder nicht mehr ergiebig genug waren, wurde der Pilz aus Ungarn, Siebenbürgen und Kroatien  in Ballen von 4 Zentner bezogen. Seit urdenklichen Zeiten wurde der Zunderschwamm zum Feuermachen benutzt. Später wurde Feuer angezündet mit einem in Öl getränkten Lappen, der in einer Blechbüchse lag. Über die Büchse hielt man einen Feuerstein, aus dem man mit einem Stahl Funken schlug. An Stelle des Öllappens trat der Zunder.

In den Jahren 1811-1814 gab es in Todtnau, der Bürstengemeinde, vier bis sechs Zundelmacher, fabrikmäßig wurde dieser Erwerbszweig aber erst später betrieben. Um 1870 gab es im Schwarzwald noch 3 größere Geschäfte, die noch Zundel herstellten, eines in Freiburg und zwei in Todtnau. Davon waren sie von Franz Josef Faller im Jahre 1827 und Konrad Kirner 1834 gegründet worden. Einer der Todtnauer Betriebe stellte um diese Zeit jährlich 750 Zentner Zunder her. Zundelmacher waren meistens Bürstenmacher oder Bürstenhändler, da dieser mit den Bürsten im Hausierhandel vertrieben wurden. In damaliger Zeit gaben die Geschäfte mit dem Zundelschwamm der Bevölkerung einen angemessenen Verdienst.  1874 gab es noch 70 Personen, die sich mit der Zunderherstellung und Verarbeitung befassten.

Die Bearbeitung des Zunderschwamms war lange Zeit Geschäftsgeheimnis, besonders das Beizen. Der Pilz wurde bis zu seiner Bearbeitung an einem feuchten Ort aufbewahrt, dann ins Wasser gelegt und nach langem Kochen in Laugen geschmeidig gemacht. Da der rohe Zunder eine hellrote Farbe zeigt,  der dunkle mehr gesucht und höher im Preis war, beizte man die Stücke dunkler. Jetzt schnitt der Zundelmacher den Pilz in dünne Platten, wobei er möglichst den Jahresringen folgte, klopfte die Platten mit einem Holzhammer, knetete und dehnte  sie mit der Hand, damit die Lappen recht weich und biegsam machend und trocknete sie dann in der Sonne oder durch Anwendung künstlicher Wärme. Die schwammige, lockere Beschaffenheit des Materials ermöglichte, dass ein gutes Stück sich auf das Zehnfache seiner Fläche vergrößern ließ.

So berichtete die „Badische Gewerbezeitung“ des Jahres 1874, dass aus einem Stück Naturschwamm eine Fläche von mehreren Quadratmeter gewonnen werden konnte, aus dem dann ein Talar für den Erzbischof von Freiburg angefertigt wurde. Die Weichheit und Leichtigkeit der Zunderstücke veranlassten die Herstellung von Täschchen und Mappen, insbesondere aber von Mützen, der samtfarbenen „Zunderhauben“. Unsere Großväter rühmten diesen Zundelkappen nach, dass sie sogar ein ausgezeichnetes Mittel gegen Kopfschmerzen seien. Da der Zunder sich rasch voll Feuchtigkeit saugt, konnte er als blutstillendes Mittel verwendet werden. Aber auch gemahlen als Schnupftabak tauchte Zunder auf.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts kamen die Zünd- oder Schwefelhölzer auf und setzten den Zunder auf die Sterbeliste. Nur noch der Wundschwamm wurde in kleinen Mengen vom Arzt oder Apotheker hergestellt, bis auch da die blutstillende Watte das Produkt vom Markt verschwinden ließ. Auch die nahtlose Zundelmütze verschwand vom Markt. Sie war einst in Stadt und Land als vielgeliebte Zierde begehrt.

Um 1895 gab es in Todtnau keine Zunderfabrik mehr. Die heutige Generation kennt die Erzeugnisse der Zundelmacher nicht einmal mehr  dem Namen nach. Heute erinnert nur noch die zum 100 jährigen Bestehen der Todtnauer Narrenzunft 1960 gegründete „Todtnauer Zundelmacher“.

Zundelkappe


Freitag, 12. April 2024

Was verbirgt sich hinter dem Freiburger Silber?


1008 wurden Siedlungen im Bereich des heutigen Freiburg urkundlich erwähnt, der Wiehre, Zähringen und Herden. Und schon 1120 erhielt Freiburg das Markt- und Stadtrecht von den Zähringer verliehen. An Stelle der zu klein gewordenen Kirche veranlasste Herzog Bertold V von Zähringer um 1200 den großzügigen Bau des heutigen Münsters. Diesen später berühmt gewordenen Kirchenbau, der nichts anderes war, als die Stadtkirche einer aufstrebenden Stadt, war nur auf Grund des Reichtums dieser und Bürger Freiburgs aus dem Silberbergbau möglich.

Die Silbergruben des Erzkastens, dem heutigen Schauinsland, Suggentals, von Freiamt-Keppenbach, Bleibach, Zähringen, des Oberrieder Tals, Münster, Todtnau, Sulzburg und St Ulrich ermöglichten mit ihren bergbaulichen Erträgen neben dem Wachstum der Stadt in nur zwei Jahrhunderten nach der Stadtgründung einen solchen Kirchbau, der nur die Stadtpfarrkirche von Freiburg war. Allein der 116 m hohe Turm mit einer Aussichtsplattform auf der Höhe von 70 m, der 1330 fertiggestellt wurde, wurde als „schönster Turm auf Erden“ bezeichnet. Das Freiburger Münster reihte sich nach der Fertigstellung 1513 in die Lister der höchsten Kirchenbauten der Welt ein. Selbst Sebastian Münster hat in seiner „Cosmographia universa“ 1550 die Freiburger Bürger wegen ihres Fleißes, Kunstfertigkeit, Sauberkeit, ihrer schönen Lage an der „Triesem“ und den Kirchturm gelobt „desgleichen man in teuschen Landen nit findet nach dem turm zu Straßburg“.

Handwerklicher Fleiß und umfassender Handel mit den Bergbauschätzen begründeten den frühen Wohlstand Freiburgs. Vor allem spielte Freiburg als Mittelpunkt des mittelalterlichen  Silberbergbaues und als Zentrum des damals blühenden Silberhandels im Südschwarzwald eine bedeutende Rolle.

 Das Silber aus den Gruben und Schnelzen wurde in große Barren gegossen, gewogen und mit dem „Freiburger Brand“ versehen. Die Stadt Freiburg hat dem Landesherrn 1327 das Münzrecht abgerungen, das ihr bis 1805 verblieb. Das Freiburger Silber war in ganz Europa ein begehrtes Handelsobjekt und die Pferdegespanne der Freiburger Handelsfamilien waren auf allen Habsburger Handelsstraßen unterwegs. Ob Wien, Brüssel, Gent, auf den Alpenpässen nach Süden nach Oberitalien oder die Champagne überall war das Freiburger Silber begehrtes Zahlungsmittel.

Sichtbarster Ausdruck für die aus dem Silberbergbau stammende Wirtschaftskraft des mittelalterlichen Freiburg ist bis heute das Münster mit seinem unvergleichlichen Turm geblieben. Auf den Tulenhauptschen-Fensterschenkung –von Osten gezählt das vierte des südlichen Seitenschiffs- des Freiburger Münsters ist im ersten Fenster ein Bergmann zu sehnen, der mit Schlegel und Eisen das hellschimmernde Erz losschlägt. Er ist in der typischen Grubenkleidung des 14. Jahrhunderts mit Beinlingen und eisernen Grubenhelm. Das Tulenhaupt-Fenster wurde 1320/1330 durch die Kaufleute Franz und Adelheid Tullenhaupt und die Bergleute der Grube „Dieselmuot“ –eine Silbergrube am Schauinsland- gestiftet. Diese sind die älteste Bildzeugnisse des Silberbergbaus. Auch im Schauinslandfenster von 1330-1340 füllt ein Hauer das gewonnene silberhaltige Erz in Ledersäcke, um den Korb emporziehen zu lassen. Er trägt einen gelben aus Stroh geflochtenen Grubenhelm.

1803 wurde der Südwesten Deutschlands neu geordnet und das frühere Bistum Konstanz und Straßburg aufgelöst. 1821 wurde dann nach zähen Verhandlungen die „Oberrheinische Provinz“ gegründet, welche aus dem Bistum Konstanz und Teilen der Bistümer Mainz, Straßburg, Worms, Speyer und Würzburg entstand. Die einfache Stadtpfarrkirche wurde1927 zur Metropolitankirche mit einem Erzbischof erhoben. 

Tullauptfenster Bergmann 14. Jahrhundert


Freitag, 5. April 2024

Was verbirgt sich hinter Dr Stemmer, der Lauterbach zum Blühen brachte?

Dr Stemmer 1828-1908

Lauterbach im Mittleren Schwarzwald mit seinen knapp 3.000 Einwohnern liegt im Tal des Lauterbachs 540-887 m hoch. Zur Gemeinde gehört allerdings auch das Hochtal Sulzbach  mit 700-900 m. Lauterbach führte in seiner Abgeschiedenheit und als Anhängsel von Schramberg ein Aschenputteldasein bis Dr Stemmer kam.

Dr Ludwig Wilhelm Stemmer (1828-1908) wurde in Pfronstetten auf der schwäbischen Alb geboren, studierte Theologie, sattelte aber nach einem Jahr unter dem Eindruck der 48er Revolution auf Medizin um und wurde 1855 praktischer Arzt. Er kam als Distriktarzt nach Schramberg und wandte sich nach wenigen Jahren von  der Allopathie der Homöoparhie zu. Mit Freunden gründete er den Turnverein in Schramberg und heiratete 1859 die Schweizer Calvinistin Rosalie Bühler (1839-1871) mit der er 4 Kinder hatte, von denen 2 im ersten Lebensjahr starben.

Seit 1870 wirkte Ludwig Stemmer in Stuttgart als Modearzt, hatte großen Zulauf aus den höchsten gesellschaftlichen Kreisen. Es schien, dass er eine große Karriere vor sich hätte. Jedoch der frühe Tod zweier Kinder und das unerwartete Hinscheiden seiner Frau 1871 gaben Dr Stemmer einen anderen Sinn und Aufgabe seines Lebens. Anfang der 80iger Jahre brachte er sein 1848 abgebrochenes Theologiestudium zu Ende und ließ sich 1884 zum Priester weihen.

Im gleichen Jahr siedelte er mit seinen beiden Kindern, die er alleine erzog, nach Lauterbach über und wohnte in seinem Haus, das er sich in seiner Schramberger Zeit als Landhaus erbaut hatte. Neben diesem ließ er sich eine Kapelle bauen, in der er morgens die Glocke um 5 Uhr läutete und betete. Ständig hatte er einen großen Kreis von Patienten als Hausgemeinschaft um sich, Freunde aus der Theologie oder Medizin, adelige Vertreter oder Leute mit politischen Rang und Namen.

Dr Stemmer hatte sich Lauterbach für seine Tätigkeit als Mediziner bewusst ausgewählt, denn er kannte es von früher. Die klimatische günstige Höhenlage, seine Stoffwechsel und Kreislauf anregende Waldluft waren die Voraussetzung, denn Grundlage Stemmers  Therapie war das Naturheilverfahren. Dazu entwickelte er eine begleitende Wassertherapie, die 1889 eingehend bei Sebastian Kneipp in Wörrishofen studiert hatte. Das führte dazu, dass er 1891 eine eigene Kaltwasser-Anstalt unterhalb des Wohnhauses errichtete. Neben der äußeren medizinischen Versorgung betrieb er auch eine psychotherapeutische Behandlung. Als Priester verkörperte er bewusst das geistige Wesen des Arztes. Seelsorge und Sorge um den Leib: das bedeutet Heil für Menschen aus dem Glauben durch Tun.

Seine Tätigkeit kann als Auslöser der Öffnung der Gemeinde für den Fremdenverkehr angesehen werden. Ein ganzes „Kurviertel“ am östlichen Ortseingang mit mehreren Hotels entstand in der bis dahin unbedeutenden Gemeinde. Für seine Verdienste wurde Ludwig Stemmer 1891 zum Ehrenbürger Lauterbachs ernannt.

Die Schaffenskraft von Dr Stemmer schien unerschöpflich zu sein. Er war nicht nur Arzt und Mediziner sondern auch nach heutigen Maßstäben Sozialhelfer. Vielen aus der armen Bevölkerung Lauterbachs hat er ohne jede Honorarforderung behandelt. Sozial schwache Patienten bekamen neben ihrer Medizin auch regelmäßige finanzielle Unterstützung. Sobald er von Not oder Sorge in einer Familie erfuhr, suchte er sie auf, um mit Rat und Tat zu unterstützen.

Lauterbach hat mit seinem Tode 1908 nicht nur den Arzt und Priester verloren sondern die Armenwelt hat auch einen väterlichen Freund und Ratgeber verloren.