Freitag, 16. August 2024

Was verbirgt sich hinter den Kolonisten im Nordschwarzwald?

 

Ortstafel von Herrenwies bis 1967

Im 18. Jahrhundert veränderte sich mit zunehmender Bevölkerung die Nachfrage nach Holz – Brenn- und Bauholz insbesondere aber die „Holländerstämme“ für den Schiffsbau und Hafenanlagen waren gefragt. Überall wurden Bäche und Flüsse floßbar gemacht, um die Nachfrage zu befriedigen. Aber auch große Mengen Holz zur Glasherstellung wurden benötigt, denn 1735 wurde die Glashütte Herrenwies gegründet. Im Nordschwarzwald lagen riesige und unberührte Wälder zwischen dem oberen Nagold-, Enz- und Murgtal bis hin zur heutigen B 500, die es zu nutzen galt. Die jeweiligen Landesherren wollten Kasse machen, denn sie brauchten Geld für ihre Prachtbauten. Es waren besonders die großen Flößergesellschaften, Dürr in Rastatt 1745, die Calwer Companie, die Murgschifferschaft dazu ihre zahlreichen Sägewerke, die „billige Arbeitskräfte“ in diese unwirtschaftliche, abgelegenen, dem Urwald gleichenden Gegend heranzogen und sie daselbst sesshaft machten. Denn es wurden Holzfäller, Fuhrleute, Flößer, Pottaschebrenner und Säger benötigt. Ganze Familien lebten mit und vom Holz. Sie kamen aus den Alpenländern oder vom Schwarzwaldrand.

Es entstanden die Siedlungen oder Kolonien: In Württemberg wurden die Ankömmlinge, die evangelisch sein mussten, in bestehende Siedlungen aufgenommen oder neue gegründet. Grund und Boden wurde praktisch zur Pacht überlassen. So wurde im oberen Nagoldtal im bestehenden Erzgrube um 1700 Flößer und Holzfäller angesiedelt. 1723 wurde Herzogenweiler und 1725 Kälberbronn gegründet. Im oberen Enztal wurde Poppeltal, Gompelscheuer, Nonnenmiß, Sprollenhaus gegründet. Daneben gab es unzählige Wohnplätze wie Petersmühle, Rohnbach, Rollwasser und Grünhütte in den abgelegenen Wäldern.

In Baden wurden die Kolonisten angesiedelt, mit der Vorstellung diese nach Beendigung der Arbeit wieder los zu werden. Es entstanden 1720 in Reichental, einem Ortsteil von Gernsbach, auf dem badischen Teil von Kaltenbronn die Wohnplätze Dürreychbach, Brotenau und Rombach. Im Gebiet zwischen Murg und B 500 entstanden ab 1720  Raumünzach, Kirschbaumwasen, Fronbronn, Trabronn, Ebersbronn, Schindelbronn und Schwarzenbach. Es waren Forstkolonien, die im tiefen Wald entstanden, wo es am nützlichsten und bequemsten war. Es wurden Blockhütten mit 15 bis 16 Wohnungen für die Arbeitskräfte gebaut. Sie mussten katholischer Religion sein und erhielten je zwei Morgen Wiesen und Ackerfeld, die vom Wald gerodet werden mussten. Grund und Boden gehörte dem Staat, die Hütte dem Bewohner. Dies zeigt schon, dass die Rechtsverhältnisse sehr zweifelhaft waren. Die Arbeitskräfte wurden geduldet und unterstützt, solange man sie brauchte.

Nach dem ersten Fehler, die Arbeitskräfte nicht zu integrieren, wurden Sie dem Forstamt in allen Belangen unterstellt. Auch für Heiraten war das Forstamt zuständig und wurde angewiesen, sehr restriktiv damit umzugehen. Folge waren überdurchschnittlich viele uneheliche Kinder. Erst 1817 wurden die Kolonisten eine Art Staatsbürger, denn sie mussten nun Steuern bezahlen. Das Forstamt war auch weiterhin zuständig für die Ausstellung des Trauscheins. Die Teilung der Güter war verboten. Das Gut konnte nur einem Kind vererbt werden, der Vererber musste 60 Jahre alt sein. Man wollte mit allen Mitteln eine Ausdehnung der Forstkolonien verhindern. Folge war wilden Ehen, Sittenlosigkeit, Liederlichkeit und vermehrt uneheliche Kinder. Wenn möglich kaufte die Forstverwaltung Gütchen auf und ließ die Hütten niederreißen und verschärfte damit die Wohnungsnot. Nach den 1830er Jahren war die Armut und das Elend in den Forstkolonien so groß, dass der badische Staat alles unternahm wie Schuldenerlass  und Bezahlung der Überfahrt, nur um die Bewohner der Forstkolonien loszuwerden.  Erst 1870 wurden die Heiratsbeschränkungen in den Forstkolonien abgeschafft. 1896 bildeten die Forstkolonien eine abgerundete Gemarkung und 1930 wurde diese nach Forbach eingemeindet.

Man staune: 1968 erst verzichtete Baden-Württemberg bei den Kolonisten auf die Kolonistenvergütung (Pacht). Damit wurden sie freie, gleichgestellte Bürger auf freien Gütern, denn die Bodenzinsgüter wurden abgeschafft. Zumeist wurden aus ganz abgelegenen Wohnplätzen Forsthäuser.