Freitag, 4. Oktober 2024

Was verbirgt sich hinter Hemingsways Eindrücke im Oberprechtal?

Oberprechtal 1920

Ernest Hemingway war im Jahr 1922 als Korrespondent vom Kanadischen „Toronto Star“ in Paris tätig. Er verließ mit einem Kollegen, Bill Bird, nebst Ehefrauen im August das heiße, stickige Paris, um über Straßburg und Freiburg eine Schwarzwaldwanderung mit Forellenfischen  zu unternehmen. Nachdem man in Triberg schon erste Erfahrungen mit der typischen deutschen Bürokratie wegen des Fischens gemacht hatte, stand eine Wanderung ins Oberprechtal an, wie Hemingway erählt:

„Nach einer siebenstündigen Wanderung von Triberg erreichte die illustre Gesellschaft einen steilen Waldhang.  Ganz in der Nähe lag eine Lichtung mit einer Sägemühle und einem Gasthaus, dem Forellenhof. Die Wanderer waren hungrig, betraten die Wirtsstube und wandten sich mit der Bitte an die Wirtsleute, ihnen zwei Doppelzimmer zu vermieten. Der Wirt lehnte brüsk ab: „Ihr kriegt hier kein Zimmer, nicht heute, nicht morgen niemals, ihr Ausländer“. Die Unfreundlichkeit ging soweit, dass er den Wanderer nicht einmal den Weg zum nächsten Gasthaus nannte oder auch nur die ungefähre Entfernung andeutete. Die Amerikaner bekommen hier den Groll der Einheimischen gegen die Siegermacht des 1. Weltkriegs zu spüren. Ohne den Hunger gestillt zu haben, zog man unverrichteter Dinge wieder ab und ging weiter in Richtung Oberprechtal.

Nach 6 km  heißer staubiger Straße kehrten die Touristen im Gasthaus „Rössle“ im Oberprechtal ein und stärkten sich mit einer ordentlichen Mahlzeit, wie dies im „Toronto Star“ berichte wurde: „Sie wurde vom Wirt selber aufgetragen, der unerschütterlich wie ein Ochse aussah und mitunter mit dem Suppenteller in der Hand stehen blieb und wie abwesend aus dem Fenster starrte. Seine Frau hatte ein Kamelgesicht, genau die unverwechselbare Kopfbewegung und den Ausdruck äußerster Stupidität, die man nur bei Trampeltieren und süddeutschen Bauersfrauen beobachten kann“.

Die Erfahrung mit den Schwarzwälder Gastwirtschaften hält Hemingway ebenfalls fest: „Alle diese Gasthäuser sind weiß getüncht und sehen von außen ordentlich und sauber aus, aber innen sind sie schmutzig, eins wie das andere. Die Bettlaken sind zu kurz, die Federbetten zu klumpig, die Matratzen hellrot, das Bier gut, der Wein schlecht. Beim Mittagessen muss man vorsichtig sein und aufpassen, dass das Stück Brot, das man erwischt, nicht sauer ist. Der Wirt versteht nie, was man sagt, seine Frau bindet sich die Schürze während sie den Kopf schüttelt. Die Deckenplatten sind schwarz vom Rauch. Die Hühner scharren im Vorgarten, und der Misthaufen dampft unter dem Schlafzimmer“.

In den Tagen im Oberprechtal hatten Hemingway und sein Begleiter William Bill Bird sich Angelkarten besorgt, wurden aber von Bauern mit Mistgabeln verjagt, da sie Ausländer waren. Die Nachwehen des verlorenen Krieges mit all ihrem Elend zeigten auch ihre Wirkung. Wurde er erwischt konnten am Schluss im inflationsgeplagten Deutschland bei Bauern und Behörden nur ein paar Dollarnoten weiterhelfen. Nur selten konnte er mit Erlaubnis eines Pächters angeln.

Hemingway beschrieb aber auch, dass er mit seiner Frau gewandert war und am oberen Tal mit einem schönen Forellenbach herauskam. Kein Bauernhof in Sicht, er steckte die Angelrute zusammen, seine Frau hielt talaufwärts und -abwärts Wache, und so konnte er seine Forellen fangen.

Aber heute alles vergessen, denn voller Stolz hängen im Gasthaus „Rössle“ im Oberprechtal die Bilder und Zeitungsartikel vom Kanadischen „Toronto Star“ vom Besuch Hemingways und seiner Begleitung.