Samstag, 2. Oktober 2021

Was verbirgt sich hinter den Problemen der Kinzigtalbahn?

 

Schiltach Bahnhof 1900

Das Zeitalter des Eisenbahnbaus hatte stürmisch begonnen. 1855 war die Rheintaleisenbahn bis Basel fertiggestellt. 1866 war das erste Teilstück der Schwarzwaldbahn Offenburg nach Hausach eingeweiht worden. Auf der württembergischen Seite wurde gleichzeitig der Bau der Gäubahn von Stuttgart Richtung Süden vorangetrieben. Der Ruf aus dem Kinzigtal, den Bau der Eisenbahn zur Unterstützung der einheimischen Industrie, wurde immer lauter. Da das Großherzogtum Baden und das Königreich Württemberg zwar beteiligt waren, die Trassenführung durch das Kinzigtal vorgegeben war, glaubte man, dass die Schwierigkeiten nicht allzu groß sein dürften. Doch weit gefehlt!

 

Im Staatsvertrag von 1873 verpflichteten sich beide Staaten, eine Eisenbahn von Schiltach nach Freudenstadt zu bauen und dieses Stück von der badischen Seite von Hausach her und von Stuttgart her von der württembergischen Seite anzuschließen. Als gemeinsame Wechselstation der Züge sollte Schiltach sein, d.h. die badischen und württembergischen  Züge sollten hier enden. Außerdem wies Robert Gerwig nach, dass eine badische Strecke von Hausach bis Schiltach mit 14 km Länge überhaupt nicht lebensfähig sein kann und empfahl die württembergische Bahnverwaltung, mit der Betreuung der badischen Strecke d.h. Schiltach bis Hausach zu betreuen. Trotz großer Bedenken aus staatsrechtlichen Gründen stimmte die badische Seite zu, und 1876 lagen die Genehmigungen beider Regierungen vor.

 

Aber der Teufel lag wohl im Detail. Denn der Streit entzündete sich daran, wo sollte der Wechselbahnhof liegen? Oberhalb von Schiltach hätte die badischen Kosten stärker steigen lassen und südlich umgekehrt.1877 griff wiederum Gerwig ein und machte den Vorschlag, den Wechselbahnhof nach Hausach zu verlegen, um die Lage des Bahnhofes zu entschärfen. Aber nun rückte die württembergische Seite mit einem neuen Problem heraus, dass nämlich der Bau der Eisenbahnverbindung nach Schramberg noch anhängig sei. Deswegen sei die Lage des Bahnhofes oberhalb von Schiltach zwingend. Aber auch hier konnte Gerwig nachweisen, dass die meisten Güter von oder nach Schramberg wie Kohle, Erde für die Porzellanfabrikation oder Holz vorwiegend die Strecke Richtung Hausach nehmen würden, damit die untere Lage optimaler wäre und nicht Richtung Freudenstadt und damit nicht oberhalb.

 

Alleine dieser Streit darüber verzögerte den Bau um 5 weitere Jahre, bis die württembergische Seite ihre „Niederlage“ verdaut hatte, denn die badische Seite hatte noch eine Bahnstation in Schenkenzell durchsetzen können, die gar nicht vorgesehen war.

 

Zwar wurde das Stück Hausach nach Wolfach schon 1878 fertiggestellt. Aber der weitere Abschnitt lag wegen besagter Meinungsverschiedenheiten „auf Eis“. Aber auch die Natur hat sich gegen den Bau der Eisenbahn wohl gestellt. Ein Eisgang 80/81 und ein furchtbares Hochwasser 82/83 bei Schiltach machten die Projektierungen zu Nichte. Der Bahnhof in Schiltach konnte nur dadurch entstehen, dass die Kinzig verlegt wurde und am Berg das Bahnhofgelände entstehen konnte ,vor allem mit genügend Platz für einen Umschlagplatz der Güter der Schramberger Bahnlinie. 1886 konnte die Streck feierlich eingeweiht werden.

 

Eigentlich war die Kinzigtalbahnstrecke in ein größeres System eingeplant: Ein Durchgangsverkehr der Elztalbahn –Freiburg – Elzach – Hausach mit Verbindung der Kinzigtalbahn – Freudenstadt – Stuttgart war das Ausbauziel. Finanzielle Mittel wären vorhanden gewesen, wurden aber anderseits, zweitrangig verbaut, weil die badische Verwaltung eine Abwanderung des Verkehrs von der Strecke Basel – Freiburg – Karlsruhe – Stuttgart befürchtete.