Freitag, 28. April 2023

Was verbirgt sich hinter dem Auerhuhn im Schwarzwald?


In jedem älteren Haus eines langjährigen Jagdpächters oder Forstamtsleiters im Schwarzwald grüßt die begehrteste Jagdtrophäe eines passionierten Jägers – ein ausgestpofter Auerhahn. Der König der Vögel ist leider vom Aussterben bedroht, denn es steht heute auf der „roten Liste“

 

Das Auerhuhn ist der größte Hühnervogel Europas neben dem Birk- und Haselhuhn und zugleich eines der Wappentiere des Schwarzwaldes. Dabei unterscheiden sich grundlegend Hahn und Henne. Der Hahn mit ca. 4-5 kg, Größe von 1m und einer Flügelspannweite von 90 cm ist dunkelgrau bis dunkelbraun gefärbt mit einem glänzenden grünen Brustschild. Die Henne hat nur ein Gewicht von 2,5 kg, eine Größe von 60 cm und eine Flügelspannweite von 70 cm und braun gefärbten mit schwarzen und silbernen Querbändern. Beide sind schlechte Flieger.

 

Die Jagd auf den Auerhahn gehörte zur „Hohen Jagd“ wie Gams, Hirsch und Wildschwein und war früher nur dem Adel vorbehalten. Kaiser Wilhelm II hat in der Zeit von 1900-1908 sechsmal auf fürstenbergischen Auerhahnjagden gejagt und dabei 36 Hähne erbeutet, obwohl er bekanntermaßen kein guter Schütze war. Oder auf dem Dammerskopf über Klosterreichenbach erinnert der Hahnenstein an Wilhelm, König von Württemberg, der im April und Mai 1894 drei Auerhähne geschossen hatte.

 

Gejagt wurde der Auerhahn nur während der Balz Ende April, Anfang Mai, wenn der letzte Schnee in den Bergen abtaut. Im frühen Morgengrauen balzt der Hahn auf seinem Schlafbaum bis es hell wird und setzt den Balzgesang auf dem Boden fort, das bis zu 90 Minuten dauern kann. Dieser beginnt mit dem „Knappen“, geht dann über in den „Triller“, dann folgt der „Hauptschlag“ und endet mit dem „Wetzen“ oder „Schleifens“. Nur während diesem kann der Jäger sich dem Auerhahn nähern, da der Hahn während des Schleifens nichts hört und sieht. Nicht selten kommt es bei mehreren Hähnen zu heftigen Kämpfen. Nach dem Befruchten legt die Henne in einem ungeschützten Nest auf dem Boden 6-12 Eier.

 

Wichtig für das Auerwild ist ein strukturreicher, aufgelichteter Bergmischwald mit reicher Beerenkrautflora- vor allem Heidelbeere und artenreiche Kleintierfauna. Außerdem spielt die Kiefer eine wichtige Rolle. Waren um 1900 noch 3.800 Auerhähne im Schwarzwald gezählt worden, so waren 1971 noch 500 und 2019 140 Stück vorhanden. Dabei wären für einen gesicherten Bestand mindestens 300 Hähne nötig.

 

Seit 1970 ruht die Jagd auf den Auerhahn und ist seit 1972 gänzlich verboten. Aber dieses Jagdverbot brachte keine wesentliche Erholung der Bestände.  Nicht die natürlichen Beutegreifer wie Habicht, Marder und Fuchs oder streunende Hunde und Katzen sind das Problem. In viel stärkerem Maße ist dies der Massentourismus durch die Querfeldeinwanderungen oder Langlauf, die Veränderung der Landschaft durch Aufforstungen mit Fichtenbeständen und Entwässerung der Moor und Feutgebiete. Die Abgase der Motorisierung verursachen übermäßigen Stickstoffeintrag im Boden, der das Fichtenwachstum begünstigt. Auch das Klima spielt eine Rolle: In den mittleren Höhenlagen des Schwarzwaldes (600-800 m) liegt der Schlüpftermin der Kücken zwischen dem 5. und 10. Juni – genau die Zeit der Schafskälte. Im Hochschwarzwald ab 800 m führt das härtere Klima zu späteren Hochbalz was ein Schlupftermin ab Mitte Juni zur Folge hat. Deswegen hat das Auerwild sich in die Höhenlagen von 800 bis 1.000 m im Schwarzwald zurückgezogen.

Samstag, 22. April 2023

Was verbirgt sich hinter der Glasbläserfamilie Böhringer?

Glashütte Buhlbach

Die Glashütte Schwarzenberg –später Schönmünzach genannt- wurde 1734 an der Mündung der Schönmünz in die Murg errichtet. 1758 wurde die Genehmigung zum Bau der Glashütte in Buhlbach am heutigen Kulturpark erteilt. Beide waren Unternehmerglashütten Schwarzenberg staatlich und Buhlbach privat mit festem Standort. Die wurde ermöglicht, da in Schwarzenberg das Holz über den Bach Schönmünz oder in Buhlbach über mehrere Kanäle der Rechtmurg und Röhrsbächle herbei geflößt wurden. Auch die Arbeiten der Glasbläserein wurden anfänglich getrennt, um unnötige Konkurrenz zu vermeiden: Schwarzenberg sollte Fensterglas und Buhlbach vorwiegend Hohlglas blasen.

Die Glashütte Buhlbach ging durch verschiedene Hände bis Franz Karl Klumpp aus Reichenbach diese 1787 erwarb. Er nahm als Teilhaber den jungen, tüchtigen Faktor der Schwarzenberg Hütte, Johann Georg Böhringer, auf.  Nach dem Tode von Franz Karl Klumpp 1800 übernahm er als alleiniger Besitzer die Hütte, da er die Tochter Klumpp geheiratet hatte. Die Glasbläserei blühte und mit mehreren Öfen wurde mittlerweile neben den Flaschen auch Tafelglas und später der berühmte Buhlbacher Schlegel als Champagnerflasche geblasen. Die Sektkellerei Keßler in Esslingen begann 1826 den Sekt im Bulbacher Schlegel abzufüllen. Die ursprüngliche Regelung der Trennung war schnell aufgeweicht worden.

1837 wurde die Glashütte Schwarzenberg von der Familie Böhringer erworben. Allerdings wurde sie 1844 an die Fa Grötz & Cie in Gernsbach weiterverkauft.

1883 trennten sich die Wege des Seniors Böhringer und seinen Söhnen. Zuvor hatten sie 1879 in Stuttgart-Feuerbach einen Porzellan- und Großhandel gegründet, der bis 1908 bestand. 1883 gründeten Emil und Hermann Böhringer die „H & E Böhringer Glasfabrik“ in Stuttgart Zuffenhausen. Sie produzierten Hohlgläser für den medizinischen Bereich. Aber 1910 mussten diese wegen zu geringer Rentabilität geschlossen werden.

Paul Böhringer ließ sich auszahlen, gründete am Bahnhof in Freudenstadt eine Glasfabrik, nahm die benötigten Bläser aus Buhlbach mit und ließ Flaschen mit Erfolg für Export Bier blasen. Diese Lage bot die Möglichkeit Kohle für die Feuerung anstatt Holz und auch die Glaserzeugnisse mit dem Zug zu transportieren. Pauls Sohn Otto musste sie 1932 schließen, da es zu teuer war mundgeblasenen Flaschen auf dem Markt zu verkaufen.

Hermann Göhringer, der letzte der Brüder, war nun alleiniger Geschäftsführer in Buhlbach und brachte die Glasfabrik nochmals zur Blüte. Sein Buhlbacher Schlegel wurde bis Russland verkauft. 1897 erfolgte die Umstellung auf die wirtschaftlichere Kohlefeuerung. Allerdings weigerte sich Württemberg die geplante Eisenbahn Freudenstadt bis Klosterreichenbach weiter zu planen. Von Gaggenau aus führte die Eisenbahn nur bis Weisenbach.  Aus der Not heraus wurde von Achern die Kohle mit Karren über den Schwarzwald nach Buhlbach und die Glaswaren zurück transportiert. Die 1855 eröffnete Rheintaleisenbahn eröffnete diese Möglichkeit. Die 1899 gebaute Turbinenanlage, um von Kohlefeuerung auf Stromfeuerung umzustellen, kam zu spät. 1909 wurde der letzte Glasofen gelöscht.

Ein Sohn von Hermann, Matthä Josef Böhringer,   erwarb 1874 die 1846 gegründete Glashütte Wolterdingen, die sich in finanzielle Schwierigkeiten befand. Trotz rechtzeitiger Umstellung der Produktion auf Soda und Kohlefeuerung sowie Eisenbahnanschluss, war Wolterdingen zu weit von den Märkten entfernt. 1909 musste die Glashütte geschlossen werden.

1885 verlegte Johann Georg Böhringer, ein weiterer Sohn von Hermann die Glasproduktion nach Achern. 1900 wurden schon maschinell die Sektflaschen geblasen, 1927 wurde die Produktion vollautomisch umgestellt. 1932 übernahm die „Gerresheimer Glas AG“ die Glashütte Achern. 2012 wurde sie vom amerikanischen Konzern „Owens Corp. Illinois“ aus strategischen Gründen geschlossen.
Glashütte Buhlbach heute

 

Freitag, 14. April 2023

Was verbirgt sich hinter der Aufhebung des Klosters St Blasien?

Fürstabt Rottler



Durch den plötzlichen Tod von Fürstabt Mauritius bei seinem Besuch im Kloster St Peter 1801 wurde Bertold Rottler zum neuen Fürstabt des Kloster St Blasien gewählt. Die Zeiten standen auf Sturm. Denn im Frieden von Lunéville wurde 1801 festgehalten, dass die deutschen Kleinstaaten für ihre linksrheinischen Gebietsverluste durch rechtsrheinischen Kirchenbesitz entschädigt werden sollten. Im Reichsdeputationshauptbeschluss von 1803 wurde die Säkularisierung der geistlichen Territorien festgeschrieben.

 

Zwar unternahmen die beiden Fürstäbte Rottler und Speckle von St Peter alles Erdenkliche, um die beiden Stifte zu erhalten. Aber nach anfänglichen Vertröstungen erfolgte durch Großherzog Karl Friedrich 1806 die definitive Auflösung der beiden Stifte „als mit den Einrichtungen des souveränen Großherzogtum unvereinbarlich“.

 

Baden zuvor kamen aber die Württemberger, die im Januar 1806 mit 80 Soldaten und 30 Berittenen im Namen des Königs von Württemberg das Kloster besetzten. Um ihre Besitzansprüche zu unterstreichen wurde überall die württembergischen Wappenschilder angebracht, die Klosterkasse verlangt und Fürstabt Rottler gezwungen ein Handgelübde auf den König von Württemberg abzugeben. Auch eine Abordnung der Malteser Komturei aus Heitersheim hatten Besitzansprüche anmelden wollen wurden aber durch die württembergische Kanonen vertrieben. Nach und nach sickerte aber die Ergebnisse des Pressburger Friedensschluss durch, dass die Klöster und österreichische Gebiete im Südschwarzwald dem Großherzogtum zufallen werden. Den Württemberger fiel es schwer, das schon Besetzte wieder zu verlassen und weigerten sich abzuziehen. Erst die Intervention des französischen Generals Monard bewirkte am 18. Februar 1806 den Abzug der württembergischen Soldaten. Die badischen Hoheitszeichen ersetzen die württembergischen.

 

In seiner Not wandte sich Fürstabt Rottler an den Erzherzog Ferdinand in Wien um Hilfe. Dieser versicherte auch, dass  Wien die Treue des Schwarzwaldklosters nicht vergesse und notfalls ein Unterkommen des Konventes im Lande schaffe.

 

Nachdem 1807 Joseph Albrecht von Ittner mit der Auflösung des Klosters beauftragt wurde, begann der Auszug von Fürstabt Rottler und dem Großteil der Mönche mit den restlichen Kunstschätzen, darunter das kostbare Adelheid-Kreuz sowie den Gebeinen von 14 hier begrabenen Habsburgern. Es ging zunächst ins Stift Spital am Pyhrn in Oberösterreich und schließlich 1807 ins Stift St Paul im Lavanttal in Kärnten.

 

Das große Vermögen, Grundbesitz, Unternehmen wie die Brauerei Rothaus, Hammerschmiede Kutterau und das Eisenwerk Albbruck fielen dem Großherzogtum zu. Dazu gehörten auch die Priorate und Propsteien in Berau, Bürgeln, Gurtweil, Krozingen, Mengen und Oberried. Allerdings  war es doch verwunderlich, dass kostbare Geräte und Gefäße nicht mehr auffindbar waren. Gelder wurden über die schweizerischen Besitzungen  nach Zürich rechtzeitig transferiert, unersetzliche Archivalien wurden über das Kloster Einsiedeln für St Paul gerettet. Auch eine dreibändige Gutenberg-Bibel aus 1560 fand ihren Weg nach St Paul und wurde an die Libary of Congress verkauft, um die vernachlässigte Stiftskirche wieder den alten barocken Glanz verleihen zu können.

Kloster St Blasien 1783


 


Freitag, 7. April 2023

Was verbirgt sich hinter der Schwarzwaldbahn?

Gerwig Denkmal Triberg

Für den badischen Großherzog war es von äußerster Wichtigkeit, einen Weg der Eisenbahn über den Schwarzwald zu finden,  um den Hegau und badischen Teil des Bodensees mit seinem übrigen Territorium zu verbinden. Gleichzeitig sollten die südbadischen Gemeinden im Schwarzwald erschlossen werden, denn sie waren bisher nur mit dem Pferdefuhrwerk zu erreichen. Die Eisenbahn war der Schlüssel für die Industrialisierung des Schwarzwalds.

 

Erste Planungen wurden in den 1840er Jahren gemacht. Aber die damals leistungsschwachen Lokomotiven forderten eine flache, technisch zu aufwändige und damit unbezahlbare Streckenführung. Die Überlegungen waren dann, mit der Schwarzwaldbahn einen Zubringer zur Gotthardbahn zu verbinden. Der Endpunkt sollte Waldshut sein mit Übergang über Koblenz in die Schweiz. Aber die geologischen Probleme der Wutachschlucht verhinderten dies. Stattdessen wurden in den Überlegungen der Kanton Schaffhausen weiträumig zu umfahren und Singen als Endpunkt festgelegt.

 

Es standen 3 Planungen zur Diskussion:

 

1.     Bregtallinie (Haslach – Prechtal – Furtwangen – Donaueschingen) Sie war die teuerste Variante und schied deswegen aus.

2.     Schiltachlinie (Haslach – Schiltach – Schramberg – Villingen) Sie hatte den größten Nachteil, sie musste württembergisches Gebiet überfahren. Der württembergische Uhrenstandort Schramberg wäre eine unliebsame Bevorzugung des badischen Uhrenstandorts Furtwangen gewesen.

3.     Sommeraulinie (Hausach – Triberg – Sommerau – Villingen) Der auf Sauerbeck zurückgehende betriebliche Nachteil waren 2 Spitzkehren.

 

Ingenieur Robert Gerwig mit der Planung betraut, begann 1865 mit dem Bau der Sommeraulinie. Die Strecken von Offenburg bis Hausach und von Engen bis Singen waren unproblematisch. Sehr schwierig war die 38 km lange Strecke von Hausach bis St Georgen, da 565 Höhenmeter überwunden werden musste. Gerwig verwendete 39 Tunnels mit insgesamt 10,686 km Länge, zwei großen Doppelschleifen, um nicht 2 % Steigung zu überschreiten und drei Kreiskehrtunnels. Eine Realisierung galt damals als unmöglich.

 

Die Trassierung wurde für den zweigleisigen Ausbau durchgeführt, obwohl sie anfänglich nur eingleisig fertiggestellt wurde. 1866 waren die Abschnitte Offenburg-Hausach und Engen bis Singen fertiggestellt, 1868 folgten Donaueschingen-Engen, 1869 Villingen-Donaueschingen und 1873 die gesamte Strecke mit 149 km. Erst 1921 war sie durchgehend zweigleisig befahrbar.

 

Die Trassierung und Linienführung machten die Schwarzwaldbahn zu den bekanntesten, doppelgleisigen Gebirgsbahnen. Denn von Hausach bis St Georgen müssen 14,8 m/km an Steigung überwunden werden. Die Orte liegen Luftlinie 21 km auseinander, die Bahnstrecke beträgt aber 38 km. In Hornberg musste ein 150 m langes und 28 m hohes Viadukt errichtet werden sowie zweimal musste die Wasserscheide überwunden werden.

 

Bremsenhersteller aus der ganzen Welt unterwerfen auch heute noch ihre Bremssysteme Leistungstests auf dieser Strecke. Legte im Eröffnungsjahr der Schnellzug die Strecke von Offenburg nach Singen in 4 Stunden 10 Minuten zurück, ist es heute unter 1 Stunde 45 Minuten. Die Schwarzwaldbahn ist in ihrer Gesamtheit ein Kulturdenkmal des Landes Baden-Württemberg.

Trasse bei Triberg


 
Schwere Dampflokomotive Triberg

Samstag, 1. April 2023

Was verbirgt sich hinter Schutt und Asche in Todtnau?


Um das Jahr 600 ließ sich ein Landsiedel namens Totto an der Gabelung der Wiese und des Schönenbachs mit seiner Sippe nieder. Die Nachbarn nannten es „Tötrnouua“, das heisst „Au des Totto“. 1114 kam das spätere Todtnau schenkungsweise an das Kloster St Blasien. Der Ertrag der Silbergruben kamen ihm sehr zustatten.

Todtnau wuchs und gedieh: Der Bergbau, das Spinn- und Webgewerbe, die Bürstenindustrie trugen dazu bei, dass Todtnau sich in dieser unwirtlichen, kargen Gegend unterhalb des Feldbergmassivs entwickeln konnte. Mitten in saftigen Wiesen, am Zusammenfluss des Schönenbachs und Wiese lag Todtnau um 1850 mit 1.300 Seelen und 141 aus Holz mit Schindeln gedeckten Häusern.

Im Juli 1876 brannte die Sonne auf die Schindeldächer, und ein scharfer Südwestwind lauerte außen im Tal. Da brach um die Mittagsstunde im oberen Dachraum der Emil Zieglerischen Papierfabrik vermutlich durch ein schadhaftes Kamin ein Feuer aus. Die Arbeiter waren in der Mittagspause im Garten und bemerkten den Brand zu spät. Das Fabrikgebäude war extra 400 m von der Innenstadt auf die grüne Wiese wegen der Feuersgefahr gebaut worden. Mit Hilfe der Todtnauer Feuerwehr versuchte man den fortgeschrittenen Brand unter Kontrolle zu bringen.

Aber der aufkommende unselige Südwestwind wirbelte brennende Lumpenfetzen und Papierschnitzel hoch, trug sie weiter und ließ sie in einem wahren Funkenregen auf die sonnendurchglühten Dächer niederfallen, die sofort lichterloh brannten. Rasend schnell verbreitet sich die Feuersbrunft über die Häuser, das kaum fertiggestellte Spital, das Rathaus, die Post und Apotheke, die Kirche mit 4 Glocken und Pfarrhaus mit unbarmherziger Rücksichtslosigkeit. Die Leute, welche dem Fabrikbrand zur Hilfe gerannt waren, mussten beim Zurückkommen zusehen, wie ihre eigenen Häuser in Flammen standen. Alles was vor den Flammen ins Freie gerettet werden konnte, verbrannte in der unausstehlichen Hitze. Nur das Vieh stand geschützt aber unruhig auf der Weide.

Der Feuersbrunst konnte nichts entgegengehalten werden. Erst am Nachmittag trafen aus dem ganzen Amtsbezirk die Feuerwehren mit ihren Löschmannschaften ein. Die Pumpen der Wehren von Menzenschwand, Bernau, Schopfheim, Fahrnau, Lörrach und St Blasien wurden langsam der Feuerwalze Herr. Am nächsten Morgen wurde das Ausmaß des Grauens aus den rauchenden Trümmerhaufen sichtbar. Der gesamte Stadtkern und das Oberdorf waren verloren, ein Trümmerfeld. Nur wenige Häuser im Hinterdorf und am Rande wurden verschont. 973 Bewohner waren obdach- und mittellos.

Noch in der Nacht setzte die Hilfe in dieser schrecklichen Not ein. Wer noch was hatte, teilte Essen, Kleider und Bettzeug. Hilfe und Unterkommen gab es in den Nachbarorten. Aus dem gesamten Großherzogtum, vom Militär kamen Hilfe, Geld und Sachspenden, so dass das erhaltene Schulhaus die Spenden kaum fassen konnten. Die geliehenen Marktbuden von Freiburg dienten als Unterkunft. Aus Basel, ja selbst aus Norddeutschland, Holland und England kamen Kleider, Geld und Lebensmittel.

Bald blühte neues Leben aus den Ruinen, 1877 wurde ein neuer Stadtplan für den Aufbau von Todtnau festgelegt. Eine Bauordnung legte fest, dass die Häuser durchgehend aus Stein ausgeführt und mit Ziegel oder Schiefer gedeckt sein müssen. Die Bauaufwendungen betrugen 1,5 Mio Mark, die Brandversicherung betrug aber nur 600.000 Mark. Für die Differenz übernahm die Gemeinde eine Hypothek und verpfändete einen Teil des Waldes. 1879 war alles soweit wieder aufgebaut, nur die Kirche erinnert in ihrem neuen dominierenden Platz an das unsägliche Unglück.

Todtnau 1875




Todtnau Ende 1876