Freitag, 14. Mai 2021

Was verbirgt sich hinter der Kanarienvogelzucht in Furtwangen?

 


Kanarienvögel stammen ursprünglich vom Kanarengirlitz ab. Doch sie wurden im Laufe der letzten etwa 500 Jahren „domestiziert“. Sie gehören zur Familie der Finken und sind damit Singvögel. Kanarengirlitze sind auf den kanarischen Inseln, Madeira und den Azoren zu Hause. In Spanien ab 1496 erfreuten sich die munteren Tiere Dank ihres Gesanges rasch großer Beliebtheit.  Grund genug für spanische Mönche mit den Tieren eine Zucht zu beginnen. Um ihr Monopol zu bewahren, wurden nur männliche Tiere verkauft, doch schon 1550 gelang es den Italienern, Weibchen in ihren Besitz zu bekommen und eine eigene Zucht zu beginnen. Es wurden sogar Nachtigallen als Vorsänger für die jungen Kanarienhähne eingesetzt. Auch in Tirol wurden schon ab etwa 1600 Kanarienvögel gezüchtet. 1740 wanderten viele Tiroler Bergleute aufgrund höherer Löhne in den Harz aus. In St Andreasberg begann im 19. Jahrhundert auf Grund der Einwanderung der Tiroler Bergleute die Kanarienvogelzucht. Daraus entstand der heute noch bekannte  gelbe „Harzer Roller“.

 

Diese Zucht war für die Bergleute ein wichtiger Zusatzverdienst. Doch die Vögel wurden auch noch zu einem ganz anderen Zweck gehalten, denn sie wurden auch mit an die Arbeitsplätze „unter Tag“ genommen. Kanarienvögel reagieren ganz besonders rasch auf erhöhte Kohlenmonoxid-Werte in der Luft. Damit haben vermutlich sie mit ihrem Leben das Leben von Bergleuten gerettet. Kanarienvogelhennen singen nicht, deswegen nahmen die Bergleute jeweils die nicht zur Zucht benötigten Hennen mit. Die Zuchthähne waren zu wertvoll.

 

Im Jahre 1887 regte das Badische Ministerium des Inneren als Nebenverdienstmöglichkeit die Zucht von Kanarienvögeln an. Zu diesem Zweck erhielten 10 ausgewählte Personen in Triberg, Furtwangen, Neukirch und Gütenbach je eine Kanarienvogelfamilie zu einem ermäßigten Kaufpreis. Diese bestand jeweils aus einem Hahn und drei Hennen. Eine Anleitung zur Behandlung der Vögel gab es gratis dazu.

 

In Triberg wurden von zwei Züchtern jährlich etwa 8 – 10 Hähne gezüchtet. Diese konnten zu einem Preis 5 – 10 Mark abgesetzt werden. In Furtwangen betrieben 6 Personen die Zucht und konnten jährlich 6 – 12 Hähne züchten, die in Stadt und Umland bei den sparsamen Schwarzwälder nur einen Preis von 5 – 6 Mark erzielten. Die Züchter waren bei diesem Preisgefälle froh, wenn sie ihre Auslagen ersetzt bekommen haben.

 

Als Erfolg konnte man die ersten Bemühungen nicht bezeichnen. Grund war wohl der Preisdruck und die Erfahrung der Züchter im Harz. Denn sie züchteten nicht nur sondern bauten und boten die entsprechenden Käfigen mit an. Insgesamt waren in St Andreasberg 350 Familien mit der Zucht der gelben Sänger beschäftigt. Hunderttausende von Kanarienhähnen wurden von hier bis nach Südafrika, Südamerika, Australien und vor allem in die USA exportiert. Der Erste Weltkrieg bedeutete das Aus für das einst blühende Geschäft.

 

So endete ein zaghafter Versuch zusätzliche Verdienstmöglichkeiten der Bevölkerung auf dem Hohen Schwarzwald zu erschließen. Allerdings fehlte wohl der Mut des Ministeriums ein Konzept auf die Möglichkeiten der Schwarzwälder abzustimmen.