Freitag, 23. Dezember 2022

Was verbirgt sich hinter der ehemaligen Klostersiedlung Nordrach-Kolonie?

Nordrach St Nepomuk

Der Weg von Offenburg ins Kinzigtal führt uns in Biberach links ab nach Zell a. H., wo sich ein langgestrecktes, kurvenreiches Tal öffnet, das in Nordrach-Kolonie eine steil ansteigende Straße endet und ins Renchtal führt.

 

Die Anfänge des kirchlichen, politischen und wirtschaftlichen Lebens in Nordrach-Kolonie gehen auf die Abtei Gegenbach zurück. Das 761 gegründete Benediktinerkloster erhielt 1231 von König Heinrich VII den Auftrag zur Rodung und Besiedlung der ausgedehnten Klosterwaldungen. So wurden Höhenhöfe angelegt, um das einsame Gebiet „der Moos“ zu besiedeln. Die Klosterhöfe mit dem Mühlstein (Schottenhöfe) und die Hohenhöfe in Lindlach und Bräunlinsberg waren bis 1803 der Aufhebung des Klosters an dieses tributpflichtig. Der Rest des Tales gehörte zur freien Reichsstadt Zell, wurde 1803 zusammen mit der Auflösung des Klosters Gengenbach dem Großherzogtum Baden zugeschlagen und 1929 zu einer Gemeinde Nordrach vereint.

 

Der Boden in Nordrach-Kolonie war karg, die Erträge schlecht, so dass sich die Höhenhöfe nicht erfolgreich für das Kloster entwickeln konnten. Dafür gab es Holz zur Genüge, das nur mühsam abtransportiert werden konnte. 1695 gründete der Gegenbacher Abt, Placius Thalmann, im Quellgebiet des Dörrenbaches eine Glashütte. Die Glasbläser verpflichteten sich durch die „Handtreu“, einem Treuegelöbnis, gegenüber dem Kloster, Holzknechte, Schürer, Holzhackern, Fuhrleute und Glasträger waren so wie alle Bewohner der Kolonie Leibeigene des Klosters. Der jeweilige Jahreszins wurde durch Glaswaren bezahlt nicht durch Bargeld. Produziert wurden Spiegelscheiben, Schoppengläser, Becher, Sauerwasserflaschen Zuckerbüchsen usw.

 

Nachdem der erste Glasbläser nur Schulden für das Kloster produzierte, wurde nach wenigen Jahren Joachim Sigwarth aus Solothurn vereidigt aus einer Glaserfamilie, deren Name im Schwarzwald immer wieder bei Glasbläsern auftauchte. Der Erfolg der Glashütte zeichnete sich auch ab. Zur Ausbildung in der Glaskunst reiste er nach Italien. Seine Frau gelobte, wenn er gesund zurückkehre, wolle sie eine Kapelle stiften. Bei seiner Rückkehr nach einem Jahr entstand das Glaserkirchlein zum heiligen Nepomuk, das mit der Glashütte in die Kolonie verlegt wurde.

 

Schwierigkeiten bereitete immer wieder der Transport von Lebensmittel, Rohstoffen wie Quarzsand, die aus dem Gebiet Baden-Baden bezogen wurde und der Abtransport der Fertigware über den Berg zum Kloster. Da vermutlich vom Kloster auch Ackerland gewonnen werden wollte, wurde die Hütte immer wieder verlegt: 1748 vom Mitteleck zur Höflematt, zum Schäfersfeld, und 1776 talabwärts in die Kolonie. Das Kloster musste immer wieder die Glashütte unterstützen, die Glasbläser unterboten sich gegenseitig, so dass die Rentabilität litt.

 

1750 wurde nachbarschaftlich zur Glashütte vom Abt Benedikt Rischer eine Kobalt- oder Blaufarbenfabrik  mit Mittel privater Geldgeber und Kobalterzen aus Böhmen gegründet. Die blaue Farbe wurde zum Teil in der Glashütte verarbeitet und als Farbe in den Handel gebracht. Nach anfänglichem Erfolg war auch hier ein stetiges Auf und Ab wie bei der Glashütte zu verzeichnen, vor allem als der Konvent des Klosters sich weigerte, für Verluste gerade zu stehen.

 

Die Napoleonischen Kriege führten immer wieder zu Stockungen, und die Aufhebung des Klosters 1803 ergab mit einem Großbrand 1808 den völligen Niedergang. Bis 1848 wurde verschiedentlich versucht, die Glasbläserei mit wechselndem Erfolg wieder aufzunehmen.


Eine Firma Samuel Dukas aus Freiburg versuchte es mit einer Bürstenfabrik in den Räumlichkeiten. Aber auch hier kehrte nur kurze Erfolg ein, denn auch dieses Werk rentierte sich nicht. Denn das einsame Nordrachtal war nicht geschaffen, Industriestätte zu werden.

 

1889 kaufte der Arzt Dr Otto Walter das ganze Anwesen und gründete im stillen einsamen Tal eine Lungenheilanstalt, die dann an die Badische Landesversicherungsanstalt in Karlsruhe verkauft wurde. Mit der Zeit entstanden im Luftkurort weitere Kuranstalten für Lungenkranke und wurde als badisches Davos bezeichnet. Heute gibt es noch zwei Rehabilitationskliniken.