Freitag, 13. Mai 2022

Was verbirgt sich hinter der Schwarzwälder Strohflechterei?


Im 18. Jahrhundert war der Hunger auf dem Hohen Schwarzwald ständiger Begleiter in vielen Familien. Der hungrigen Mäuler waren zu viel, die Ernteerträge zu karg. Die Strohflechterei konnte und sollte eine Möglichkeit sein, zusätzliche Verdienstmöglichkeit zu schaffen. Denn ab 1716 konnte man auf den Votivbildern der Wallfahrtskirche sehen, dass die Filzhüte bei der Tracht schon hin und wieder durch Strohhüte ersetzt wurden.

 

1759 führte  Fürst Joseph Wilhelm Ernst zu Fürstenberg für sein Gebiet das Strohflechten als Pflichtarbeit ein, um den Armen einen Verdienst zu geben und dem Müßiggang zu entreißen. Allerdings musste der Fürst seinen Obervogt, Joseph Lamberger, in Neustadt mehrmals ermahnen, sich persönlich auf den Höfen zu überzeugen, wer alles mit dem Strohflechten sich beschäftigt. Dagegen wehrten sich die Bauern hartnäckig, der Fürst ließ Rügen und Strafen regnen, um seinen Willen durchzusetzen.

 

Gleichzeitig versuchte sich der Obervogt Huber von Triberg, der der Vorderösterreichischen Regierung von Freiburg understand. Mit seiner Frau ging er auf die Dörfern, die Bauern zu überzeugen, dass es sich lohnt, das Korn vor der Reife zu schneiden, um feineres Stroh zum Flechten zu erhalten. Ebenfalls unterrichtete er in der feinen italienischen Art des Flechtens und kaufte die Strohgeflechte anfangs selber auf, um den Umsatz zu garantieren.

 

Aber nicht das Machtwort des Fürsten oder das Werben des Obervogts Huber brachten den Aufschwung. Es war der glückliche Einfall der Glasträger-Kompanie Strohhüte in ihren Vertrieb aufzunehmen. Später übernahm die Strohhuthandlungs-Gesellschaft Faller Tritscheller & Cie in Lenzkirch zuerst den Import von Strohhüten aus Italien, später die Beschaffung des italienischen Strohs und dann den Vertrieb der  Flechtprodukte. (Was verbirgt sich hinter Franz Josef Faller?)

 

Wichtig zur Wissensvermittlung war die die Gründung von Strohflechterschulen 1850 in Zusammenarbeit mit der Uhrmacherschule in Furtwangen, die 77 Jahre Bestand hatte. Erste und wichtigste Geflechtlehrerin der Strohflechtschule war Cölestine Eisele. Die segensreiche Arbeit ermöglichte nach und nach in den Amtsbezirken Triberg, Neustadt  aber auch im Amtsgebiet von St Blasien bis in das Wiesental hinunter die Ausbreitung der Strohflechterei als Feingeflechte.

 

Alleine im Amt Triberg waren 1809 1500 Personen im Grobflechten und 250 im Feinflechten beschäftigt. Vertrieben wurden anfänglich die Produkte: Taschen, Hüte, Matten und Schuhe über die Glasträger in der näheren Umgebung, später verkauften Strohhändler die Produkte in ganz Europa.1860 gründete der Arzt Joseph Dufner in Furtwangen die erste Strohhutfabrik. Bedeutende Unternehmen waren noch Joseph Kaiser in Furtwangen und Salomon Fehrenbach in Schönenbach.

 

Durch die Kolonialpolitik und die internationalen Handelsbeziehungen entstand eine harte Konkurrenz für die Schwarzwälder Strohflechter. Um die Jahrhundertwende kamen aus dem fernen Osten aus Japan und China Binsen-, Bast- und Reisstrohprodukte nach Europa, die aus sehr feinem Material geflochten waren. Diese Importe verdrängten die Produkte aus dem Schwarzwälder Roggenstroh. Der Niedergang des Gewerbes beschleunigte sich durch Zollschranken. Jeder Versuch der Regierung die Strohflechterei zu stützen war vergebens. 1905 übten in Furtwangen noch 24 Flechterinnen ihren Beruf aus. Heute gehört die Kunst des Strohflechtens der Vergangenheit an.  Geblieben ist als Hausgewerbe die Herstellung von Strohschuhen.

Strohuhr Museum Triberg

Colestine Eisele-Kirner