Dr Stemmer 1828-1908
Lauterbach im
Mittleren Schwarzwald mit seinen knapp 3.000 Einwohnern liegt im Tal des
Lauterbachs 540-887 m hoch. Zur Gemeinde gehört allerdings auch das Hochtal
Sulzbach mit 700-900 m. Lauterbach
führte in seiner Abgeschiedenheit und als Anhängsel von Schramberg ein
Aschenputteldasein bis Dr Stemmer kam.
Dr Ludwig
Wilhelm Stemmer (1828-1908) wurde in Pfronstetten auf der schwäbischen Alb
geboren, studierte Theologie, sattelte aber nach einem Jahr unter dem Eindruck
der 48er Revolution auf Medizin um und wurde 1855 praktischer Arzt. Er kam als
Distriktarzt nach Schramberg und wandte sich nach wenigen Jahren von der Allopathie der Homöoparhie zu. Mit
Freunden gründete er den Turnverein in Schramberg und heiratete 1859 die
Schweizer Calvinistin Rosalie Bühler (1839-1871) mit der er 4 Kinder hatte, von
denen 2 im ersten Lebensjahr starben.
Seit 1870 wirkte
Ludwig Stemmer in Stuttgart als Modearzt, hatte großen Zulauf aus den höchsten
gesellschaftlichen Kreisen. Es schien, dass er eine große Karriere vor sich
hätte. Jedoch der frühe Tod zweier Kinder und das unerwartete Hinscheiden
seiner Frau 1871 gaben Dr Stemmer einen anderen Sinn und Aufgabe seines Lebens.
Anfang der 80iger Jahre brachte er sein 1848 abgebrochenes Theologiestudium zu
Ende und ließ sich 1884 zum Priester weihen.
Im gleichen Jahr
siedelte er mit seinen beiden Kindern, die er alleine erzog, nach Lauterbach
über und wohnte in seinem Haus, das er sich in seiner Schramberger Zeit als
Landhaus erbaut hatte. Neben diesem ließ er sich eine Kapelle bauen, in der er
morgens die Glocke um 5 Uhr läutete und betete. Ständig hatte er einen großen
Kreis von Patienten als Hausgemeinschaft um sich, Freunde aus der Theologie
oder Medizin, adelige Vertreter oder Leute mit politischen Rang und Namen.
Dr Stemmer hatte
sich Lauterbach für seine Tätigkeit als Mediziner bewusst ausgewählt, denn er
kannte es von früher. Die klimatische günstige Höhenlage, seine Stoffwechsel
und Kreislauf anregende Waldluft waren die Voraussetzung, denn Grundlage
Stemmers Therapie war das
Naturheilverfahren. Dazu entwickelte er eine begleitende Wassertherapie, die
1889 eingehend bei Sebastian Kneipp in Wörrishofen studiert hatte. Das führte
dazu, dass er 1891 eine eigene Kaltwasser-Anstalt unterhalb des Wohnhauses
errichtete. Neben der äußeren medizinischen Versorgung betrieb er auch eine
psychotherapeutische Behandlung. Als Priester verkörperte er bewusst das geistige
Wesen des Arztes. Seelsorge und Sorge um den Leib: das bedeutet Heil für
Menschen aus dem Glauben durch Tun.
Seine Tätigkeit
kann als Auslöser der Öffnung der Gemeinde für den Fremdenverkehr angesehen
werden. Ein ganzes „Kurviertel“ am östlichen Ortseingang mit mehreren Hotels
entstand in der bis dahin unbedeutenden Gemeinde. Für seine Verdienste wurde
Ludwig Stemmer 1891 zum Ehrenbürger Lauterbachs ernannt.
Die
Schaffenskraft von Dr Stemmer schien unerschöpflich zu sein. Er war nicht nur
Arzt und Mediziner sondern auch nach heutigen Maßstäben Sozialhelfer. Vielen
aus der armen Bevölkerung Lauterbachs hat er ohne jede Honorarforderung
behandelt. Sozial schwache Patienten bekamen neben ihrer Medizin auch
regelmäßige finanzielle Unterstützung. Sobald er von Not oder Sorge in einer
Familie erfuhr, suchte er sie auf, um mit Rat und Tat zu unterstützen.
Lauterbach hat
mit seinem Tode 1908 nicht nur den Arzt und Priester verloren sondern die
Armenwelt hat auch einen väterlichen Freund und Ratgeber verloren.