Freitag, 28. Februar 2025

Was verbirgt sich hinter der Lenzkircher Uhrenfabrik?

Uhrenfabrik Lenzkirch

Das älteste Unternehmen unter den Produktionsstätten des Hochschwarzwaldes war die „Aktiengesellschaft für Uhrenfabrikation in Lenzkirch.“ Der Ursprung dieses Unternehmens lag in der kleinen Firma Schöpperle& Hauser in Lenzkirch. Eduard Hauser 1825-1900 Uhrmacher und konstruktiver Kopf führte mit dem Musikwerkmacher Ignaz Schöpperle 1810-1882 eine kleine Rohwerkfabrik und produzierten mit 14 Arbeitern maschinell hergestellte Uhrenteile und Rohwerke. Aber schnell wurde die Kapitaldecke zu kurz, und Eduard Hauser wandte sich an die Regierung wegen eines zinslosen Darlehens von 10.000 Gulden. Außer anerkennenden Worten und einer kleinen Geldprämie war nichts zu erwarten.

Was lag da näher als sich an die aufstrebende und große Strohhuthandelsgesellschaft „Faller, Tritscheller & Co“zu wenden. 1851 war es soweit, dass die die Firma Schöpperle & Hauser in eine „Aktiengesellschaft für Uhrenfabrikation in Lenzkirch“ umgewandelt wurde. Aktionäre waren Franz Josef Faller, Eduard Hauser, Nikolaus Rog, Ignaz Schöpperle, Paul Tritscheller, Nikolaus Tritscheller und Josef Wiest. Als Direktion wurde Nikolaus und Tritscheller sowie Eduard  Hauser als technischer Leiter bestimmt. 1856 wurde die Direktion um Albert Tritscheller ergänzt, der seine Auslandserfahrung der Uhrenfabrikation einbrachte.

In der Anfangszeit beschäftigte sich das Unternehmen mit dem Finieren von Rohwerken aus Frankreich, die vergoldeten Zink-Pedulen als Imitationen der französischen Bronze-Pedulen kamen in großen Mengen auf den Markt. Eine weitere Spezialität waren die runden und faconnierten Tafeluhren „Oeils de boeuf“ (Ochsenaugen). Ab den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts kamen Saitenzug-Regulatoren hinzu, die zu den Spitzenerzeugnissen der Schwarzwälder Präzisions-Gebrauchsuhren zählte. Zahlreiche Auszeichnungen und Medaillen bestätigten den Erfolgskurs. Die Gesellschaft beschäftigte um die 100 Mitarbeiter wovon ein Drittel zu Hause für das Unternehmen arbeitete. Es führte 1885 eine Krankenkasse für die Mitarbeiter sowie eine Witwen-, Waisen- und Alterskasse ein und räumte die Möglichkeit ein, dass die Beschäftigten ihre Ersparnisse zinsbringend in der Gesellschaft anlegen konnten.

In den folgenden Jahren wurde das Produktionsprogramm ständig erweitert. Um die Jahrhundertwende konnten das Unternehmen mit 160 verschiedenen Werksorten und eine Kollektion von mehreren hundert Gehäusemustern aufwarten. Mehrere Sonderabteilungen ergänzten die Uhrenfertigung: Sägewerk, Walzwerk, Gießerei, Vergolderei, Metallätzerei und eine Werkstatt für den Sondermaschinenbau. Dazu machten 480 Mitarbeiter die Gesellschaft zur größten und leistungsfähigen Herstellerfirma für Massivuhren im badischen Schwarzwald. In dieser Zeit schied auch der technische Leiter Eduard Hauser altershalber aus.

Aber auch ein schwerer Schicksalsschlag traf das Unternehmen. Ein Großbrand vernichtete 1900 das gesamte Uhrenmagazin mit allen Lagervorräten. Einige Jahre zuvor hatte die Eröffnung der Höllentalbahn 1887 für starke Impulse gesorgt. Mit der 1907 eröffneten Bahnstrecke Neustadt-Lenzkirch-Bonndorf war die Uhrenfabrik plötzlich mit der Welt verbunden. Beim Bau der Höllentalbahn hatten die politischen und wirtschaftlichen Einflüsse von Franz Josef Faller und Paul Tritscheller wesentlichen Anteil. Dies so sehr, dass der damalige Landesherr, Großherzog Friedrich I, beide mit dem Ritterkreuz I. Klasse des Ordens vom Zähringer Löwen und Ernennung zu Kommerzienräten auszeichnete. Franz Josef Faller, der die Eröffnungsrede der Höllentalbahn halten sollte, bekam kurz vor seiner Rede einen Herzschlag und starb.

Eduard Hauser und die anderen Mitbegründer konnten sich nicht entschließen, die bisherigen hochwertigen Uhren zugunsten der billigen „Amerikaneruhren“ aufzugeben. Die Söhne von Eduard Hauser sahen dies anders und wechselten 1900 zum Konkurrenzunternehmen HAU Schramberg. Die Weltwirtschaftskrise in den 20iger Jahre verschärfte die Probleme so sehr, dass 1927 die Aktiengesellschaft für Uhrenfabrikation den Betrieb einstellte. Die Schramberger Konkurrenz Gebrüder Junghans übernahm die Lenzkircher Uhrenfabrik bis 1932 als Nebenbetrieb. Seit 1933 war das Werk im Besitz des Dauerwellenherstellers Kadus-Werk Ludwig Kegel KG. Das Unternehmen ging im Wella Konzern auf, der sich 2004 vom Werk in Lenzkirch trennte.  

Faller Franz Josef 1820-1897

Tritscheller Paul 1822-1892