Freitag, 12. Juni 2020

Was verbirgt sich hinter der Harzerei?


Eines der ältesten Gewerbe im Schwarzwald ist die Harzerei. Schon Sebastian Münster beschrieb 1544  in seiner „Cosmographia“, dass im Gebiet der hinteren Murg und des Kniebis sich die Bewohner vom Harzsammeln ernähren. „Dann do findet man zwey oder drey Dörffer deren einwohner alle jar zweyhundert und etlich mehr zentner hartz von den Thanbäumen sammlen und gehen Straßburg zu verkaufen bringen.“



Das Harzen mit seinem Raubbau, das zum Sterben der Bäume führte, war natürlich im stetigen Kampf mit der Obrigkeit, den Bauern und den Floßherren. Auch die ersten Verbote von 1587 und Gebote von 1617 der Obrigkeit nutzten wenig. Hansjakob berichtet uns von der Armut der Wälder auf dem Kniebis: „Diese Armut ließ die Leute zu Harzdieben werden. Nachts, wenn die Sternlein über dem Kniebis standen, zündeten die Kniebisser im Wald Lichtlein an und zogen in einer Lichterprozession ins Dickicht. Sie suchten die angerissenen Fichten auf und leerten deren Harzkanäle mittels Kratzeisen, oder rissen neue, saftreiche Bäume an, um sie für das Harzen vorzubereiten. Keine Sekunde waren sie aber sicher vor den Revierjägern, die mehr als einmal die flüchtigen Harzsammlern er- oder anschossen. So wie auf dem Kniebis beschrieben riskierten die Harzer im ganzen Schwarzwald ihr Leben“.



Vorwiegend Fichten aber auch Kiefern wurden zum Harzen aufgesucht. Gewonnen wurde das Harz mit dem Dechsel-Verfahren oder dem Rillenschnitt-Verfahren. Beim Dechsel-Verfahren wurde der Baum auf einem 25 cm breiten und 1,50 m hohen Streifen von der Grobrinde befreit. Beim Rillenschnitt-Verfahren werden wie Fischgräten Rillen in den Kiefernstamm mit Hilfe eines scharfen Reißers eingekratzt. Das Harz fließt von den seitlichen Rillen in die Mittelrille (Tropfrinne) und wird dann wie beim Dechsel-Verfahren in einem Behälter aufgefangen. Die Fichten bekamen schon nach kurzer Zeit die Rotfäule und wurden dürr.



Das Harz wurde regelmäßig eingesammelt und in Form von Harzgrieben oder Harzfladen in die Harzhütten oder Harzöfen gebracht.  Auf großen Feuerstellen wurde das gewonnene Harz in großen Kesseln gesotten und durch nasse Säcke gepresst. Je nach Qualität des Produktes erfolgte die Weiterverarbeitung zu Lacken, Firnis, Apothekerware, Schusterpech und Wagenschmiere. Die rückständigen Harzgruben wurden zu Kienruß verarbeitet.



Wie wichtig Harz vor allem in Kriegszeiten war, ergibt sich aus der Zusammensetzung: 20 % Terpentinöl, 70 % Kohlophonium (Hartharz) und 10 % Wasser sowie andere Stoffe. Das Terpentinöl war Grundlage für Kampfer und Zelluloid, pharmazeutische Produkte, Lösung und Verdünnungsmittel, sowie Reinigungsmittel. Kohlophonium diente zur  Herstellung von Papier, Wachstuch, Linoleum, Seife, Fetten, Schusterpech, Druckerschwärze. Auch die Munitionsfabriken benötigten große Mengen Harz für Zünder und Schrapnells.



Nach dem 1. Weltkrieg ging die Harzerei in den Waldungen des Schwarzwaldes sehr stark zurück. 

Geharzte Kiefer