Freitag, 16. Oktober 2020

Was verbirgt sich hinter den Holzriesen im Schwarzwald?

 


In früheren Zeiten, in denen die Holzfäller noch nicht motorisiert waren und die Schwarzwaldhänge nicht durch Holzabfuhrwege erschlossen waren, war die große Zeit der Holzriesen. Sie war die einzige Möglichkeit die ungeheuren Holzmengenen ins Tal zu bringen, um sie dann mit den Flößen oder Fuhrwerken abzutransportieren.

 

Bevor im Spätherbst die Feldarbeit zu Ende ging und im Winter die Holzfällerei angesagt war, galt es die Riesen wieder herzurichten. Zumeist waren dies uralte Anlagen, die die alten und erfahrenen Bauern mit sicherem Blick ausgesucht hatten.

 

Zuerst galt es die Riese auf der hangunteren Seite mit einer Längsreihe von Stämmen zu sichern. In den Kurven mussten die „Wehren“ installiert werden. Das waren Holzstämme, die zweifach oder dreifach mit einander verbunden wurden und Wände bildeten, um das Aussteigen der Stämme aus der Riese zu verhindern. In sehr oft benutzten Riesen wurden, wie heute noch in Reinerzau ersichtlich, große Felsbrocken als Rieswände eingesetzt. Mulden und Vertiefungen mussten durch Pritschen eingeebnet werden. Enge Schleifen mussten mit einem „Holzkrech“ versehen werden. Der Holzüberbau des Abhangs ermöglichte den 30 m langen Stämmen und mehr die engen Kurven ohne Steckenbleiben zu durchschießen. Der Auslauf der Riese war zumeist auf einer Talwiese als Stapelplatz, der den Abtransport mit dem Floß oder dem Fuhrwerk ermöglichte.

 

Die mächtigen, gefällten Baumstämme wurden gleich nach dem Fällen zum Abriesen vorbereitet. Äste und Rinde wurden vom Stamm entfernt, das untere Ende wird zum „Schießkopf“ zugespitzt. Dadurch wird die Gleitfähigkeit der Stämme beträchtlich erhöht. Mit Pferdegespannen werden die vielen in den Hochwäldern liegenden Stämme idealerweise im Winter an das obere Ende der Riese, dem sogenannten „Anloss“, zusammen geschleift.

 

Je nach Länge der Riese sind 20 bis 30 Waldleute damit beschäftigt, das Holz ins Tal zu bringen. Drei bis vier erfahrene Männer lassen nach und nach auf Signal Stamm für Stamm in die Riese gleiten. Hat ein Stamm sich auf den Weg gemacht, wird er durch einen lauten Jodler oder Signalhorn verabschiedet. So wissen die längs der Bahn stehenden „Rieshirten“, die  mit Drehhaken –Krempen- ausgerüstet sind, dass ein Stamm in der Riese ist. Bleibt ein Stamm hängen, können sie sofort eingreifen und diesen wieder flott machen, um dem nachfolgenden „Rieshirten“ wieder mit dem lauten Jodler oder Signalhorn, die Ankunft des Stammes anzukündigen.

 

Werden die Geschwindigkeiten in der Riese zu groß, wirft der „Rieshirte“ von Zeit zu Zeit Erde in die Riese, um die Geschwindigkeit der Stämme zu reduzieren. Bei Beschädigungen ist die Riese auszubessern, ist zu wenig Schnee da, ist stets Wasser nachzuschütten, um die Gleitfähigkeit der Riese zu erhöhen. Sind einige Stämme durch die Riese geschossen, werden am Auslauf die Stämme aufgestapelt. Mit dem Signalhorn wird die Riese vom Auslauf aus über die „Rieshirten“ jeweils mit dem Signalhorn nach oben zum „Anloss“ die Riese wieder freigegeben.

 

Eine eingespielte und verlässliche Mannschaft ist unbedingt notwendig, um Unfälle zu vermeiden. Es ist unvorstellbar mit welcher Kraft und Gewalt die Stämme ins Tal schießen. Gerät ein Stamm außer Kontrolle sind schwere Schäden und Lebensgefahr die Folge.

Hofbauernriese Reinerzau heute