Freitag, 11. Oktober 2019

Was verbirgt sich hinter der Papierindustrie im Murgtal?


Erhard Kapelle
Die Murgschifferschaft gab sich 1486 die erste Zunftordnung und betrieb nicht nur die Flößerei sondern auch schon sehr früh unzählige Sägewerke. 1505 waren es in der Grafschaft Eberstein schon 25 Stück. Die ausgedehnten Wälder und die Wasserkraft durch das starke Gefälle der Murg luden geradezu zur Flößerei und vor allem zu den vielen Sägewerken ein. Durch sie gab es reichliches Angebot von schwachem Fichtenholz, das wertlos war.


1844 hatte Friedrich Gottlob  Keller ein Verfahren entdeckt, um aus Fichtenholz durch Schleifen am Schleifstein mit Wasser ein Holzschliff herzustellen, der zur Herstellung von relativ gutem Papier sich eignete. Dieser ersetzte als Rohstoff für die Papierindustrie  die Lumpen und Hadern (Abfälle von Baumwolle), die sehr begehrt waren. 1874 fand Alexander Mitscherlich das „Sulfitzellstoff-Verfahren“, mit dem Holz chemisch aufgeteilt werden konnte. Es konnte so der hochwertige Zellstoff gewonnen werden. Die Erfindung führte in den Jahren 1881/82 zur Murgtäler Papier- und Pappenindustrie.



Casimir Otto Katz errichtete 1882 die erste Holzschleiferei, die als erste die Abfälle der Sägewerke zu Holzschliff verarbeitete und diesen an die Papierfabriken verkaufte.  Er stanzte ab 1904 die später bedruckten Bierglasuntersetzer –bekannt als Bierfilzdeckel. Heute noch ist sie als „The Katz Group“ in Weisenbach als Weltmarktführer in dieser Branche tätig. Der Ursprung liegt im 1716 gegründeten Sägewerk von Johann Georg Katz in Gernsbach.



Auch die 1904 von Adolf Kast in Gernsbach errichtete Holzschleiferei ist heute als „Casimir Kast“ ein auf Verpackung und Displays aus kaschierter Wellpappe und Vollkarton spezialisiertes Unternehmen. Es ist ein konzernunabhängiges Familienunternehmen in der 13. Generation in Gernsbach Obertsroter Straße.



Die 1887 wegen Abfallprobleme errichtet Holzschleiferei des Sägebetriebes Wieland & Weber, wurde dann ein als Gruber & Weber bekanntes Unternehmen. Seit 2001 gehört es in Gernsbach Obertsrot zur „Mayr-Melnhof Kartongesellschaft m.b.H“ Wien. Das Werk produziert bis heute alles was mit Kartonagen zusammenhängt. Auch hier liegt der Ursprung im 1869 gegründeten Sägewerk. Die Erhard Kapelle liegt heute noch vor der Firmeneinfahrt. (Bild)



Die bekannte E. Holtzmann Gruppe Cie AG in Etllingen, heute bekannt als größter Zeitungspapierhersteller der Bundesrepublik, hatte seinen Ursprung ebenfalls im Murgtal. Der Karlsruher Eugen Holzmann gründete 1883 die E. Holzmann & Cie OHG und begann 1886 mit der Produktion des Holzschliffs. Das weitläufige Areal der Murgtalpapierfabriken erstreckte sich über vier Gemeinden. Deswegen hatte es die damalige Anschrift "7566 Weisenbachfabrik". Der Konzern wurde 1997 an den finnischen Konzern Enso Oy verkauft. Die Werke wurden früher oder später abgewickelt.



Felix Heinrich Schoeller und Georg Schultz gründeten 1881 auf dem Gelände einer Schleifenmühle eine Zellulosefabrik. Diese wurde 1902 wegen Geruchsbelästigung der Anwohner  eingestellt und gleichzeitig 1904 mit der Seiden und Zigarettenproduktion als Schoeller und Hoesch GmbH begonnen. 1998 wurde das Unternehmen von dem amerikanischen „Glattfelder“ Unternehmen übernommen. Die Glattfelder GmbH in Gernsbach ist heute Weltmarktführer bei Teebeutel und Overlaypapieren.