Samstag, 28. Dezember 2019

Was verbirgt sich hinter dem Uhrenhersteller Gebrüder Junghans?


Im Jahre 1857 wurden 700.000 Uhren pro Jahr von heimischen Uhrmachern als Unikate hergestellt. Aber im gleichen Jahr kamen in Hamburg rund 1.000 Sendungen mit amerikanischen Uhren an und verdrängten die Schwarzwälder Uhr vom Markt. Die amerikanischen Uhren waren gekennzeichnet durch einfachste Konstruktionsweise und maschinelle Herstellung der Uhrenteile, die eine gänzliche Austauschbarkeit der Teile gewährleistete. Damit waren sie preiswerter als heimische Produkte.



Die beiden Brüder Erhard und Xaver Junghans gründeten 1863 in Schramberg die „Gebrüder Junghans OHG“.  Erhard, vormals Geschäftsführer der Strohmanufaktur, hatte einen Hinweis erhalten, eine Uhrenfabrikation im Schwarzwald zu gründen, um die heimische Uhrenindustrie zu retten. Xaver ausgewandert nach den USA beschäftigte sich mit der amerikanischen Uhrenfabrikation und brachte die amerikanischen Maschinen nach Schramberg.



Erhard jun. Junghans arbeite in den USA in der amerikanischen Uhrenindustrie, um sein Wissen über die amerikanische Arbeitsteilung in der Uhrenindustrie zu optimieren. 1870 kam die Weckerproduktion hinzu. Durch die Übernahme der Thomas Haller AG in Schwenningen konnte ab 1900 die Taschenuhrenproduktion aufgenommen werden. 1903 war Junghans der weltgrößte Uhrenhersteller mit 3.000 Mitarbeitern, die 3 Millionen Uhren pro Jahr produzierten.



1906 begann Junghans wie auch die anderen Uhrenhersteller mit der Produktion von Munitionszündern. 1928 ergänzten die Armbanduhren die Produktionspalette. Mit der Weltwirtschaftskriese fusionierte Junghans mit der H.A.U., der Hamburg-Amerikanische Uhrenfabrik in Schramberg.



Anfang der 30er Jahre übernahm Erwin Junghans die Generaldirektion und richtete Junghans Richtung Rüstungsindustrie aus. Der Uhrenanteil betrug nur noch 60%. In verschiedenen Kooperationsbetrieben wurden bundesweit die Junghanszünder hergestellt.



In den 50er Jahren war Junghans größter Hersteller von Chronometern, was 15% einer Weltproduktion entsprach. 1956 gelang der Firma Diehl eine feindliche Übernahme von Junghans, in dem sie die Aktienmehrheit erlangt hatte.



Die Welt der Uhren veränderte sich aber grundlegend: Die Quarzuhr war der mechanischen Uhr an Ganggenauigkeit weit überlegen. Die Produktion von einer mechanischen Uhr mit 1.000 Arbeitsgängen wurde auf nur 5 Teile wie Batterie, Schwingquarz, elektronischer Schaltkreis, digitale Ziffernanzeige und Gehäuse reduziert. Die Quarzgeschichte erwies sich als Unglück für die traditionelle Uhrenindustrie Auch die erste Funkarmbanduhr von Junghans konnte das Abwärts des Unternehmens nicht verhindern. In den 90er Jahren war ein Überleben auf dem Uhrensektor nur mit extrem rationeller Fertigung oder konventionell im hochwertigen Bereich machbar. Aber beides war Junghans nicht möglich. Die Welt der Uhren tickte in Fernost.



Im Jahr 2000 wurde die Uhrenherstellung an Egana Goldpreil verkauft und 2008 Insolvenz angemeldet. 2009 hat die Familie Steim den insolventen Betrieb als Uhrenfabrik Junghans GmbH & Co KG übernommen. In den Räumlichkeiten wird ein Uhrenmuseum betrieben und mit 150 Mitarbeitern werden Funkuhren und hochwertige mechanische Armbanduhren hergestellt.

Weltzeituhr von Junghans 1905

Freitag, 20. Dezember 2019

Was verbirgt sich hinter Albbruck am Hochrhein?


Hüttenwerk Albbruck 1860

Die heutige Gemeinde Albbruck geht auf ein 1681 gegründetes Eisenwerk zurück. Das Hüttenwerk war zunächst ein landesherrlich-österreichischer Betrieb, der bis 1753 an private Unternehmer, dann an das Kloster St Blasien verpachtet war. Kapital aus der Schweiz, Wasserkraft von der Hauensteiner Alb, Holz aus der Region, das auf dieser geflößt werden konnte und Erzvorkommen im Klettgau waren ideale Voraussetzungen für eine Eisenproduktion.



1788 kaufte die Abtei St Blasien das Hüttenwerk als Eigentum. Mit der Säkularisation fiel das Hochofenwerk 1806 an den badischen Staat, unter dem es 1830-45 zu großer Blüte geführt werden konnte. Obwohl das Werk 1863 mit enormen finanziellen Mitteln modernisiert worden war, überstand es die sogenannte Eisenkrise nicht und wurde 1866 wegen Unrentabilität geschlossen. Eisen aus dem Ruhrgebiet oder Saarland war wesentlich billiger mit der Eisenbahn zum Hochrhein zu transportieren, als die Kohle in großen Mengen hierher zu führen. Das Großherzogtum schob die  noch wohnhafte Bevölkerung rücksichtslos nach Amerika ab oder verweigerte die Heiratsbewilligung, um die ehemalige Belegschaft zu verringern.



1870 erwarb wiederum schweizerisches Kapital das Gelände mit Gebäuden und Wasserkraft am Rhein und baute die Anlage um. 1872 wurde mit der Herstellung von Holzschliff begonnen und 1882 die erste Papiermaschine installiert. Damit begann die neue Ära der „Papierfabrik Albbruck“.



Der Ursprung des Ortes Albruck war das jeweilige Werk mit seinen Werkssiedlungen. Bis 1924 war es eine Kolonie mit einem eigenen Stabhalter und galt als abgesonderte Gemarkung vom Dorf Kiesenbach mit eigener Steuerverwaltung. Erst ab 1929 wurden die umliegenden Dörfer zur Gemeinde Albbruck zusammengelegt.



Um die Produktionssteigerungen bewältigen zu können, wurde 1889/90 eine zusätzliche Kanalanlage gebaut. Wasser aus der Alb wurde 1,5 km oberhalb des Albwehres abgeleitet und in einem 1,4 km langen Holzkanal, der durch Galerien, und durch in den Fels gehauenen Tunnel in ein fabriknahes Hochdruckreservoir für die Stromerzeugung geleitet.



Die Papierfabrik Albbruck erhielt 1955 ein neues Fabrikgebäude und eine der leistungsfähigsten Papiermaschinen Europas. Der Wasserbedarf wurde durch einen Rheinseitenkanal gedeckt. In den Spitzenzeiten wurden 310.000 t Dünnpapier im Jahr hergestellt. Nur die Wettbewerbsfähigkeit ließ zu wünschen übrig. So verkaufte der letzte finnische Besitzer UPM nach der Schließung des Werkes das 68 Hektar Gelände direkt am Rhein an die bayerische Karl-Gruppe. Diese will das Areal abreißen und zukunftsorientiert neu entwickeln.



Als Abfallprodukt wurde angeregt, der nicht mehr benutzte alte Holzkanal, der mit einer Brücke eine Nebenschlucht überquert in den bekannten und viel bewanderten „Albsteig Schwarzwald“ zu integrieren. Die berühmte und unzugängliche Albschlucht könnte damit gefahrlos zugänglich gemacht werden. Bisher ist nur die Überquerung der Albschlucht auf dem Studinger Steg bei Schachen möglich. 

Albtal Jensen 1890


   

Freitag, 13. Dezember 2019

Was verbirgt sich hinter Ernest Hemingway und dem Schwarzwald?


Oberprechtal 1920

Ernest Hemingway, der bekannteste Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, wurde am 21.7.1899 in Oak Park Illinois geboren und starb am 1.7. 1961 in Ketchum Idaho. 1953 wurde der bekannte Schriftsteller mit dem Pulitzer Preis und ein Jahr später mit dem Literatur Nobelpreis ausgezeichnet. 1922 war der Journalist für den Kanadischen Toronto Star als Korrespondent nach Paris gegangen. Da zog es den begeisterten Forellenangler während dem stickig heißen August aus Paris in den Schwarzwald nach Triberg, um eine Forellenwanderung von Tal zu Tal zu machen. Soweit die Vorstellung der Reisegruppe.



In Triberg nach langer Reise angekommen, ging es zum Bürgermeister, um Fischkarten zu holen. „We wollen der fischkarten. We wollen to gefischen goen“, redebricht der Autor aus den USA.  Die Antwort des Bürgermeisters war klar und unmissverständlich „ Nix, nein“ antwortete dieser brüsk und deutete zur Tür. Es war dem jungen Amerikaner fremd, dass man ein Fischwasser pachten müsse, um angeln zu können. Das Labyrinth der deutschen Bürokratie war dem unkomplizierten Amerikaner unverständlich. Um das alles zu umgehen, gab es nur den Weg der Wilderei. Hemingway beschrieb, dass er mit seiner Frau gewandert war und am oberen Tal mit einem schönen Forellenbach herauskam. Kein Bauernhof in Sicht, er steckte die Angelrute zusammen, seine Frau hielt talaufwärts und -abwärts Wache, und so konnte er seine Forellen fangen.



Im Oberprechtal hatten Hemingway und sein Begleiter William Bill Bird sich Angelkarten besorgt, wurden aber von Bauern mit Mistgabeln verjagt, da sie Ausländer waren. Die Nachwehen des verlorenen Krieges mit all ihrem Elend zeigten ihre Wirkung. Wurde er erwischt konnten am Schluss im inflationsgeplagten Deutschland bei Bauern und Behörden nur ein paar Dollarnoten weiterhelfen. Nur selten konnte er mit Erlaubnis eines Pächters angeln.



Im Gasthaus zur Sonne im Oberprechtal wollten sie sich um Angelscheine bemühen. Hemingway schrieb im Toronto Star „Wir saßen gerade vor dem Gasthaus zur Sonne im lebhaften Gespräch mit dem Gastwirt, das ausgezeichnet voranging, solange ich mich mit meinem Deutsch aus dem Spiele hielt. Als Bill Bird nach zwei Doppelzimmer fragte, blickte der Wirt frostig an den Gästen vorbei: „Ihr kriegt hier kein Zimmer, nicht heute, nicht morgen niemals, ihr Ausländer“. Auch hier bekommen die Amerikaner den Groll der Einheimischen gegen die Siegermacht zu spüren.



Interessant war auch seine Beschreibung vom Gasthaus Rössle im Oberpretal: „Das Zimmer  ist zu dunkel, der Misthaufen vor seinem Fenster stinkt unerträglich. Die Bettlaken sind kurz, die Federbetten klumpig, die Matratzen hellrot, das Bier gut, der Wein schlecht. Die Mahlzeit ordentlich vom Wirt selber aufgetragen, der unerschütterlich wie ein Ochse aussah. Seine Frau hatte ein Kamelgesicht genau die unverwechselbare Kopfbedeckung und den Ausdruck äußerste Stupidität, die man nur bei Trampeltieren und süddeutschen Bauersfrauen beobachten kann“.



Trotz alledem wurde an den Triberger Wasserfällen für seinen dreiwöchigen Urlaub im Schwarzwald eine Plakette oberhalb der Obervogt-Huber-Tanne auf einem Felsbrocken angebracht. Und die Familie Pleuler vom Rössle im Oberprechtal hängten stolz die Bilder und Zeitungsartikel von Hemingway auf.

Samstag, 7. Dezember 2019

Was verbirgt sich hinter dem Säcklestrecken?


Wird auf dem Schwarzwälder Bauernhof für den Winter vorgesorgt, ist auch die Zeit des Schlachtens gekommen, das sich in der Nachbarschaft herumspricht. Sitzt der Bauer mit seiner Familie, Gästen und dem Hofmetzger nach getaner Arbeit beim Kesseltreiben oder bei der Metzelsuppe, wie es auch genannt wird, versuchen sich die Burschen der näheren oder weiteren Nachbarschaft im Säcklestrecken.



Die ungebetenen Gäste, die Säcklestrecker, binden ein Säcklein, inliegend einem Zettel, an eine Bohnenstange. Mit dieser wird an das beleuchtete Fenster der Stube geklopft.  Auf diesen Zettel wird in Versform die Bauernschaft zum Metzgen des Schweines und der Metzelsuppe beglückwünscht, sowie die Bitte, auch eine Gabe vom Schlachtfest in das Säckchen zu legen.



Den Gratulanten und Bittsteller werden Würste und ein Stück Fleisch in das Säcklein getan. So dann wird die Stange wieder an ihren Platz zurückgestellt. Die Kunst der Säcklestrecker ist es, die Stange mit dem gefüllten Säcklein unbehelligt zu holen, um sich davon zu machen. Die Absicht des Bauern ist es, die Säcklestrecker bei ihrer Tat zu erwischen. Deswegen versuchen die Knechte der Säcklestrecker habhaft zu werden, in dem das Licht gelöscht oder die Stange angebunden wird.



Gelingt es die oder einen Säcklestrecker zu fangen, werden sie unter großem Hallo in die Stube zur Metzelsuppe geführt und bewirtet. Oftmals wird aber auch ein Schabernack mit den Säcklestrecker zusätzlich getrieben. Entweder werden ihre Gesichter mit Ruß geschwärzt oder gar die Hände vor dem Essen auf den Rücken gebunden. Sie müssen dann zur Erheiterung der anderen, ohne ihre Hände gebrauchen zu können, die Metzelsuppe essen.



Meist gilt aber Gnade vor Recht, denn es gilt letztlich als Ehre für den Hof, wenn viele Säcklestrecker kommen.



Ein typisches Gedicht der Säcklestrecker ist:

Guten Abend, ihr Metzersleut!

Wir haben gehört, ihr habt geschlachtet ein fettes Schwein,

und da möchten wir auch ein wenig als Gast dabei sein.

Wir haben gehört, euer Schwein war etwas klein,

drum wollen wir mit unseren Wünschen bescheiden sein.

Auf eine Blutwurst können wir kaum hoffen,

da euch das Blut ist davon geloffen.

Drum bitten wir um eine Leberwurst,

um zu vermehren unseren großen Durst.

Dann zum Fenster und in den Sack hinein,

das mag schon eine tapfere Bratwurst sein.

Ein Stückchen Speck

zwischen Ohren und Wedel hinweg.

Und noch einen Schunken,

dann wollen wir heimklunken.

Wir bitten, füllt das Säcklein bald,

denn es ist kalt, und wir sind alt.

Man nennt mich Hans Keck,

wer uns zu nahe kommt, bewerfen wir mit Dreck.