Freitag, 26. Mai 2023

Was verbirgt sich hinter der Papierfabrik Neustadt?

Bad Boll 1889

Bad Boll, ein kleines Schwarzwaldbad, am Rande der Wutachschlucht war der Geheimtipp für Angler aus ganz Europa. Nicht nur die Mineralwasser führende Badquelle, die landschaftliche Schönheit des Tals sondern der Fischreichtum der Wutach lockte die Urlauber. Um 1900 war die Wasserqualität der Wutach so gut, dass 1894 eine Gruppe reicher Engländer das Badhotel kauften. Der exklusive „Bad Boll Fishing Club“ pachtete auf einer Länge von 80 Kilometer die Angelrechte auf der Wutach. Der Reichtum an Forellen und Lachse machten die Wutach zum besten Forellengewässer Europas. Allein der exklusive englische Fiching Club garantierte 12.000 Übernachtungen pro Jahr.

Doch ab 1905 1884 kamen die Gebrüder Sutter nach Neustadt, da sie eine Fabrik zur Zellulose betreiben wollten. Dies kam den Stadträten sehr gelegen, da vor der Stadt die Heinrich Ganterschen Kunstmühle große Zahlungsschwierigkeiten hatte. 1887 begann die Brüder die Kunstmühle für ihre Bedürfnisse umzubauen. 1894/96 kam zur Zellulosefabrik eine Papierfabrik als Ergänzung hinzu.

Das Geschäft florierte und expandierte, denn die Rahmenbedingungen stimmten: Zellulose- und Papierfabrik standen beieinander, das Werk war mit der Höllentalbahn verbunden und genügend Strom kam vom Kraftwerk Laufen. 1897 wurde die Gesellschaft in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. 1938 übernahm der Fürst zu Fürstenberg die Papierfabrik.

Die Folge des ungebremsten Wachstums waren die Abwässer, die ungeklärt in die Wutach eingeleitet wurden. Es kam was kommen musste, ab 1905 führte die Verschmutzung des Wassers der Wutach erst langsam und dann immer schneller zu einem raschen Rückgang des reichen Fischbestandes. Natürlich blieben nach und nach die Fischer weg. 1912 zog sich auch der Fishing Club Ltd wieder aus dem früheren Anglerparadies Bad Boll zurück. Die Forellen und Lachse waren mit der Zeit gänzlich verschwunden. 1939 wurde die Wutachschlucht als Ausgleich für den Bau des Schluchseewerks unter Naturschutz gestellt. Aber das Fischsterben ging trotz Naturschutz munter weiter.

Anfang der 70er Jahre trat der Natur- und Umweltschutz auf breiter Front ins Bewusstsein der Menschen ein. Naturschutzverbände wurden plötzlich politisch aktiv, der „BUND“ entwickelte Regionalverbände, denn so konnte es nicht weiter gehen. Bäche und Flüsse haben sich zu stinkenden Kloaken degeneriert, Asbest Gefahren wurden verharmlost oder Schweizer Atommüll wurde im Meer versenkt. So verteilte die Freiburger Aktion Umweltschutz 1972 bei den Donaueschinger Musiktagen Infoblätter über die Kloake Wutach und forderten endlich die längst überfällige Abwasserreinigung. Sponsor der Musiktage war der Fürst zu Fürstenberg, der auch der Besitzer der Papierfabrik Neustadt war.

Nach langen Streit, Aktionen, wirtschaftlichen Verwerfungen und Eigentümerwechsel wurde endlich eine Kläranlage gebaut. Die alte Papierfabrik war aber nicht erfolgreich geführt und ging 1989 in Konkurs. 1990 übernahm endlich die Firma „Schoeller Technocell“, ein Unternehmen der „Felix Schoeller Group“ Osnabrück, die Papierfabrik, investierten 105 Mio € im Laufe der Jahre in die Gewässerreinhaltung. Trotz all dieser Maßnahmen sind extreme Wasserverschmutzungen durch Störfälle doch noch möglich. So 1982 durch auslaufendes Kunstharz in der Papierfabrik, das 95% des Fischbestands zerstörte oder 1993 hat einer Fehler in der Galvanikanlage zu einem verheerenden Fischsterben geführt. Die Firma „Schoeller Technoel“ Neustadt beschäftigt 112 Mitarbeiter und produziert 30.000 t Spezialpapier.

Wutachschlucht



Freitag, 19. Mai 2023

Was verbirgt sich hinter dem Karlstein?


Der Karlstein ist ein Stein, auf dem prägenden Bergrücken des Hauensteins im mittleren Schwarzwald, liegt am Westweg von Norden über Büchereck kommend, Prechtäler Schanze, Huberfelsen (6,5 km), von Süden über die Wilhelmshöhe (7 km) oder von Westen über Hornberg den Dreitälerweg.

 

Der Hauenstein (Hohe Stein oder Hagstein = Grenzstein) symbolisiert seit Jahrhunderten die Wasserscheide zwischen Gutach und Elz,  die kirchliche Bistumsgrenze (Konstanz im Osten – Straßburg im Westen), die Grenze von Baden (Markgrafschaft Baden-Baden) und Württemberg (Amt Hornberg), Fürstenberg (Herrschaft Prechtal) und Österreich (Herrschaft Triberg). Seine Bedeutung war nicht nur die Grenzregion sondern ganz in der Nähe  ist ein verschütteter Bergwerkstollen, der mit „weißer Erde“ bis 1810 die Königliche Porzellanmanufaktur in Ludwigsburg belieferte.

 

Der Herzog Karl Eugen von Württemberg hatte sich vorgenommen mit einem großen Gefolge den entferntesten Teil seines Reiches von Stuttgart aus gesehen, „den Schwartzwald und wie die Wälder daselbst beschaffen seyen? zu visitieren“. Diesen bekannten 971 m hohen Hauenstein wollte er im Jahr 1770 nach einer Kur in Bad Teinach auf seiner Besichtigungsfahrt kennen lernen. Er wollte seinen höchsten Berg selbst besteigen. Das war damals noch etwas ganz Ungewöhnliches. Der Wald war ungepflegt, Wanderwege, Wegweiser oder Beschreibungen gab es nicht.

 

Die Gesellschaft brach früh morgens um 5 Uhr in Schiltach auf, um nach St Georgen zu kommen, nahm aber aus Bequemlichkeit  den Weg über das fürstlich fürstenbergische Wolfach, Gutachtal nach Hornberg.

 

Nach einer standesgemäßen Begrüßung durch den Rat, der Bevölkerung und nach einer Stärkung in Hornberg, wurde zum Aufbruch geblasen. Der Weg sollte den Herzog und Gefolge mit einem einstündigen Ritt durch das damals wilde Offenbachtal führen. Zuletzt mussten alle über drei Leitern an den Felsen hinaufsteigen. Damals konnte die Gesellschaft das Straßburger Münster, vermutlich die drei Burgen Richtung Freiburg: Hoch-, Schwarzenberg- und Kastelburg, den Zollerberg mit der Burg Hohenzollern und zwei Türme von Freudenstadt sehen.

 

Der Herzog hatte auf dem Hauenstein noch zwei kleine Bäume, nämlich eine Tanne und eine Birke, zum Andenken an seine Anwesenheit gepflanzt. Außerdem hat er seinem Regierungsrat und Oberamtmann zu Hornberg befohlen, dass man den heutigen Tag in den Fels hauen und markieren solle. Dann ging es über das Reichenbacher-, Krummen-, Schiltachertal über die Benzebene zurück nach St Georgen.

 

Wie befohlen wurde ein Stein 1m hoch, 80 cm breit und 20 cm dick mit einer Tafel errichtet. Auf dieser ist in lateinischer Schrift vermerkt, dass Herzog Karl am 23. Juli 1770 hier oben war, 2 Bäume gepflanzt habe und, dass der Stein Karlstein heißen solle. Auf der Rückseite sind die anwesenden Personen aufgeführt, die Herzogskrone und das auf 5 Wappenschilde verteilte herzogliche Wappen: Oben links die Rauten (Teck), rechts die Reichssturmfahne, links untern zwei Barben (Mömpelgard), in der Mitte Hirschstangen (Württemberg), rechts ein Heidenkopf (Heidenheim).

 

1903 wurde der verwitterte Stein restauriert. Alle umliegenden Gemeinden haben Arbeiten um den Karlstein untersagt. Heute steht der Karlstein unter Denkmalschutz.



Freitag, 12. Mai 2023

Was verbirgt sich hinter Forbach, dem letzten Zipfel im Murgtal?

Forbach 1890

Forbach im Murgtal mit seinen heute 4.500 Einwohnern umfasst eine Fläche von 132 km² und 10 Ortsteile: Forbach, Kirschbaumwasen, Raumünzach, Ebersbronn, Hundsbach, Viehschlag, Herrenwies und Schwarzenbach. 1974 wurden die ehemaligen Gemeinden Gausbach, Langenbrand und Bremersbach eingemeindet.

1360 wurde Forbach erstmals urkundlich erwähnt. Die armen Teufel, die sich in diese Gegend verirrt hatten, waren Leibeigene der Grafen von Eberstein und 1387 zum Teil der Markgrafen von Baden, mussten täglich eine Person pro Familie zum Frondienst abstellen. Die Leibeigenschaft wurde erst 1783 aufgehoben.

Eine weitere Besonderheit waren die sogenannten Waldkolonien  Raumünzach, Kirschbaumwasen, Ebersbronn und Hundsbach sowie Schwarzenbach. Hier wurden Holzfäller aus  dem Kinzigtal und Tirol mit ihren Familien angesiedelt, die für die Glashütte in Herrenwies und die großen Flößergesellschaften  Holz einschlugen. Die Kolonisten konnten keinen Grund und Boden erwerben, nur die Hütte, in der sie wohnten, war persönliches Eigentum, sie waren nur geduldet. Zuständig für sie war auch für Eheschließungen  bis 1870 das staatliche Forstamt. Erst 1970 waren die Kolonisten den anderen Bürgern gleichgestellt, da sie auch Grund und Boden erwerben durften. Bis 1805 hatten die Waldkolonisten keine eigentliche Schule. Die Kinder ließ man den Winter über von ausgedienten Soldaten und sonstigen herumwandernden ein Obdach suchenden Individuen gegen geringes Entgelt in einer geräumigen Hütte eines Waldkolonisten unterrichten.

Forbach war vom unteren Murgtal nicht zu erreichen, da es nur über die alte Weinstraße möglich war, die von Gernsbach über die Höhe nach Württemberg führte. Erst 1782/88 wurde die Straße im Tal von Gernsbach nach Forbach gebaut. 1790/93 wurde diese zur württembergischen Grenze fertiggestellt, so dass Forbach direkt von beiden Seiten erreicht werden konnte. Die Straße nach Baden-Baden über Bremersbach wurde erst 1906 angelegt. Mit der Eisenbahn war Forbach mit vielen Tunnels 1910  und Freudenstadt erst 1928 zu erreichen.

Schon im 16. Jahrhundert war eine Holzbrücke in Forbach über die Murg errichtet worden, um den kurzen nachbarlichen Verkehr zu ermöglichen, die aber immer durch Hochwasser weggerissen wurde. Markgraf Karl Friedrich ließ eine Holzbrücke nach einer Besichtigung 1774 anfertigen, die 1809 ein Dach erhielt. Noch heute hat Forbach als Wahrzeichen eine solche, die vom PKW befahren werden. Als weiteres Wahrzeichen liegt über dem Ort die Wallfahrtskapelle „Maria-Hilf“, die 1590 erbaut und 1682 schon erweitert werden musste.

Der unerschöpfliche Holzreichtum der riesigen Waldungen von Forbach ermöglichte schon im Mittelalter die Holzflößerei. Vor allem die Murgschifferschaft erschloss die ganzen Seitentäler der Murg mit Schwallungen, um den Holznachschub zur Flößerei auf der Murg zu garantieren. Da die Murg oberhalb Raumünzach nicht floßbar war, musste die Württemberger das Holz über den Berg zur Enz transportieren.

Wenn auch Forbach abgelegen war, wurde doch erkannt, welche Bedeutung die Wasserkraft hier bekommen kann. 1914 wurde mit dem Kraftwerk Kirschbaumwasen der Grundstein für das Murgkraftwerk gelegt, 1922 mit der Schwarzenbachtalsperre als erstes Pumpspeicherkraftwerk und dem Raumünzachkraftwerk zum Murg-Schwarzenbach-Kraftwerk weiterentwickelt. 1956 wurde dieses in „Rudolf-Fettweis-Werk“ der EnBW Kraftwerk AG umbenannt. Heute ist dieses in der Lage kurzfristig bis zu 68.000 KW an Stromenergie bereitzustellen.

Alte Holzbrücke

Kapelle Maria Hilf


 

Freitag, 5. Mai 2023

Was verbirgt sich hinter dem Rosendorf Nöggenschwiel?


Der zum Rhein abfallende Südschwarzwald, der Hotzenwald, ist das Armenhaus des Schwarzwaldes. Landschaftlich sehr schön, landwirtschaftlich karg und arm. Bei guter Sicht liegt das gesamte Schweizer Alpenpanorama vor einem.

 

Im Schwarzatal im Hotzenwald liegt Nöggenschwiel, das Rosendorf. Unzählige Rosen-Anlagen prägen das gesamte Dorfbild.  Ursprünglich ins Leben gerufen wurde das Rosendorf 1965 vom damaligen Bürgermeister Karl Tröndle, der mit den Bürgern sich am Bundeswettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“ beteiligte und Sieger des Wettbewerbs wurde. Dadurch wurde der ehemaligen Gartendirektor der Mainau und Ehrenpräsidenten der Gesellschaft Deutscher Gartenfreunde, Josef Raff, auf Nöggenschwiel aufmerksam. 1968 wurden die ersten 8.000 Rosen gepflanzt.  Karl Tröndler und Josef Raff gingen das Risiko ein, das Dorf trotz der 750 m Höhe mit Rosen noch schöner werden zu lassen. Wenn auch die ersten strengen Winter die ersten Rosen teilweise nicht überstanden, ließen die Nöggenschwieler nicht von ihrem Vorhaben ab. 2004 blühten 20.000 Rosensträucher in dieser kleinen Gemeinde, die von Rosenschulen aus ganz Deutschland besichtigt werden.

 

Die Überlegungen eines Rosen-Wanderwegs, der die einzelnen Ortsteile von Weilheim verbinden könnte, war eher ein Zufallsprojekt. Der damalige Bürgermeister von Weilheim, Roland Arzner, war von den Überlegungen so sehr begeistert, dass er diese Idee vorantrieb.  Auch hier konnte der schon in Nöggenschwiel bekannte Josef Raff von der Insel Mainau gewonnen werden. Dieser  suchte die Rosen für den gesamten Weg aus und legte die geeigneten Stellen für die einzelnen Rosensorten entlang des Weges fest. Heute verbindet ein 32 km langer Rosenwanderweg Nöggenschwiel mit 15 anderen Ortsteilen von Weilheim. Heimische Wildrosen, die durch intensive forst- und landwirtschaftliche Nutzung immer mehr zugedrängt worden waren, blühen heute wieder mit über 6.500 Rosenpflanzen und 250 Sorten.

 

2008 entstand der Schwarzwald-Rosen-Sortimentsgarten –eine Präsentation von 2.000 Rosen in 187 Sorten. 2013 kam als Ergänzung der Rosen-Duft-Garten am Kirchplatz mit 440 Duft-Rosen in 140 Sorten. Die Rosengärten dienen aber nicht nur der Verschönerung der Gemeinde sondern auch einem wissenschaftlichen Zweck: Prüfung der Rosen auf Frosthärte für die Verwendung in geographischen Höhenlagen.

 

Damit ist das Rosendorf Nöggenschwiel seit 1970 das einzige Dorf im Schwarzwald und mit 750 m das höchstgelegene in Deutschland. Anstatt Dunghaufen im Dorf sind die Zäune mit Kletterrosen überzogen, die die Giebel bis unters Dach  mit Rosenholz beranken. Die Dorfbewohner haben sich verpflichtet, die Rosenstöcke in ihre gärtnerische Pflege zu nehmen. So entwickelte sich die Rosenpracht aus ursprünglich 1000 Rosenstöcken und 170 verschiedenen Arten.  Heute blühen im Rosendorf insgesamt 17.000 Rosen in 650 Rosensorten. Diese werden von 100 freiwilligen Rosenpflegerinnen betreut.

 

Jedes Jahr findet am 2. Juli Wochenende die Rosentage mit umfangreichen Veranstaltungen statt. Nicht nur aus dem Inland sondern aus ganz Europa kommen die Besucher in das Rosendorf und bedeuten mittlerweile mehrere zigtausend Übernachtungen für diese kleine Gemeinde.  Im September und Oktober kann eine 2. Rosenblüte genossen werden.

 

Am Wege von Nöggenschwiel nach Weilheim liegt noch eine der wenigen „Zahnkäppele“ des Schwarzwaldes, die vom Zahnweh Geplagten beteten dort zur heiligen Apollonia, um sich Linderung zu erhoffen.