Freitag, 21. November 2025

Was verbirgt sich hinter den Ruinen, die von einer vergangenen Zeit verkünden?

Allerheiligen 1680

Die Allerheiligen Wasserfälle, die im hinteren Lierbachtal -einem Seitental des Renchtals- in sieben Stufen insgesamt 66 m in die Tiefe fallen, sind heute ein bekanntes Besuchermagnet. Leider finden die oberhalb liegenden Ruinen des Klosters Allerheiligen dagegen weniger Beachtung.

Das Kloster Allerheiligen wurde 1196 von Herzogin Uta von Schauenburg nach dem Tode ihres Mannes,  Welfs VI, als Prämonstratenser-Chorherrenstift im hinteren Lierbachtal gegründet. Kaiser Heinrich VI und Papst Innozenz III haben 1204 die Gründung des Stifts bestätigt. Das eng gehaltene Gebiet umfasste den Bereich unterhalb des Schliffkopfs, Sohl-, Braunberg sowie bis unterhalb der Wasserfälle und das Patronatsrecht über Nußbach –später über das Patronatsrecht der Kirchen von Appenweier und Oberachern. Bei der Gründung wurde dem Kloster die Reichsunmittelbarkeit, Vogtei-, Steuerfreiheit sowie Immunität vor jeglicher Strafverfolgung im Klosterbereich gewährt. Allerdings kollidierte dies ab dem 14. Jahrhundert mit den Expansionsbestrebungen des Straßburger Bistums.

Ziel der Gründung des Klosters war die Erschließung des weitgehenden unbesiedelten Lierbachtales und Umgebung. Hier entstand in dieser einsamen schwer zugänglichen Bergregion ein kulturelles Zentrum und landwirtschaftliches Anwesen zur Selbstversorgung. Die Besitzungen erstreckten sich mit der Zeit auf den Rench- und oberes Achertal.

Aufgabengebiet der Prämonstatenser war vor allem die Seelsorge der Umgebung, Schreiben und Kopieren von Bücher sowie die Lehrtätigkeit und die Betreuung von Wallfahrten wie die von Nußbach zur Wallfahrtskapelle St Wendel oder der Bau der Wallfahrtskirche von Lautenbach. Noch heute wird die Wallfahrt von einem Prämonstratenser zu Pferde angeführt. 1594 wird erstmals ein Gymnasium mit bis zu 50 Schülern erwähnt, das aus der mittelalterlichen Klosterschule hervorgegangen war. Weitere Einnahmen waren aus der Klosterschänke oder Herberge von Reisenden und Pilgern aus der Klosterapotheke zu erzielen und auch aus der Landwirtschaft.  Prämomstratenser waren Chorherren d. h. Priester mit Ordensgelübde aber keine Mönche. Die Laienbrüder bestimmten das Klosterleben gleichberechtigt mit.

Ende des 16. Jahrhunderts wurde vom lutherischen Markgrafen versucht das Kloster „auszubluten“, um es zu übernehmen. Aber Dank der Hilfe von Kaiser Rudolf konnte dies verhindert werden. 1657 wurde das Kloster Allerheiligen von der Probstei zur Abtei erhoben,  und damit von einem Abt geführt.

1802/03 wurde das Kloster gemäß dem Regensburger Reichsdeputationshauptschluss von Karl Friedrich von Baden aufgelöst und abgewickelt. Die 29 Patres mussten das Kloster verlassen und wurden in den umliegenden Gemeinden als Pfarrer sofern das nicht möglich war als Lehrer eingesetzt. Ein Jahr nach der Aufhebung des Klosters leitet ein Blitzschlag den Zerfall der Anlage ein. 1806 wurde noch versucht die restlichen Gebäude mit einer Spinnerei nützlich zu gebrauchen. Aber die Abgeschiedenheit war zu groß. 1812 wurde die Kirche von Allerheiligen ausgeräumt und die Gegenstände auf die umliegenden Kirchen und Kapellen verteilt worden, die Gebäude wurden auf Abbruch versteigert oder für andere Kirchen wie in Achern genutzt. Die Bestände der umfangreichen Abtei wurden zwischen der Hofbibliothek Karlsruhe und Uni-Bibliothek Heidelberg verteilt. Die Entscheidung war gefallen, keine Kirchengemeinde in Allerheiligen zu gründen und damit waren Gottesdienste überflüssig.

Im Forsthaus des Westflügels wurde 1844 eine Gaststätte eingerichtet, nachdem die Wasserfälle touristisch erschlossen worden waren. 1871 wurde die Gaststätte zu einem dreistöckigen Kurhotel erweitert. 1887 entstand ein zweites Hotelgebäude. Der Caritasverband Mainz wandelte das Hotelareal in ein Kinderheim um. Seit 1978 befindet sich darin ein Landschulheim. Seit 2013 betreibt EOS Erlebnispädagogik ein Tagungszentrum in den Räumen. Seit 1991 wird in den Resten des Kirchenschiffs im Juli Freilichtaufführungen durchgeführt.


Allerheiligen heute