Mitte des 19. Jahrhunderts leitete die Eisenbahn eine enorme Umwälzung im Verkehrswesen ein. Die Manufakturen und Fabrikationsbetriebe konnten plötzlich an die „große Welt“ angeschlossen werden. So auch Lahr mit seinen Tabak-, Schächtele- und Etuimanufakturen sowie Druckereien, denn 1838 wurde der Bau einer Eisenbahn von Mannheim, Karlsruhe, Offenburg, Dinglingen, Freiburg bis zur Schweizer Grenz beschlossen. Lahr war damals Amts- und Garnisonsstandort. Bevor die Schwarzwaldbahn 1866 begonnen war, wurde der Verkehr im Kinzigtal von Biberach über den Schönberg nach Lahr und nicht über Offenburg abgewickelt.
Das Problem war
nur, Lahr am Eingang des Schuttertals gelegen und hinter dem Schutterlindenberg
versteckt, lag gut 3 km von Dinglingen mit seinem Bahnhof entfernt. Warum
sollte die bolzengerade projektierte Bahnstrecke in der Rheinebene nicht einen
Schlenker nach Lahr machen? Denn auf der Welt gibt es nur 3 Arten von Menschen:
“Männle, Wieble und Lohrer!“ Aber alle Vorschläge den Schutterlindenberg mit
seinen 300 m Höhe zu umfahren oder zu untertunneln waren technisch möglich aber
zu teuer. Der Referent der Regierung stellte lakonisch fest, dass die Lahrer
sich bei ihren Vorfahren beschweren sollten, dass sie damals die Siedlung nicht
zugleich an der künftigen Bahnlinie gegründet hätten, denn selbst ein
Kopfbahnhof Lahr war anfänglich als zumutbar angesehen worden.
Als alles
Jammern und Eingaben zur Verlegung der Hauptbahnlinie erfolglos blieben,
beschäftigte Lahr 1862 sich mit dem Bau einer Seitenlinie als Zubringer nach Dinglingen.
Aber auch da ging gleich das Gezerre los, denn die Direktion der
Großherzoglichen Verkehrsanstalten wies nach, dass die Einnahmen die
Betriebskosten decken würden aber nicht die Verzinsung. Die Tarife des
Transports müssten so erhöht werden, dass der Transport auf der Straße billiger
wäre. Aber nach langen Verhandlungen und Eingaben wurde die Seitenbahn als
Straßenbahn 1864/65 gebaut, nachdem die Stadt und die Industriebetriebe
erhebliche Zuschüsse gegeben hatten. Der Bahnhof befand sich auf dem heutigen
Friedrich-Ebert-Platz. Die Bahnlinie wurde dann 1906 verstaatlicht.
Von 1908 bis
1911 wurde ein neuer Bahnhof Lahr-Stadt geplant und gebaut, da sich Lahr immer
mehr nach Westen ausdehnte. Zuvor waren nochmals ernsthafte Versuche
unternommen worden, eine Verlegung der Eisenbahnlinie zu erreichen, um die
Bahnlinie näher an Lahr zu verlegen oder den Bahnhof näher an die Stadt zu
bekommen, auch wenn der Bahnhof am der Gemarkungsgrenze von Dinglingen liegen
würde. Aber laut Generaldirektion standen die Kosten in keinem vernünftigen
Verhältnis zu den gewonnen Vorteilen. Auch Dinglingen wehrte sich mit einer
Eingabe, den Bahnhof näher an Lahr zu rücken, da die bisher angesiedelte
Industriebetriebe auf den zentralen Bahnhof gesetzt hätten. Das Problem, das
schon 1842 mit einer Eingemeindung von Dinglingen- allerdings mit staatlichem
Zwang- hätte gelöst werden können, wurde 1972 mit der Eingemeindung gelöst.
Wenn der Bahnhof nicht zur Stadt kam, entwickelte sich die Stadt eben zum
Bahnhof. Lahr hatte damit endlich das Ziel erreicht, einen eigenen
Hauptlinienanschluss zu haben.
Lahr Kaiserstraße 1902 |