Freitag, 29. Juli 2022

Was verbirgt sich hinter 150 Jahre Blessing aus Unterkirnach?

Martin Blessing 1774-1847

In der Zeit zwischen 1770-1820 wurden Flötenuhren auf dem Schwarzwald gebaut. Neben dem Uhrwerk waren das Gebläse, die Pfeifen und die Stiftswalze als Steuerung der Pfeifen notwendig. Die Weiterentwicklung waren die Musikwerke ohne Uhrwerk, später Orchestrion genannt.

 

Martin Blessing (1774-1847) war der Sohn eines armen Zimmermanns aus Unterkirnach. Nach der Schule schickte ihn der Vater zur landwirtschaftlichen Lehre auf den Sattelhof nach Gütenbach. Das war nicht die Welt des aufgeweckten Martin, auch nicht der Aufenthalt bei einem Spieluhrmacher. Mit 17 Jahren ging er mit der Uhrenhändlerkompanie nach Moskau. Dort machte er eine Lehre bei einem Schwarzwälder Spieluhrenmacher und nahm Flötenunterricht. 1806 kam er vermögend nach Furtwangen zurück, ging aber 1808/09 wieder nach Moskau zurück, wo sich auch sein Bruder Carl (1769-1820), ebenfalls ein Spieluhrenmacher, aufhielt. Beide verfertigten dort Drehorgeln und reparierten beim Adel selbstspielende Musikwerke. 1814 ging die Reise der beiden Blessings wieder nach Furtwangen zurück und zwar mit Hilfe napoleonischen Truppen auf dem Rückzug.

 

Nach dem frühen Tode seines Bruders übernahm der kinderlose Martin 1820 die drei Söhne Jacob (1799-1879), Johann (1803-1872) und Konstantin (1808-1872) seines Bruders und bildete sie gründlich zu Spieluhrenmacher in seiner Werkstatt in Furtwangen aus. 1831 vollendete er nach zwei Jahren sein erstes großes Orchestrion, das er selbst nach England brachte und dort für damals unvorstellbare 15.000 Gulden verkaufte. Aber nicht nur Orchestrien baute er sondern auch Kirchenorgeln.

 

Die beiden Brüder Jacob und Johann zogen 1823/24 wieder nach Unterkirnach zurück und bauten zahlreiche Flöten- und Spieluhren. 1840 verkauften sie ihr erstes Orchestrion. Ihr Können und Fähigkeiten sprachen sich schnell herum, so dass aus nah und fern, sowie aus England und Russland zahlreiche Besucher unter anderem auch mehrfach der Fürst von Fürstenberg nach Unterkirnach kamen, um die neuesten Orchestrien zu bestaunen.

 

Zahlreiche Schüler gingen durch die Werkstatt der Blessingbrüder. Darunter auch Martin Welte, der große Orchestrionbauer und sein Sohn Hubert Blessing (1823-1866). Dieser verkaufte bald seine Orchestrien nach England und Frankreich wie sein Pass 1853 zeigte. Seine Musikwerke spielten aber auch in Spanien, Rußland und sogar Ostindien. Sein Erfolg gab ihm Recht, da er sich um neue Räume in Villingen umsehen musste, denn 1865 beschäftigte er 17 Mitarbeiter. Leider starb er schon viel zu früh 1866.

 

Die Rettung kam mit Eduard Blessing (1844-1896), der Sohn von seinem Onkel Konstantin, der letzte der drei Blessingbrüder. Er heiratete eine Tochter seines Onkels Jacob und baute ab 1871 den größten Unterkirnacher Musikwerkbetrieb auf. 1882 zog er nach Rottweil, übernahm sich dort aber finanziell und war weiterhin als Musikwerkmacher tätig.

 

Der zweite Sohn Johann Blessing aus dem Dreigespann der Blessingbrüder hatte wenig Glück mit seinen Kindern. Sie starben leider viel zu früh. Ein Verwandter Wolfgang Blessing (1842-1926) heiratete eine Tochter von Johann Blessing und führte ab 1872 den florierenden Orchestrionbetrieb von seinem Onkel weiter. Er war auf vielen Ausstellungen vertreten und holte sich so viele Auszeichnungen. Seine Söhne Karl (1873-1950) und Ernst (1876-1961) waren ebenfalls als Orchestrionbauer tätig. Nach dem Tode des Vaters 1926 trennten sie sich. 1948 wurde Ernst Blessing nochmals vom Ehrgeiz gepackt und entwickelte „Roboterkapellen“ mit lebensgroßen Figuren, von denen eines im Heimatmuseum Triberg steht. 1950 lieferte eine solche“ Roboterband“ nach Los Angeles.

Orchestrion E Blessing 1936 Triberg Museum