Freitag, 28. Mai 2021

Was verbirgt sich hinter der Glashütte Gaggenau?

 

Glashütte frühes 19. Jahrhundert

Im Nordschwarzwald wurde im Gegensatz zum Südschwarzwald mit seinen vielen Glashütten die Wälder durch die Floßmöglichkeiten anders genutzt. So war der Ruf des Markgrafen Ludwig Wilhelm (Türkenlouis) nach sanktblasianer Glasmachergruppen 1696 wohl dem Wunsche entstanden, eine eigene Glasherstellung zu bekommen.

 

So schloss der Markgraf tatsächlich 1698 mit den Glasmachern aus dem Gebiet St Blasiens zur Nutzung der Wälder auf dem Mittelberg zwischen Murg und Alb bei Moosbronn einen Vertrag über 30 Jahre Glasherstellung. Die genossenschaftlich organisierte Meisterglasbläserei bestand 1717 aus zwölf Betriebs- und Wohnhäusern. Die zehn Glasbläsermeister hatte jeder seine eigene Öffnung am Schmelzofen und arbeitete gemeinschaftlich. Nur der Verkauf der Ware ging auf eigene Rechnung.

 

1758 waren die Wälder so erschöpft und ruiniert, „dass es ein Gott erbarmen möchte“. Eine Verlegung der Glashütte wie im Südschwarzwald war wegen der Murgschifferschaft nicht möglich, so dass die Glashütte aufgegeben werden musste.

 

Anton Rindenschwender, der es vom Knecht und Holzhauer durch seine Tüchtigkeit zum Oberschultheiß von Gaggenau brachte, trat 1760 als Pächter der Glashütte auf. Er bot dem Markgrafen an, die Glashütte vom Mittelberg nach Gaggenau zu holen und neu aufzubauen, wenn er die Restbestände an Buchenholz noch verglasen dürfte. Und 1772 erhielt er die markgräfliche Genehmigung die Glashütte nach Gaggenau zu holen.

 

An der Murg in Gaggenau baute er die Glashütte, da das Brennholz leichter anzuflößen war. Die Anlage bestand aus der Glashütte mit 2 Glasöfen, Kühlöfen, Pottaschesiederei,  Sägemühle, Glasschleiferei, Ökonomiegebäuden sowie einem Wirtshaus. Den Quarzsand bezog er aus eigenen Gruben aus Waldprechtsweier am Schwarzwaldrand.  1790 waren schon 60 Arbeiter angestellt. Betrieben wurde die Glashütte als Unternehmerglashütte: alle Mitarbeiter waren angestellt, die Hütte wurde von Rindenschwender organisiert, Einkauf bis zum Verkauf lag in seinen Händen. Dabei standen ihm nur ein Faktor, Platzmeister und Hüttenschreiber für die Buchhaltung zur Verfügung.

 

Produziert wurden Becher, Gläser, Guttern, Fensterglas, Pillengläser und Schnapsbuddeln – weißes und farbiges Glas. Hauptabnehmer war die „Pfälzer Handelsgesellschaft Kirner und Company“ in Lenzkirch. Mit dem Tode von Rindenschwender 1803 wohnten 140 Arbeiter mit ihren Familien in seiner Wohnsiedlung.

 

Mit seinem Tode hinterließ Rindenschwender 30 Kinder. Zahlreiche Erbstreitereien lähmten den Betrieb. Schon in der zweiten Nachfolgegeneration ging das Werk in verschieden weibliche Familiennachkommen über. Die finanziellen Belastungen drückten schwer, denn Pottasche wurde durch Soda ersetzt, Holzfeuerung musste durch Kohle ersetzt werden. Die Konkurrenz in günstiger strukturierten Gebieten drückten schwer. 1869 musste Konkurs angemeldet werden. Ein Jahr später ersteigerte einer der Hauptabnehmer und –gläubiger, die „Kirner und Companie“ die alte Glasträgercompamie die gesamte Fabrikanlage.

 

Die Eröffnung der Murgtalbahn 1869 brachte eine gewisse Erleichterung, die Ware musste aber immer noch mit dem Zweispänner abtransportiert werden. Erst 1880 bekam das Werk einen Gleisanschluss. Ein Eisgang der Murg hinterließ verheerende Schäden. Die Schmelz- und Kühlöfen mussten auf die neuen Technologien von Siemens umgestellt werden.

 

Gutes Geld der ehemaligen Glasträgercompanie stützte aus treuer Anhänglichkeit das marode Unternehmen. 1910 bot sich die Gelegenheit den gesamten Komplex an die aufstrebende Eisenwerke AG zu verkaufen.