R. Nacken 1884-1948
Sicherlich ist
es für jede Stadt ein Wunsch oder eine besondere Auszeichnung, ein
Hochschulstandort zu sein. Was sicherlich die wenigsten Leute wissen, war
Schramberg in der Zeit von 1943-1948 ein Hochschulstandort: Das Mineralogische
Institut der Universität Frankfurt unter Professor Dr Richard Nacken (1884-1971)
war kriegsbedingt in den Räumen der H.A.U., Firma Junghans, untergebracht.
Professor Nacken beschäftigte sich mit der hydrothermalen Mineralsynthese zur
künstlichen Herstellung von Quarzen und Edelsteinen.
Das Oberkommando
des Heeres hatte größtes Interesse an der Quarzforschung, denn die bisherigen
Quarze kamen aus Südamerika, um die Probleme beim Nachschub zu umgehen, waren
die künstliche Quarzforschung so wichtig. Quarz wurde als Frequenzstabilisator
in Funkgeräten oder Radios verwendet, da
sie weitgehend hitze- und staubresistent sind. Deswegen übernahm der
Reichsforschungsrat die Förderung der nunmehr als geheim eingestuften Arbeiten.
Nach einem Jahr waren die ersten Kristalle künstlich gezüchtet. Nun wurden die
Grundlagen der industriellen Quarzsynthese gelegt. Mittlerweile standen das Institut und die Mitarbeiter
unter dem Schutz von Rüstungsminister Albert Speer.
Wie es schon
manche deutsche Großstadt getroffen hat, luden am 4. Oktober 1943 hunderte
alleierte Bomber ihre Fracht über Frankfurt ab und legten ganze Stadteile in
Schutt und Asche. Nicht getroffen wurde das Mineralogische Institut der
Universität. Für dessen Leiter, Dr Nacken, war aber klar, dass er schleunigst
diese Stadt mit seinem Institut verlassen musste.
Schramberg wurde
aus verschiedenen Gründen ausgewählt: Das Atomprogramm wurde von Albert Speer
in den Südwesten evakuiert, denn die Wissenschaftler wollte alle wegen einer
eventuellen Niederlage im Westen sein, um im Osten den Russen nicht in die
Hände zu fallen. Junghans war führend in der Rüstungsindustrie, Direktor
Junghans war zum Wehrwirtschaftsführer aufgestiegen, das Unternehmen hatte seit
1941 ein umfassendes Stollensystem angelegt.
Die
Wissenschaftler waren mittlerweile in der Lage, in vier Wochen ein Kristall von
einem Kilogramm Gewicht zu züchten. Die Erfolge sprachen sich in den
Fachkreisen herum, denn die Firma Telefunken interessierte sich für den Kauf
der Patenten und die mögliche Industrieproduktion, die der konzerneigenen
Leuchtstoff-Gesellschaft. Die Leuchtstoffkristalle könnten in der Radartechnik
verwendet werden. Andererseits erschwerte der Vormarsch der Alliierten 1945 die
Arbeit zusehends: Es fehlten immer wieder Materialien. Bis im April 1945 die
französischen Panzer in Schramberg einrollten.
Die Alliierten,
vor allem aber die Franzosen, wussten um die Bedeutung der Quarzsynthese und
wollten diese für die Radiotechnik nutzen. Dr Nacken sollte das Institut für Hydrothermalsynthese
wieder wie vor dem Kriege aufbauen, was auch geschah. Im August 1946 wurde Dr Nacken als Professor an die
Universität Tübingen berufen. Gleichzeitig wollte er in Tübingen ebenfalls ein
Institut für hydrothermale Mineralsynthese aufbauen. Als die französische
Militärverwaltung dies bemerkte, da in Schramberg Geräte für Tübingen
reserviert wurden, wurde Dr Nacken als Institutsleiter abgesetzt, durfte die Anlage
nicht mehr betreten. Sein Stellvertreter wurde als neuer Leiter eingesetzt. In
der weiteren Folge wurde die Forschungsstelle abgewickelt und mit Immanuel
Franke als Leiter 1948 nach Paris verlagert.