Freitag, 8. Juli 2016

Was verbirgt sich hinter der "russischen Kolonie" von Baden Baden?




Während des Pfälzischen Erbfolgekrieges wurde Baden-Baden 1689 von französischen Truppen niedergebrannt, der Bäderbetrieb kam zum Erliegen. Rastatt wurde 1705 anstatt Baden-Baden Residenzstadt. In der Folgezeit war es nur „Baaden bey Rastadt“.



1814 beim Sommeraufenthalt auf Schloss Baden-Baden versammelte Markgräfin Amalie, die Mutter der Zarin und alte Napoleonhasserin ihr Gefolge, um die Zeit nach Napoleon zu beraten:  Ihre Tochter, die russische Zarin, zwei Zarenbrüder und hohe Generäle waren versammelt. Sie alle erlagen dem Reiz Baden-Badens und seiner Umgebung. Zusätzlich kam 1817 Königin Katharina von Württemberg, die Schwester des Zaren, mit ihrem großen Gefolge zur Kur nach Baden-Baden.



1811 war die Spielbank eröffnet worden. Adelige und Nichtadelige, Kapitalisten und arme Schlucker versuchten ihr Glück in Baden-Baden. Und sollten russische Fürsten und Großgrundbesitzer mit Tausenden von „Selen“ nicht dabei sein? Ab 1858 fanden zusätzlich internationale Pferderennen in Iffezheim statt.



Zu der stets wachsenden russischen Kolonie kamen dann berühmte russische Dichter, wie Gogol, Lermontow, Shukowskij und Dostojewskij dazu. Ihrem Schaffen in Baden-Baden sind wohl die beständigsten Beziehungen zwischen Russland und Baden-Baden zu verdanken. Graf Tolstoi verspielte seine letzten Rubel beim Roulette auf der Spielbank und hielt sich in Zukunft dem Spielcasino fern. Auch Dostojewskij verspielte 1865 und 1867 beinahe sein gesamtes Hab und Gut.



Aber viele Russen ließen sich nicht nur die Kur verschönen sondern ließen sich auch häuslich nieder. Turgenjew, Mitglieder des Zarenhofs, Millionäre und Glücksrittern, an denen es „Mütterchen Russland“ nie fehlte, ausgediente Militärs und Haudegen wie Fürst Waldimir Menschikow sind Beispiele dafür. Viele alten Villen in Baden-Baden zeugen noch von jener Zeit.



Der deutsch-französische Krieg brachte das Ende der russischen Ära, denn viele Russen verkauften ihre Immors“, Paris. 1872 wurden im neuen Deutschen Kaiserreich per Gesetz alle Spielbanken geschlossen. Damit versiegten die Millionen von Rubel und wanderten nach Monte Carlo. Auch der Bau der russischen Kirche 1882 konnte den Abwärtstrend nicht aufhalten. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges war alles beendet.



Erst im letzten Jahrzehnt kamen russische Millionäre zurück und kauften die leer stehenden Villen auf, um sie als Feriendomizile oder Alterssitze aufzubauen. Aber auch die russische Mittelschicht ist in Baden-Baden vermehrt zu sehen, wie die russischen Hinweisschilder in den Geschäften zeigen.
Russische-Orthodoxe Kirche Baden Baden