Freitag, 29. Januar 2021

Was verbirgt sich hinter der Schramberger Strohmanufaktur?

Strohhutfabrikation im Schwarzwald

Die Region Triberg war bekannt durch die Strohflechterei, die maßgeblich vom Triberger Obervogt Huber von (1758-1816) als Armenbeschäftigung gefördert und unterstützt wurde. Viele Familien auf dem Schwarzwald wussten nicht, wie sie die vielen hungrigen Mäuler stopfen sollten.

 

Im württembergischen Schramberg herrschte eine ähnliche Situation der Bevölkerung. Nur im Gegensatz zum Pietismus, der in Württemberg vorherrschte, galt Armut im katholischen Schramberg als selbstverschuldet. Die Armen sollten nicht von Almosen leben sondern sich ihren Lebensunterhalt selbst verdienen. Daher galt Arbeitsbeschaffung als höchste Tugend im Württemberg des 19. Jahrhunderts.

 

So wurde von 56 Männern der Gemeinde Schramberg wie Schultheiß Jegglin, Pfarrer Herligkofer und Armenpfleger Wolber 1832 die „Strohmanufaktur als Armenbeschäftigung-Anstalt auf Actien gegründet“. Sie sollte die Not lindern. Selbst der König von Württemberg kaufte Aktien.

 

Zuerst wurden  Strohgeflechte und dann Hüte fabriziert. Aber mangelnde Kenntnisse in der Strohfertigung bei diesem neuen Industriezweig, der gemeinnützig und damit steuerfrei arbeitete, führten als bald zu der Situation, dass die Einlagen aufgebraucht waren. 1838 konnte der Kaufmann Johann Peregrin Haas für die Leitung gewonnen werden und führte die Aktiengesellschaft als „Industrie Anstalt Schramberg“ weiter. Mit seiner Kapitalzufuhr und staatlicher Unterstützung gelang es ihm das Unternehmen zu stabilisieren.

 

1840/41 konnte Johann Haas den über weit reichende Handelsbeziehungen im Strohgeschäft verfügenden Schweizer, Johannes Tobler, für sein Unternehmen gewinnen. Dieser ließ anfänglich die Fertigung von Strohtaschen und später von Strohhüten anlaufen. Er importierte das Grundmaterial der Latanier-Palme aus der Karibik. Der Vorteil war, dass die Produkte eine größere Haltbarkeit gegenüber dem herkömmlichen Stroh besaßen. Der Erfolg drückte sich in der Ausdehnung der Strohflechterei als Heimarbeit auf 30 Nachbargemeinden  von Schramberg aus.

 

Johannes Tobler entdeckte den talentierten Erhard Junghans bei der Majolika, ließ ihn technisch, kaufmännisch und sprachlich ausbilden. Der spätere Gründer von Junghans-Uhren erschloss in Frankreich und der Schweiz neue Märkte. Mittlerweile als Geschäftsführer und Teilhaber aufgenommen, beschäftigte das blühende Unternehmen bis zu 6.000 Menschen.

 

1854 wurde die Aktiengesellschaft aufgelöst und als „Strohmanufaktur J.P. Haas & Cie“ neu gegründet. Sie errichtete zusätzlich eine Färberei und Leimsiederei. 1860 kamen eine Dampfmaschine, Hutpressen und Webstühle hinzu. Die produzierten Artikel wurden in ganz Deutschland, Österreich, Schweden Norwegen, England und den USA vertrieben. Auf zahlreichen Industrieausstellungen wurden deren Produkte ausgezeichnet.

 

Nach dem Tode von Johann Haas führten dessen Söhne und Schwiegersohn das Unternehmen weiter. Mittlerweile hatte sich kostengünstige Konkurrenz aus dem Allgäu auf dem Markt etabliert. Zusätzlich mit dem Beginn des Ersten Weltkrieg 1914 und den daraus folgenden Turbulenzen zeichnete sich das Ende des Unternehmens ab.

 

 

Freitag, 22. Januar 2021

Was verbirgt sich hinter der Seidenraupenzucht im Schwarzwald?

 

Seidenstoffweberin

Der Seidenspinner stammt aus dem Himalaja und wurde in China schon seit 2600 v. Chr. gezüchtet. Voraussetzung für das Vorkommen des Schmetterlings ist der weiße Maulbeerbaum auf dessen Blätter der Seidenspinner im Sommer 300 bis 500 Eier ablegt. Aus diesen schlüpfen 3 mm kleine Raupen. In fünf Wochen fressen sich die Raupen an den Blättern des weißen Maulbeerbaumes zu einer Größe von  9 cm an. Zur Verpuppung spinnen sie sich in einen Kokon ein, aus dem der Schmetterling schlüpft. Aus diesem Kokon wird der Seidenfaden gewonnen.

 

Die Chinesen haben unter strengsten Strafen die Ausfuhr der Seidenwurmeier verboten, um das Monopol zur Herstellung der begehrten Seide zu behalten. Im Jahre 555 gelang es 2 Mönchen jedoch mehrere Eier nach Europa zu schmuggeln. Damit begann der Siegeszug der Seidenherstellung in Europa. Um 1148 wurde sie in Sizilien heimisch. Irgendwann gelang auch der Sprung über die Alpen. Im Südschwarzwald war es der damalige Markgraf Carl Friedrich, der ab 1749 durch Verordnungen die Seidenraupenzucht vorantrieb. Wichtig war eben besonders der weiße Maulbeerbaum als Fressgrundlage für die Raupen. Deswegen wurden die „Unterthanen“ mehrfach aufgefordert, weiße Maulbeerbäume zu pflanzen. An Straßen, Wegen, Bächen, Gräben, vor allem auf Friedhöfen und Kirchplätzen waren mehrere weiße Maulbeerbäume anzupflanzen.

 

Gleichzeitig wurden auch die Schulmeister in die Pflicht genommen, bezüglich Pflanzung und Wartung der Maulbeerbäume sowie die Erziehung und Bereitung der Seide zu unterrichten. Die Arbeiten sollten nicht nur Kindern sondern auch gebrechlichen Personen eine Verdienstmöglichkeit geben. An die Ober- und Forstämter ging die Anweisung genaue Listen zu führen über die Maulbeerkulturen, welche Pfarrer und Schulmeister Maulbeersamen und Eigelege für die Seidenraupenzucht angefordert hatten. Strenge Strafen gab es bei Zuwiderhandlungen und Beschädigungen der Maulbeerbäume. Auch der Wiener Hof unter Maria Theresia 1765 und später unter Joseph II 17779 erließen entsprechende Anweisungen für die Vorderösterreichischen Lande.

 

Die Kokons werden vor dem Schlüpfen des Schmetterlings eingesammelt, die Puppen mittels heißem Dampf getötet und in heißes Wasser gelegt. Dort werden sie leicht gepeitscht oder gebürstet. Ein Kokon enthält 3.000 m Faden. Das Mittelstück des Fadens –ca 1.000 m- ergibt die kostbare Haspelseide. Aus den Anfängen und Endstücken sowie beschädigten Kokons wurde die Florettseide hergestellt.

 

In zahlreichen Tälern des Südschwarzwaldes standen in den Stuben Webstühle, mit denen die kärglichen Einkommen aufgebessert und Seide gewebt wurde. Die maschinelle Ausstattung wurde immer vom Fabrikanten gestellt. Im Hotzenwald war die Textilheimarbeit Hausindustrie.

 

Das Stadtbauamt von Waldshut-Tiengen war vor dem Umbau 1989 der ehemalige „Seidenhof“. Dieser berichtete noch 1862 vom Handel mit Maulbeerblättern. Allerdings brachte  eine verheerende Welle tödlicher Krankheiten  Mitte des 19. Jahrhunderts größtenteils das Ende der Seidenraupenzucht. Während des 1. Weltkrieges gab es ein kurzes Aufblühen der Seidenraupenzucht als Verdienstmöglichkeit der Kriegsinvaliden. So auch im 2. Weltkrieg, da dringen die Seide für Fallschirme der Wehrmacht benötigt wurde. Aber seit der Erfindung der Kunstseide um 1900 hat die Seidenraupenzucht keine Chance mehr.

 

Freitag, 15. Januar 2021

Was verbirgt sich hinter dem "schwarzen Wald"?


Die Besucher des Schwarzwaldes verbinden den Namen des Schwarzwaldes mit seinen dunklen zusammenhängenden Tannen- und Fichtenwäldern.  Der Name kommt aber nicht von diesen dunklen Nadelwäldern. Der „Silva Nigra“ wie die Römer den Schwarzwald nannten, war ein dunkler und undurchdringlicher Mischwald aus Laub- und Nadelwald.

 

Wie konnte es zu diesen unterschiedlichen Wahrnehmungen kommen? Ins- besonders im Zeitraum vom 16. und 18. Jahrhundert explodierte der Holzbedarf.  Die überall aufkommenden Glashütten hatten einen enormen Holzverbrauch für die Gewinnung der Pottasche zur Glasherstellung und dem Heizen der Glasöfen, die Flößer, die den Holzhunger der Städter und der holländischen Häfen gestillt haben, die im Merkantilismus forcierte Eisen- und Porzellanmanufakturen, die Köhler und Harzer sowie die Siedlungsrodungen trugen dazu bei, dass der Schwarzwald um 1800 auf dem besten Wege war, ein kahles Gebirge zu werden.

 

Um 1797 beschreibt die Regierung von Vorderösterreich in Freiburg: „Obwohlen es unmöglich scheinte, dass sich jemalen in den Schwarzwald ein Mangel an Holz erzeugen könnte, so lässt sich doch selber schon wirklich spühren, keine andere Ursach, als man bishero mit dem Holz so verschwenderisch umgegangen, …dass also ganze und viele Berg ganz blos dastehen und kein Klafter Holz mehr drauf wachset“. Hektar um Hektar wurde kahlgeschlagen, ohne dass für eine Wiederaufforstung gesorgt wurde, man zog einfach weiter. Gleichzeitig stand der Wald im Dienste der Landwirtschaft. Die damals übliche Waldbeweidung verhinderte die Naturverjüngung, da Viehherden vom Frühjahr bis zum Herbst zur Weide in den Wald getrieben wurde. Die Schweineherden wurden zur Eichel- und Bucheckernmast ebenso in die Wälder geführt. Dazu kam die damals übliche Reutefeldwirtschaft der Bauern. Um 1800 herrschte Holznot.

 


In den Waldungen der Gemarkung Baiersbronn brach zusätzlich am 4. August 1800 „onfern des wilden Sees“ ein furchtbarer Waldbrand aus. Insgesamt verbrannten in starken 2 Wochen 26 km² Wald am Wildsee.

 

Durch die Säkularisierung kamen die kirchlichen Wälder in Baden 1803 in staatliche Hand. In Württemberg war dies schon im 16. Jahrhundert geschehen. Mit der Mediatisierung kamen aus der Kleinstaaterei 80% des Schwarzwaldes zum Großherzogtum Baden und 20% kamen zum Königreich Württemberg. Damit war eine einheitliche Forstpolitik wenigstens pro Staat möglich, wenn es auch noch Jahrzehnte dauerte, bis eine Kontrolle der Privatwaldungen rechtlich abgesichert war.

 

1823 verbot die neue Forstwirtschaft das Weiden von Vieh im Wald, was zur Stallhaltung des Viehs führte. Harzen war grundsätzlich verboten. Der Raubbau der Wälder wurde durch das Verbot von Verwüstungen 1833 beendet. Kahlhiebe wurden verboten, Wiederaufforstung war zwingend vorgeschrieben. Eine nachhaltigere Forstwirtschaft hielt Einzug.

 


Hünersedel heute

Etwa ab 1840 war der Rohstoff Holz am freien Markt ein gesuchtes, gut bezahltes Material. Die Holzpreise erreichten um 1900 das drei bis vierfache der Ausgangswerte von 1820. Die Robustheit der Fichte auf degradierten Böden, die wirtschaftliche Überlegenheit durch das schnelle Wachstum und damit durch die schnellere Nutzung gegenüber der Buche und Eiche führten zu der völlig anderen Zusammensetzung der Wälder: Die Monokultur des Nadelwaldes. Erst in heutige Zeit unter dem Eindruck des Klimawandels hat sich beim Aufforsten der  frühere Laubbaum als Notwendigkeit wieder durchgesetzt.

 

 

Freitag, 8. Januar 2021

Was verbirgt sich hinter dem "Badisch-Sibirien"?

 


Herrenwies, heute ein Ortsteil von Forbach im Murgtal, liegt an der L 83, die das Murgtal mit Sand an der Schwarzwaldhochstraße verbindet. Es liegt oberhalb der Schwarzenbachtalsperre, hat 70 Einwohner und lädt vor allem im Sommer zum Wandern ein. Die ehemalige Forstkolonie geht auf die Gründung der Glashütte Herrenwies 1732 zurück. Das Kirchlein St Antonius erbaut 1744 stammt noch aus jener Gründerzeit. Die Klagen derer, die damals in dem heute romantischen Herrenwies zum Kirchendienst verpflichtet wurden, rissen aber nicht ab:

 

So klagte der Pfarrverweser Bruderhofer 1826: „Zu wenig Geld, schlechte Ernährung, kein brauchbarer Ofen im Hause. Wenn man den schlechten Ofen feuert, wird man blind vor Rauch. Das Pfarrhaus ist in elendesten Zustand, denn bei Regen läuft im Schlafzimmer das Wasser von allen Seiten herein, die Fenstergestelle sind durchlöchert, die mit Moos zugestopft werden mussten. Der Herd ist eingestürzt. Das Kamin ist schadhaft. Die Schweineställe sind abgedeckt, die Scheine mussten in die Küche gebracht werden, wenn sie nicht erfrieren sollten. Wenn der Schnee schmilzt, füllt sich der Keller mit Wasser, die Abwasserkanäle sind eingefallen und die Erdäpfel ersaufen.

 

Der Dekan von Ottersweier stimmte 1845 mit ein: „Von Herrenwies braucht man vier Stunden zum nächsten Ort im Bühlertal. In der Winterzeit von dort unten nach oben zu gehen, heißt sein Leben wagen. Man bedenke, dort oben soll ein armer Pfarrer sein Leben verbringen, etwas Entsetzliches die Lage eines sibirischen Ortes! Einen Geistlichen unter bisherigen Verhältnissen nach Herrenwies anzustellen, heißt ihn auf russische Weise nach Sibirien verbannen. Wer hier verweilen muss, kann als Sträfling angesehen werden.“

 

Ein Bericht des Dekanats von 1850 berichtete, dass es grauenerregend sei zu hören, dass in der Forstkolonie 16 wilde Ehen mit 41 Kindern und 13 Dirnen mit 29 unehelichen Kindern sich befinden. Wer sieht hier nicht das wahre Sodom und Gomorrha!“ Allerdings muss auch erwähnt werden, dass nur heiraten durfte, wer bestimmte Bedingungen erfüllte und ein Mindestmaß an Geld und Gut aufweisen konnte. Die staatlichen Stellen wollten zu gerne die Forstkolonien aussterben lassen und zahlten lieber die Ausreis nach Amerika.

 

Allerdings sollte auch erwähnt werden, dass Pfarrer Theodor Kern 1875 ein Versetzungsgesuch in Hofsgrund am Schauinsland begründete: „Wenn einige Gebiete des Schwarzwaldes Badisch Sibirien genannt werden, so verdient Hofsgrund die Bezeichnis Badisch-Nowaja Semlja, denn in keinem der verwunschenen Pfarrorte sieht es trostloser aus als dort. Herrenwies ist zwar vereinsamt, liegt aber lange nicht so hoch und erfreut sich deshalb eines milderen Klimas. Hofsgrund ist die höchst gelegene Pfarrei, liegt an keiner Landstraße und hat nicht einmal einen rechten Weg. Hier oben ist es neuen Monate Winter und während des kurzen Sommers ergibt sich nicht selten die Notwendigkeit einzuheizen. Das Pfarrhaus ist leicht gebaut und hat dünne Wände. Im Winter treibt der Sturm den Schnee durch die kleinsten Ritzen.

 

Pfarrverweser Ambros Oschwald war von 1848 bis Ende 1849 in der Einsamkeit der dunklen Wälder von Herrenwies tätig und konnte sich während der langen einsamen Winternächten seinen Studien widmen. Um Versetzung gebeten, trat er im Januar 1850 bis in den März 1852 seinen Dienst in Hofsgrund an. Alsdann als Pfarrer aus dem Dienst zu scheiden, um in München Medizin zu studieren.