Freitag, 22. August 2025

Was verbirgt sich hinter dem offenen Ungehorsam der Hotzen?

J. Schupp 1858-1918

Die Hotzen, die bäuerliche Bevölkerung des Hotzenwalds, waren seit jeher ein freiheitlicher Volksstamm, der sich schon im 12. Jahrhundert immer wieder auf seine alten einmal zugesagten Rechte pochte, nur das österreichische Herrscherhaus akzeptierte und allen Veränderungen mit heftigem Widerstand begegnete -siehe: Was verbirgt sich hinter dem offenen Ungehorsam der Hotzen und Was verbirgt sich hinter den Salpeteraufständen?

Nachdem das Haus Österreich die Salpetereraufstände niedergeschlagen hatte und jeden Widerstand brutal unterdrückte, kehrte langsam Ruhe im Hotzenwald ein. Die Erinnerung an die Aufstände blieb und der Groll gegen die Obrigkeit vererbte sich in manchen Salpetererfamilien über Generationen.

Nach dem Übergang an Baden 1802 standen die eingefleischten Salpeterer der neuen Obrigkeit erst recht misstrauisch gegenüber. Anstelle des vertrauten Kaiserhauses in Wien war nun ein neuer –noch dazu evangelischer- Großherzog in Karlsruhe vorhanden, für den der Hotzenwald ein weit abgelegenes Dasein führte. Als dann der Generalvikar des Bistums Konstanz kirchliche Neuerungen einführte und die meisten Apostelfeiertag aufhob, lebte sogleich der alte Ungehorsam wieder auf. Dem badischen Staat verweigerten sie die Huldigung, Steuerzahlung und Militärdienst; Beschwichtigungsversuche schlugen fehl. So führte 1814 die Großherzogliche Verwaltung eine Accisabgabe (indirekte Steuer) auf selbstgebrannten Branntwein ein. Sofort wurde  schwarz gebrannt, als Strafe sollten die Brennkessel eingezogen werden. Die Polizeigardisten hatten weder den Mut, die Rädelsführer zu Hause oder nach dem Kirchgang zu verhaften. Sie wurden immer von einer aufgebrachten Menge geschützt.

1832 fingen die ersten Familien aus dem Bezirk Waldshut mit einem Schulstreik an und schickten die Kinder nicht mehr zur Schule. Sie verlangten eine Untersuchung, ob ihre Kinder in der rechten Religionslehre unterrichtet und sie selbst in den alten Gesetzen und Rechten behandelt würden.  Die Regierung ließ Familienväter wegen fortgesetzter Schulversäumnisse der Kinder inhaftieren. Aber auch monatelange Beugehaft brachte die Familienväter nicht zum Umdenken. Dagegen weitete sich der Schulstreik immer weiter aus. Auch die Impfungen wurden verweigert, weil dies ein sündhafter Eingriff in die göttliche Ordnung sei. Viele Salpeterer besuchten den Gottesdienst nicht mehr und riefen den Ortsgeistlichen weder zu Taufen noch ans Sterbebett. Als der Zehnte 1835 abgelöst wurde, ließen sie noch lange wie sie es vorher gewöhnt waren, die zehnte Garbe auf dem Feld liegen und verweigerten jedoch allen neuen Steuern.

Um den ausufernden Schulstreik zu beenden, wurde den Verurteilten eine Amnestie für alles zugesagt. Aber die Salpeterer erwiderten kalt: „Wir sind nur provisorisch an Baden übergeben, der Großherzog ist nur unser Stiefvater. Wir gehorchen nur dem österreichischen Prinzen Ferdinand. Als doch die ersten Väter bereit waren, ihre Kinder zur Schule zu schicken, wurden sie sofort freigelassen. Standen aber am nächsten Tag wieder vor der Haftanstalt, denn ihrer Frauen würden sich vor solchen weichen Männern scheiden lassen. Noch 1892 wurden Salpeterer zur Gefängnisstrafe verurteilt, weil sie ihre Kinder nicht zur Schule schickten. Auch die 1869 eingeführte Zivilehe wurde von den Salpeterer abgelehnt. Sie gingen weder zum Standesamt, noch zur kirchlichen Trauung und zahlten keine Steuern.

Den konservativen Hauensteinern fiel es schwer, sich den geänderten politischen Verhältnissen anzupassen und was man ihnen als Trotz und Halsstarrigkeit auslegte, war oft eine Unbeholfenheit. Der letzte Salpeterer Josef Schupp verstarb 1918 und lehnte bis zu seinem Tode die Sterbesakramente ab.

1937 wurden 41 Gemeinden zum Notstandsgebiet Hotzenwald erklärt. Erst das neu gegründete Baden Württemberg leitete 1952 das Hotzenwaldprogramm ein, baute Straßen, zentrale Wasserversorgungen, Schulen und ein durchgehendes Elektrizitätsnetz.