Freitag, 30. Oktober 2020

Was verbirgt sich hinter dem Rindenschälen und Reutebrennen?


An steilen Berghängen, an denen sich niedrige Buschwälder gebildet haben, die nach 15 bis 20 Jahren zu armdicken Hölzern weitverzweigt herangewachsen sind, sind zur Reute reif. Aber auch steile Berghänge, an denen der Ginster  und kurzes Gebüsch herangewachsen ist und jeweils Roggen eingesät werden soll, sind für die Reute reif.

 

Zumeist Ende April, Anfang Mai zieht der Bauer los mit seinem Gesinde zu Berge mit kurzen Leitern und Haumesser auch „Sässle“ genannt. Zuerst wird mit dem Sässle die Äste vom Stamm getrennt und dann mit den Leitern diese bis zum Dolden kahl geschlagen. Kahl ragen die Eichenschäfte zum Himmel, die Äste werden nieder getreten, um zu welken. Dann beginnt die Arbeit des „Rindenschälen“. Zumeist wird auf „den Stock“ d. h. am stehenden Stamm geschält. Aber vielfach geschieht das „Schälen am Boden“, dann wird der Stamm vor dem Schälen umgeschlagen. Mit einem scharfen Werkzeug wird die Rinde bis aufs Holz eingeschlitzt. Mit einem gebogenen Rindenlöffel wird die Rinde vorsichtig vom Holz gelöst. Eichenstock um Eichenstock wird so geschält. Wichtig ist, dass die Eichen richtig im Saft stehen, das erleichtert die Schälarbeit. Die geschälten Eichenstämme werden mit dem Sässle umgehauen, dass sie im nächsten Jahr wieder ausschlagen, das geschälte, trockenen Holz eignet sich hervorragend als Brennholz, und die geschälten Rinden gehen an den Rindenhändler, der diese an die Gerbereien liefert.

 

Vor der Ernte zieht der Bauer mit seinem Gesinde wieder auf das Reutefeld. Noch stehendes Buschwerk wird umgehauen in „Riegen“ zusammengetragen und aufgeschichtet. Das sind je nach Breite des Reutefeldes schmale 8 bis 12 m breite Riemen, auf denen das Feuer dann heruntergezogen wird. Die liegenden Äste werden vor allem auf steilen Stücken auch befestigt, dass es unter Feuer nicht zum Rutschen kommt. „Elmle“ nennt man diese Arbeit. Den Sommer über bleibt dies alles so liegen, dass die Sonne auch alles gut trocknen kann. Im Herbst zieht der Bauer mit Hilfe der Nachbarn wieder auf das Reutefeld. Stroh wird noch unter den Ästen oder Ginster verteilt, ein Kräuterbuschel, der an Maria Himmelfahrt geweiht war, wird um göttlichen Schutz bittend in das Astwerk geworfen. Wenn die Windrichtung stimmt, wird mit dem Brand begonnen.

 

Prasselnd schießt die Lohe durch das Astwerk. Während dieses abbrennt ziehen die Männer mit ihren langen Haken die Feuerwalze langsam talwärts, so wird dem Feuer immer neue Nahrung geboten. Das Feuer darf nicht zu stark werden, dass der angrenzende Wald nicht zum Brennen kommt und das Feuer darf nicht ausgehen. Das Feuer „muss über den Boden laufen“. Zurück bleibt der Boden mit einer schwarzen Ascheschicht bedeckt. Immer wenn ein „Jun“ abgebrannt ist, wird nach einem kräftigen Schluck Most wieder der Aufstieg für das nächste Feld angetreten.

 

Nach der schweren und durstmachenden Arbeit wird das Ende der Reute mit einem kräftigen Fest in der Bauernstube gefeiert. Zurück bleibt das grauschwarze Reutefeld. Eines Tages im Herbst kommt der Bauer zum Einsäen des Feldes. Mit einer Hacke muss der Samen in der steinigen Erde noch ein geerdet werden. Schon bald sind die Spitzen der Reutefrucht zu sehen und im kommenden Jahr kann der Roggen geerntet werden. Nach der Ernte wird das Reutefeld wieder der Natur überlassen, bis es in 15 bis 20 Jahren wieder für eine Reuteernte reif ist.

 

Reutebrennen im Oppenauer Tal