Freitag, 13. September 2024

Was verbirgt sich hinter dem Hochschulort Schramberg?

R. Nacken 1884-1948

Sicherlich ist es für jede Stadt ein Wunsch oder eine besondere Auszeichnung, ein Hochschulstandort zu sein. Was sicherlich die wenigsten Leute wissen, war Schramberg in der Zeit von 1943-1948 ein Hochschulstandort: Das Mineralogische Institut der Universität Frankfurt unter Professor Dr Richard Nacken (1884-1971) war kriegsbedingt in den Räumen der H.A.U., Firma Junghans, untergebracht. Professor Nacken beschäftigte sich mit der hydrothermalen Mineralsynthese zur künstlichen Herstellung von Quarzen und Edelsteinen.

Das Oberkommando des Heeres hatte größtes Interesse an der Quarzforschung, denn die bisherigen Quarze kamen aus Südamerika, um die Probleme beim Nachschub zu umgehen, waren die künstliche Quarzforschung so wichtig. Quarz wurde als Frequenzstabilisator in Funkgeräten oder Radios verwendet,  da sie weitgehend hitze- und staubresistent sind. Deswegen übernahm der Reichsforschungsrat die Förderung der nunmehr als geheim eingestuften Arbeiten. Nach einem Jahr waren die ersten Kristalle künstlich gezüchtet. Nun wurden die Grundlagen der industriellen Quarzsynthese gelegt. Mittlerweile  standen das Institut und die Mitarbeiter unter dem Schutz von Rüstungsminister Albert Speer.

Wie es schon manche deutsche Großstadt getroffen hat, luden am 4. Oktober 1943 hunderte alleierte Bomber ihre Fracht über Frankfurt ab und legten ganze Stadteile in Schutt und Asche. Nicht getroffen wurde das Mineralogische Institut der Universität. Für dessen Leiter, Dr Nacken, war aber klar, dass er schleunigst diese Stadt mit seinem Institut verlassen musste.

Schramberg wurde aus verschiedenen Gründen ausgewählt: Das Atomprogramm wurde von Albert Speer in den Südwesten evakuiert, denn die Wissenschaftler wollte alle wegen einer eventuellen Niederlage im Westen sein, um im Osten den Russen nicht in die Hände zu fallen. Junghans war führend in der Rüstungsindustrie, Direktor Junghans war zum Wehrwirtschaftsführer aufgestiegen, das Unternehmen hatte seit 1941 ein umfassendes Stollensystem angelegt.

Die Wissenschaftler waren mittlerweile in der Lage, in vier Wochen ein Kristall von einem Kilogramm Gewicht zu züchten. Die Erfolge sprachen sich in den Fachkreisen herum, denn die Firma Telefunken interessierte sich für den Kauf der Patenten und die mögliche Industrieproduktion, die der konzerneigenen Leuchtstoff-Gesellschaft. Die Leuchtstoffkristalle könnten in der Radartechnik verwendet werden. Andererseits erschwerte der Vormarsch der Alliierten 1945 die Arbeit zusehends: Es fehlten immer wieder Materialien. Bis im April 1945 die französischen Panzer in Schramberg einrollten.

Die Alliierten, vor allem aber die Franzosen, wussten um die Bedeutung der Quarzsynthese und wollten diese für die Radiotechnik nutzen. Dr Nacken sollte das Institut für Hydrothermalsynthese wieder wie vor dem Kriege aufbauen, was auch geschah. Im August 1946  wurde Dr Nacken als Professor an die Universität Tübingen berufen. Gleichzeitig wollte er in Tübingen ebenfalls ein Institut für hydrothermale Mineralsynthese aufbauen. Als die französische Militärverwaltung dies bemerkte, da in Schramberg Geräte für Tübingen reserviert wurden, wurde Dr Nacken als Institutsleiter abgesetzt, durfte die Anlage nicht mehr betreten. Sein Stellvertreter wurde als neuer Leiter eingesetzt. In der weiteren Folge wurde die Forschungsstelle abgewickelt und mit Immanuel Franke als Leiter 1948 nach Paris verlagert.