Freitag, 10. Juli 2020

Was verbirgt sich hinter den Waldensern?


Henri Arnaud führt die Waldenser 1698
Die Waldenser lebten in Piemont, Savoyen und waren evangelischen Glaubens. Nach dem Aufheben des Toleranzdeliktes von Nantes 1685 waren sie in die unzugänglichen Täler der Cottischen Alpen geflohen. Einige Jahre später waren sie schon wieder zur Flucht gezwungen. Der savoyardische Herzog Viktor Amadeus II hatte dem Sonnenkönig in Verseilles 1698 zugesagt, keine Glaubensflüchtlinge auf seinem Staatsgebiet zu dulden. Da der Weg zurück nach Savoyen gesperrt war, blieben nur die calvinistischen Kantone der Schweiz. Da die wirtschaftliche Lage der Westschweiz desolat war, waren sie auf Dauer nicht erwünscht.



Die Landesfürsten von Württemberg, Hessen-Darmstadt und Hessen-Homburg waren bereit Flüchtlinge aufzunehmen. So zogen 1699 die ersten Waldenser mit ihrem Pfarrer, Henri Arnaud, in ihre neue württembergische Heimat an der Grenze zu Baden, die durch Kriege und Pestepidemien verwüstet war. Hauptsiedlungsgebiet war der Kraich- und Pfinstgau sowie der nord-östliche Schwarzwaldrand.



Herzog Eberhard Ludwig von Württemberg gewährte ihnen fünfzehn Jahre Steuerfreiheit, ihre Pfarrer durften sie selber wählen und hatten das Recht im Unterricht ihre französische Sprache zu behalten. Der Herzog war in der Hoffnung nach dem Vorbild Brandenburger Hugenotten die Gegend zu einem wirtschaftlichen Gegengewicht zum prosperierenden badischen Raum zu schaffen. Aber schon nach wenigen Jahren musste der Herzog feststellen, dass keine Manufakturbesitzer, Verleger und Handwerksmeister wie in Brandenburg gekommen waren sondern überwiegend schlecht ausgebildete Taglöhner, arme Bergbauern, die wenigstens lesen und schreiben konnten.



Die Waldenser trieben sich selber in die Isolation, da sie nicht bereit waren, ihre frankoprovenzalische Umgangssprache abzulegen und deutsch zu lernen. Ihre waldensische Glaubensgemeinschaft trug ebenfalls dazu bei. Den aus ihrer Heimat gepflegten Weinbau und die Seidenraupenzucht waren in diesem rauen Klima nicht möglich. Die Ernten auf den sandigen Böden waren schlecht. Die ansässige Bevölkerung war zudem von den neuen Ankömmlingen nicht erbaut, denn sie sprachen die Sprache des französischen „Erbfeindes“. Ständige Reibereien waren dadurch vorprogrammiert.



Eine typische Waldenser Siedlung stellt Neuhengstett (ursprünglich Boursett) bei Calw dar. Die Waldenser waren an ihrem Kirchinneren zu erkennen. Dieses war sehr schlicht, statt dem Altar gab es nur einen Tisch. Wenn die Kanzel sein musste, war sie hinter dem Altartisch angebracht, um den zentralen Stellenwert der Verkündigung des biblischen Wortes zu betonen. 1821 wurde die Waldenser Kirche zwangsweise in die lutherische Landeskirche integriert. Lutherische Seelsorger mussten in deutscher Sprache Gottesdienst abhalten. Trotzdem konnte sich die französische Umgangssprache bis um 1900 erhalten.



Bis zum heutigen Tag sind die Waldenser an ihren Namen zu erkennen: Talmon l‘ Armee, Perrot, Ayasse und Rivoir. Auch die alten Häuser sind zu erkennen. Da die Waldenser die Fachwerkbauweise nicht kannten, bauten sie ihre Häuser ganz aus Stein an der Durchgangsstraße mit der Längsachse jeweils rechtwinklig zur Straßenflucht.