Gegen Ende der Adventszeit spricht die Bäuerin vom Josenhof im hinteren Rieselbach den Bauer wegen eines Weihnachtsbaums an: “Vatter, es wird Zit für e Wiehnachtsbaum”. Der Bauer nickt bedächtig und überlegt, dass es nur noch zwei Tage bis Heilig Abend sind. Langsam steht der kräftige Bauer auf, greift nach seinem Joben, der am Haken des Kachelofens hing. In der Werkstatt suchte er nach einer starken Sichel, prüft die Schärfe, legt diese wieder weg, da ihm eine andere besser geschärft vorkam. Ein paar kräftige Hiebe ins Leere zeigten seine Entschlossenheit.
Langsam steigt
er bedächtig den Hang hinauf, seinem Jungwald entgegen. Unterwegs streift sein
Blick das Feld mit dem gesäten Winterweizen. Der Jungwald oberhalb des Feldes
hat sich prächtig entwickelt, nachdem er diesen vor einigen Jahren angepflanzt
hatte. Die innere Zufriedenheit huschte über sein Gesicht, denn die Bäumchen
waren gerade für Weihnachten wie gemalt.
Der Blick des
Bauern schweifte auch zum Nachbargrundstück, den auch hier hatte sein Nachbar
vor Jahren junge Tannen gesetzt, die nun buschig und groß geworden waren. Warum
sollte er einen Baum aus seinem Bestand schlagen, wo doch der Nachbar so viele
kräftige Bäume stehen hatte. Ob er überhaupt merkt, wenn einer fehlen würde?
Die Entscheidung
war gleich gefallen, eine paar kräftige Schritte zum Nachbar hin, zwei, drei
kräftige Hiebe und ein schöner, gleichmäßig gewachsener Weihnachtsbaum lag zu
seinen Füßen. Ein kurzer prüfender Blick, aber niemand hat wohl was bemerkt.
Mit kräftigen Schritten ging es mit dem Baum unter dem Arm Richtung Hof zurück.
Als er aber aus dem fremden Jungwald trat, bemerkte er, dass sein Nachbar mit
einem prächtigen Bäumchen unter dem Arm aus seinem Jungwald kam. Beide gingen,
ohne sich eines Blickes zu würdigen, zurück zu ihren Höfen.
Am Heilig Abend
war die Familie des Bauern um den geschmückten Weihnachtsbaum mit seiner
bäuerlichen Krippe versammelt. Die Bäuerin lobte den Bauer, “da hesch aber e
schööner Baum g’holt”. Der Bauer nickte abwesend, denn er war mit seinen
Gedanken irgendwo ganz anders.
Nur das
Chrituskind in der Krippe lächelte zifrieden vor sich hin, denn es kannte ja
die ganze Geschichte des Weihnachtsbaums, es hatte beiden Sündern verziehen,
denn zu Schaden war niemand gekommen.
