Freitag, 6. September 2024

Was verbirgt sich hinter den kleinen Heuhütten in den engen Murgtal-Tälern?

Heuhütten bei Obertsrot Ätzenbach

Nach den gewaltigen Verheerungen des 30-jährigen Krieges war die stark verminderte Bevölkerung im Schwarzwald nicht in der Lage, den Bevölkerungsausfall aus eigener Kraft zu ersetzen. Dies übernahmen die Schweizer und Tiroler Alpen, die von diesem weniger berührt waren. Überbevölkerung und falscher Glauben trieb die Bevölkerung aus ihren Alpentälern. Beispielsweise hat Erzherzog von Steiermark, Kärnten und Krain 1598 auf Anraten der Bischöfe ein Edikt erlassen, das die Untertanen vor die Wahl stellte, innerhalb von zwei Jahren zum Katholizismus zurückzukehren oder ihr Hab und Gut zu verkaufen und untern Abzug von 10 % vom Erlös auszuwandern.

Im Nordschwarzwald lagen ergiebige und unberührte Wälder, die genutzt werden wollten. Dem rauen Klima und mageren Boden waren die Entbehrung gewohnten Alpenländerbewohner noch am ehesten gewachsen gewesen. So kamen sie vor allem als Holzfäller, Flößer, Glasmacher, Pottaschebrenner und als Bergleute. Sie haben bei der Erschließung und Besiedelung entlegener Schwarzwaldtäler ihren Anteil. Das galt auch für das Murgtal, in dem zahlreiche Tiroler Einwanderer festgestellt wurden. Schon bei der Gründung von Freudenstadt 1599 kamen die Neusiedler aus der Steiermark und Kärnten.

Im 18. Jahrhundert veränderte sich mit zunehmender Bevölkerung die Nachfrage nach Holz,  zum einen nach Scheiter- oder Klafterholz als Brennholz zum anderen von Langholz zum Bauen und darunter vor allem die „Holländer“ für den Schiffsbau und Bau von Hafenanlagen. Überall wurden Bäche und Flüsse floßbar gemacht, um die Nachfrage zu befriedigenden. Nicht zu vergessen die zahlreichen Sägewerke, die die Bretter als Oblast auf den Flößen sägten. Ganze Familien lebten nur von der Arbeit mit und vom Holz. Es waren besonders die großen Flößergesellschaften, Dürr in Rastatt, die Calwer Companie und die Murgschifferschaft, die „billige Arbeitskräfte“ in diese unwirtschaftliche, abgelegenen, dem Urwald gleichenden Gegend, heranzogen und sie daselbst sesshaft machten.

Während die Männer der harten Arbeit mit dem Holz nachgingen, sorgten die Frauen, dass wenigstens ein karges Mahl auf den Tisch kam. Auf ihren kleinen Parzellen, die mühsam dem Wald abgerungen wurden, konnte selten Ackerbau betrieben werden. Die Böden waren steil und karg, die Wiesen mager. Die Steinbrocken wurden für Trockenmauern verwendet. Für die Beweidung des Viehs waren die Wiesen zu steil. So wurden sie nur für die Graswirtschaft bearbeitet, um eine oder zwei Ziegen und vielleicht eine Kuh durchzufüttern. Ihre kleinen Behausungen eigneten sich nicht für den Heuvorrat. Deswegen wurden in den engen, steilen Seitentälern kleine Heuhütten aus Holz erbaut. Die Bauweise der Hütten stammt ursprünglich aus Tirol und wurde von Einwandern mitgebracht. Hier lagerte das Heu, bevor es im Winter mit einem Schlitten oder auf dem Rücken in einem hölzernen Tragekorb wieder ins Tal gebracht wurde.

Da die Heuhütten seit den 60er Jahren nicht mehr gebraucht wurden, die Heuhüttentäler nicht mehr bewirtschaftet wurden, sind die Hütten leider dem Verfall preisgegeben. Findige Großstädter kauften Wiesengrundstücke auf und bauten die Hütten zu Freizeitdomizilen aus. Nach langem Streit mit den Behörden verpflichteten sich die neuen Hüttenbesitzer, die Wiesen zu mähen, die Hütten rückzubauen, nur den Innenraum umzugestalten, dass nur ein vorübergehender Aufenthalt möglich war. Auch das Gericht stellte fest, keine Freizeitnutzung für die Heuhütten. Auch durch engagierte Hilfe von Freiwilligen,  Ehrenamtlichen und Bewohnern wurden einige Täler mit Ziegen von Baumbewuchs freigehalten. Die Heuhütten als Kulturgut stehen unter besonderen Schutz. Eine Sanierung wird mit 30% bezuschusst. Und so ist es in verschiedenen Seitentälern des Murgtals möglich, dass die Wanderer sich an dieser Besonderheit noch heute erfreuen können.