Freitag, 19. April 2024

Was verbirgt sich hinter dem Schwarzwälder Zundergewerbe?

Der Zunder- oder auch Zundelwamm ist ein Pilz, der parasitisch geschwächte Laubbäume und Birken befällt, vor allem Buchen, Eichen, Linden. Er bildet an den Stämmen dicke, invers konsolenförmige Fruchtkörper. Er wurde früher viel im Schwarzwald gesucht und vorgefunden. Als im 19. Jahrhundert die heimischen Wälder nicht mehr ergiebig genug waren, wurde der Pilz aus Ungarn, Siebenbürgen und Kroatien  in Ballen von 4 Zentner bezogen. Seit urdenklichen Zeiten wurde der Zunderschwamm zum Feuermachen benutzt. Später wurde Feuer angezündet mit einem in Öl getränkten Lappen, der in einer Blechbüchse lag. Über die Büchse hielt man einen Feuerstein, aus dem man mit einem Stahl Funken schlug. An Stelle des Öllappens trat der Zunder.

In den Jahren 1811-1814 gab es in Todtnau, der Bürstengemeinde, vier bis sechs Zundelmacher, fabrikmäßig wurde dieser Erwerbszweig aber erst später betrieben. Um 1870 gab es im Schwarzwald noch 3 größere Geschäfte, die noch Zundel herstellten, eines in Freiburg und zwei in Todtnau. Davon waren sie von Franz Josef Faller im Jahre 1827 und Konrad Kirner 1834 gegründet worden. Einer der Todtnauer Betriebe stellte um diese Zeit jährlich 750 Zentner Zunder her. Zundelmacher waren meistens Bürstenmacher oder Bürstenhändler, da dieser mit den Bürsten im Hausierhandel vertrieben wurden. In damaliger Zeit gaben die Geschäfte mit dem Zundelschwamm der Bevölkerung einen angemessenen Verdienst.  1874 gab es noch 70 Personen, die sich mit der Zunderherstellung und Verarbeitung befassten.

Die Bearbeitung des Zunderschwamms war lange Zeit Geschäftsgeheimnis, besonders das Beizen. Der Pilz wurde bis zu seiner Bearbeitung an einem feuchten Ort aufbewahrt, dann ins Wasser gelegt und nach langem Kochen in Laugen geschmeidig gemacht. Da der rohe Zunder eine hellrote Farbe zeigt,  der dunkle mehr gesucht und höher im Preis war, beizte man die Stücke dunkler. Jetzt schnitt der Zundelmacher den Pilz in dünne Platten, wobei er möglichst den Jahresringen folgte, klopfte die Platten mit einem Holzhammer, knetete und dehnte  sie mit der Hand, damit die Lappen recht weich und biegsam machend und trocknete sie dann in der Sonne oder durch Anwendung künstlicher Wärme. Die schwammige, lockere Beschaffenheit des Materials ermöglichte, dass ein gutes Stück sich auf das Zehnfache seiner Fläche vergrößern ließ.

So berichtete die „Badische Gewerbezeitung“ des Jahres 1874, dass aus einem Stück Naturschwamm eine Fläche von mehreren Quadratmeter gewonnen werden konnte, aus dem dann ein Talar für den Erzbischof von Freiburg angefertigt wurde. Die Weichheit und Leichtigkeit der Zunderstücke veranlassten die Herstellung von Täschchen und Mappen, insbesondere aber von Mützen, der samtfarbenen „Zunderhauben“. Unsere Großväter rühmten diesen Zundelkappen nach, dass sie sogar ein ausgezeichnetes Mittel gegen Kopfschmerzen seien. Da der Zunder sich rasch voll Feuchtigkeit saugt, konnte er als blutstillendes Mittel verwendet werden. Aber auch gemahlen als Schnupftabak tauchte Zunder auf.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts kamen die Zünd- oder Schwefelhölzer auf und setzten den Zunder auf die Sterbeliste. Nur noch der Wundschwamm wurde in kleinen Mengen vom Arzt oder Apotheker hergestellt, bis auch da die blutstillende Watte das Produkt vom Markt verschwinden ließ. Auch die nahtlose Zundelmütze verschwand vom Markt. Sie war einst in Stadt und Land als vielgeliebte Zierde begehrt.

Um 1895 gab es in Todtnau keine Zunderfabrik mehr. Die heutige Generation kennt die Erzeugnisse der Zundelmacher nicht einmal mehr  dem Namen nach. Heute erinnert nur noch die zum 100 jährigen Bestehen der Todtnauer Narrenzunft 1960 gegründete „Todtnauer Zundelmacher“.

Zundelkappe