Freitag, 25. August 2023

Was verbirgt sich hinter dem Eisenbahnanschluss von Lahr?


Mitte des 19. Jahrhunderts leitete die Eisenbahn eine enorme Umwälzung im Verkehrswesen ein. Die Manufakturen und Fabrikationsbetriebe konnten plötzlich an die „große Welt“ angeschlossen werden. So auch Lahr mit seinen Tabak-, Schächtele- und Etuimanufakturen sowie Druckereien, denn 1838 wurde der Bau einer Eisenbahn von Mannheim, Karlsruhe, Offenburg, Dinglingen, Freiburg bis zur Schweizer Grenz beschlossen. Lahr war damals Amts- und Garnisonsstandort. Bevor die Schwarzwaldbahn 1866 begonnen war, wurde der Verkehr im Kinzigtal von Biberach über den Schönberg nach Lahr und nicht über Offenburg abgewickelt.

Das Problem war nur, Lahr am Eingang des Schuttertals gelegen und hinter dem Schutterlindenberg versteckt, lag gut 3 km von Dinglingen mit seinem Bahnhof entfernt. Warum sollte die bolzengerade projektierte Bahnstrecke in der Rheinebene nicht einen Schlenker nach Lahr machen? Denn auf der Welt gibt es nur 3 Arten von Menschen: “Männle, Wieble und Lohrer!“ Aber alle Vorschläge den Schutterlindenberg mit seinen 300 m Höhe zu umfahren oder zu untertunneln waren technisch möglich aber zu teuer. Der Referent der Regierung stellte lakonisch fest, dass die Lahrer sich bei ihren Vorfahren beschweren sollten, dass sie damals die Siedlung nicht zugleich an der künftigen Bahnlinie gegründet hätten, denn selbst ein Kopfbahnhof Lahr war anfänglich als zumutbar angesehen worden.

Als alles Jammern und Eingaben zur Verlegung der Hauptbahnlinie erfolglos blieben, beschäftigte Lahr 1862 sich mit dem Bau einer Seitenlinie als Zubringer nach Dinglingen. Aber auch da ging gleich das Gezerre los, denn die Direktion der Großherzoglichen Verkehrsanstalten wies nach, dass die Einnahmen die Betriebskosten decken würden aber nicht die Verzinsung. Die Tarife des Transports müssten so erhöht werden, dass der Transport auf der Straße billiger wäre. Aber nach langen Verhandlungen und Eingaben wurde die Seitenbahn als Straßenbahn 1864/65 gebaut, nachdem die Stadt und die Industriebetriebe erhebliche Zuschüsse gegeben hatten. Der Bahnhof befand sich auf dem heutigen Friedrich-Ebert-Platz. Die Bahnlinie wurde dann 1906 verstaatlicht.

Von 1908 bis 1911 wurde ein neuer Bahnhof Lahr-Stadt geplant und gebaut, da sich Lahr immer mehr nach Westen ausdehnte. Zuvor waren nochmals ernsthafte Versuche unternommen worden, eine Verlegung der Eisenbahnlinie zu erreichen, um die Bahnlinie näher an Lahr zu verlegen oder den Bahnhof näher an die Stadt zu bekommen, auch wenn der Bahnhof am der Gemarkungsgrenze von Dinglingen liegen würde. Aber laut Generaldirektion standen die Kosten in keinem vernünftigen Verhältnis zu den gewonnen Vorteilen. Auch Dinglingen wehrte sich mit einer Eingabe, den Bahnhof näher an Lahr zu rücken, da die bisher angesiedelte Industriebetriebe auf den zentralen Bahnhof gesetzt hätten. Das Problem, das schon 1842 mit einer Eingemeindung von Dinglingen- allerdings mit staatlichem Zwang- hätte gelöst werden können, wurde 1972 mit der Eingemeindung gelöst. Wenn der Bahnhof nicht zur Stadt kam, entwickelte sich die Stadt eben zum Bahnhof. Lahr hatte damit endlich das Ziel erreicht, einen eigenen Hauptlinienanschluss zu haben.

Lahr Kaiserstraße 1902



Samstag, 12. August 2023

Was verbirgt sich hinter dem Furtwanger Dr Duffner?

Dr Josef Duffner

In jener Zeit des 18. Jahrhunderts fand im Hochschwarzwal und damit auch in Furtwangen ein wirtschaftlicher Wechsel statt: Nicht mehr die Bauerngeschlechter waren die tragende Säulen der Wirtschaft, sondern die Strohflechterei, später das Uhrengewerbe waren im Vormarsch aber auch die verschiedenen Handwerke ließen sich nieder. In dieser Zeit des Umbruchs wurde Ignatz Duffner (1766-1842) geboren, der mit seiner Frau Agathe (1765-1840) 5 Mädchen und 3 Söhne aufzog. Er war von Beruf Materialist –heute würde man Drogist sagen, da er mit Arzneien, Drogen und Farben handelte. Er war im Zeichen des Wandels der erste Dorfvogt, der nicht aus einem bäuerlichen Geschlecht kam.

Über den Werdegang der Familie ist wenig bekannt. So taucht einer der Söhne als Dr Josef Duffner (1797-1865) im amtlichen Schriftverkehr auf, was auf ein Medizinstudium an einer Universität hinweist. 1929 erhielt der praktizierende Arzt Dr Duffner das Bürgerrecht von Furtwangen und heiratete im gleichen Jahr Theresia Fackler aus  Simonswald, mit der er 8 Kinder hatte. Aber nicht nur als Arzt wurde er in Furtwangen bekannt sondern auch als Unternehmer, Stadtplaner und heute würde man sagen – Lobbyist.

1847 konnte Dr Duffner zum Vorsitzenden des Uhrengewerbevereins für  vier Jahre gewonnen werden, deren Ziel die Uhrmacherschule in Furtwangen sein sollte. Der praktische Arzt war damals schon eine bekannte, beliebte Persönlichkeit im Schwarzwald. Zusätzlich konnte 1850 Robert Gerwig als Leiter der Uhrmacherschule gewonnen werden. Die damals ausgebildeten Taschenuhrmacher fanden aber kein geeignetes Betätigungsfeld, da es noch keine selbstständigen Unternehmer gab, die Taschenuhren serienmäßig herstellten. Hier machte Dr Duffner aus der Not eine Tugend, denn als Vorsitzender des Gewerbevereins gründete er 1853 mit weiteren Furtwanger die „Aktiengesellschaft für Taschenuhr Fabrikation in Furtwangen“. Dass auch nichts schief ging, übernahm er im Verwaltungsrat der Gesellschaft den Vorstandsposten.

Als Robert Gerwig 1856 um seine Entlassung von der Uhrmacherschule bat, da er sich um den Bau der Schwarzwaldbahn kümmern wollte. Da beabsichtigte die Regierung in Karlsruhe, die Uhrmacherschule aufzulösen. Unter anderen bewirkte die Bittschrift von Dr Duffner, dass dies nicht realisiert wurde, denn die Taschenuhrfabrikation konnte nur mit der tatkräftigen Unterstützung der Uhrmacherschule erfolgreich weiterbestehen.

Im gleichen Jahr erreichte er als Vorsitzender des Uhrengewerbevereins die Gründung einer Strohflechtschule, um die Beschäftigungslage dieser Hausgewerbes zu verbessern. Die erste Leiterin wurde die bekannt Cölestine Eisele.

1853 war es Gerwig gelungen mit Unterstützung von Dr Duffner und weiteren Gewerbetreibenden einen Gewerbeverein zu gründen, um die aufkommende Wandlung von der Manufaktur zum Industriebetrieb zu fördern und zu unterstützen.

1857 wurde Furtwangen von einem fürchterlichen Stadtbrand heimgesucht. Zuvor zeigte sich schon der Weitblick von Dr Duffner mit seiner Eingabe an das Bürgermeisteramt der Aufstellung eines Orts- bzw Bauplans für Furtwangen. Wenn sich in Furtwangen Industrie wie die Herstellung von Uhrenkästen entwickeln oder ansiedeln sollte, müssen geeignete Bauplätze her. Aber die Umsetzung stieß dann doch auf gewisse Schwierigkeiten, denn auch Dr Duffner wollte sein Haus am Marktplatz wieder auf die alten Fundamente setzen, denn es war viel billiger als ganz neu anzufangen. Damit war die Vergrößerung des Marktplatzes ausgeschlossen.

Mit 63 Jahren gründete der umtriebige Geist 1860 mit seinen beiden Söhnen Gustaf und Oskar die erste Strohhutfabrik in Furtwangen, nachdem er nach Unterlagen des Stadtarchivs schon seit 20 Jahren mit Strohflechtartikel handelte. Dies war im leicht möglich durch seine verwandtschaftliche Beziehung zur weltbekannten Strohhutgesellschaft Faller & Tritscheller  Cie in Lenzkirch.

Colestine Eisele-Kirner




Furtwangen 1850

Freitag, 4. August 2023

Was verbirgt sich hinter der Phonoindustrie von St Georgen?

Christian Steidinger

St Georgen und seine Umgebung war seit jeher ein wichtiger Ort für die Uhrenindustrie. In der Heimindustrie wurden zusätzlich Uhren, Uhrenteile und Werkzeuge hergestellt. 1873 kam Christian Steidinger auf die Welt, dessen Vorfahren tüchtige Werkzeugmacher im Stockwald zwischen Unterkirnach und St Georgen waren. Er baute in St Georgen erfolgreich eine eigene Werkstatt auf und gründete 1907 mit seinem Bruder Josef die „Gebrüder Steidinger für Feinmechanik“. In aller Munde kamen die Brüder als sie auf der Leipziger Frühjahrsmesse ein Grammaphonlaufwerk vorstellten. Daraufhin brach eine Auftragsflut über das Unternehmen herein. Doch der Erfolg hat immer zwei Gesichter, die Brüder trennten sich 1911: Christian entwickelte sich zu „Dual“, Josef zu „Perpetuum“ später zu „Perpetuum Ebner (PE)“.

Der Siegeszug der Schallplatte verlangte immer mehr nach Grammaphonen. Der Ausbau und die Expansion der Werke in St Georgen konnte kaum Schritt halten, vor allem nachdem Christian Steidinger einen Grammaphonantrieb mit Federlaufwerk und Elektromotor entwickelte. Dazu kam ein magnetischer Tonabnehmer und vollautomatischer Ausschaltung als eine Einheit. Daher der spätere Namen „Dual“-Plattenspieler. Die Söhne Oskar und Siegfried führten nach dem Ausscheiden vom Vater 1936 das Unternehmen zur Weltgeltung.

Aber auch „PE“ profitierte von der immensen Nachfrage nach Grammaphonlaufwerken und entwickelte sich ähnlich dynamisch –groß und größer bis zum Ersten Weltkrieg- wie Dual. Die Kriegsjahre mussten durch Kriegsproduktion überwunden werden und ab 1924 fanden beide Firmen im Gegensatz zur Uhrenindustrie wieder Anschluss an die internationale Konjunktur. Die wilden Zwanziger Jahre forderten ihren Tribut, überall tönten Grammaphone für die Laufwerke produziert werden mussten. In St Georgen schossen die neuen Produktionsstätten von „Dual“ und „PE“ wie Pilze aus dem Boden. Dies wiederholte sich ebenfalls nach dem Zweiten Weltkrieg ab 1949 wurde im Dreischicht-Betrieb gearbeitet. Um die Fortschritt der Technik aufzuzeichnen: Die Auflagekraft der Tonabnehmer reduzierte sich von 100 g auf 6 g. Weiter Meilensteine war die Einführung der Sterophonie. Immer weitere Industriegebiete mussten erschlossen werden, um die wachsenden Werke unterzubringen.

1971 hatten beide Unternehmen fusioniert und unter dem gemeinsamen Namen „Dual“ expandiert, denn die Elektronik verschärfte den internationalen Wettbewerb. In 11 Werken wurden mit über 3.000 Mitarbeitern die Hifi-Produkte für den internationalen Markt produziert. Doch offensichtlich wurde das Rad überdreht, denn die japanischen Marken waren technisch erfolgreicher. 1981 erfolgte der größte Schlag für St Georgen, denn Dual meldete Konkurs mit 150 Mio Schulden an. Von den damals 1.800 Mitarbeiter in St Georgen wurden 1982 nur 200 von dem französischen Staatskonzern „Thomsen-Brandt“ übernommen. 1988 ging der traurige Rest an die „Schneider Elektronics GmbH“.

Was ist heute von der einstigen Weltfirma übrig geblieben. Alfred Fehrenbach, ein begnadeter Techniker und Tüftler, kaufte 1993 die Plattenspielerproduktion von „Schneider Electronics“ und stellt unter „Dual Phono GmbH“ -heute „Dual GmbH“- wieder erfolgreich Plattenspieler her.

Die schon verschwunden geglaubte Schallplatte erlebt in den letzten Jahren eine Renaissance. Dies war Grund genug für Wolfgang Epting und Hans Uwe Lorius die schlafenden Quellen und Resourcen in St Georgen wieder aufzugreifen, um Musikgenuss von allerhöchsten Qualität zu produzieren. Der erste Messeauftritt 2015 auf der „High End“ in München gab den Tüftlern in St Georgen Recht.

Josef Steidinger