Freitag, 27. September 2024

Was verbirgt sich hinter Ernest Hemingways Aufenthalt in Triberg?

Hemingway 1899-1961

Ernest Hemingway, der bekannteste Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, wurde am 21.7.1899 in Oak Park Illinois geboren und starb am 1.7. 1961 in Ketchum Idaho.1953 wurde der bekannte Schriftsteller mit dem Pulitzer Preis und ein Jahr später mit dem Literatur Nobelpreis ausgezeichnet. 1922 war der Journalist für den Kanadischen „Toronto Star“ als Korrespondent nach Paris gegangen. Da zog es den begeisterten Forellenangler mit seiner Frau und dem Ehepaar Bird während dem stickig heißen August aus Paris in den Schwarzwald, um eine Forellenwanderung von Tal zu Tal zu machen. Soweit die Vorstellung der Reisegruppe.

Von Freiburg kommend wurde die Anreise nach Triberg mit dem Zug gemacht, bei dem sie eine fünfstündige Eisenbahnfahrt mit zweimal Umsteigen und vier Stunden im Gang stehen auf sich nehmen mussten, während dicke und unglückliche Deutsche und ihre dicken gelockten Frauen sich immer wieder mit unbekannter Absicht und ständig um Entschuldigung bittend an uns vorbeidrängelten. Der Schwarzwald sei nicht schwarz, wie der Namen vermuten lässt. Er besteht aus einer Bergkette, die von Eisenbahnstrecken, Tälern voller fruchtbarer Kartoffeläcker, Weideland, braune Schwarzwaldhäusern und kieselgründigen Forellenbächen durchzogen sind, allenthalben erblickt man riesige Hotels, betrieben von germanisierten Schweizern, die es in der Kunst, aus einem Metzger-Beefsteak vier zu machen, zu wahrer Meisterschaft gebracht hatten.

In Triberg angekommen, beeindruckt die aus einer einzigen, von steilen Hotels gesäumten steilen Straße. Es liegt in einem steilen Tal, durch das  im Winter eine kühle Brise wehen soll. Logiert wurde in der Königssuite im größten Hotel von Triberg, dem “Parkhotel Wehrle“. Durch die Inflation in Deutschland damals bedingt, bezahlte Hemingway umgerechnet 37 Cents pro Nacht. Aber so leicht einen Anglerplatz in Triberg zu finden, wie es in der kanadischen Provinz möglich war, ging hier nicht. Durch Vermittlung des Hoteliers, Paul Wehrle, bekam Hemingway ein Fischwasser von einem Freund des Hauses zur Pacht überlassen. Aber was die Angler nicht bedachten, war die deutsche Bürokratie, denn es war eine polizeiliche Genehmigung zum Fischen einzuholen. Die Folge war eine zweitätige Odyssee durch die Amtsstuben des Großherzogtum Badens. Um die Erlaubnis zum Fischfang zu erhalten, begab sich Hemingway schließlich mit Bill Bird zum Amtssitz des Bürgermeisters Johann de Pellegrini in Triberg.

Als sie schließlich in einer Schlange wartend zum Bürgermeister vorgelassen wurden, brachten Hemingway sein Anliegen vor: „Bitte Herr Bürgermeister. Wir wollen der Fischkarten. We wollen to gefischen goen“. Der Bürgermeister kurz und bündig:“Nix, nein!“ und zeigte streng auf die Tür. Unter der Hand wurde den beiden mitgeteilt, sie sollten sich im Nachbarort Nußbach um Fischkarten bemühen. Es kam wie es kommen musste, die beiden Frustierten gingen halt ohne Genehmigung zum Fischen und machten zwei Tage reiche Beute. Am dritten Tag plagte doch das schlechte Gewissen. Man begab sich nach Nußbach und fand den Bürgermeister nach längerem Suchen in einem Schuppen gegenüber dem Friedhof.

Hemingway berichtet: „Mr Bird spricht deutsch, aber er glaubt, er könnte es nicht. Ich spreche kein Deutsch, denke aber, dass ich es kann. Deswegen führe ich das Gespräch, obwohl mein Deutsch darin bestünde, dass ich Englisch mit italienischen Akzent spreche.“ „Ve wishen der Fischkarten“ sagte ich mit einer tiefen Verbeugung. Der Bürgermeister sah über seine Stahlbrille und sagte: „Ja!“ „Ve wischen der Fischkarten comme ca“, sagte er nochmals und zeigte eine Landkarte mit dem gewünschten Fischwasser. „Ja“, sagte der Bürgermeister: „Das ist gut Wasser!“. „Can we gefischen in it“, fragte ich. „Ja“ kam die abermalige Antwort des Bürgermeisters. So verbrachten die beiden die restlichen Tage in Triberg und fischten in der Gutach, im Vordertalbach und Elz auch mal mit und mal ohne Genehmigung.

Trotz alledem wurde an den Triberger Wasserfällen für seinen Urlaub in Triberg eine Plakette oberhalb der Obervogt-Huber-Tanne auf einem Felsbrocken angebracht.


Freitag, 20. September 2024

Was verbirgt sich hinter der Kapelle im Tennenbachtal?

Kloster Tennenbach

Wer von Emmendingen auf den Hausberg, dem Eichberg, wandert hat von der 43 m hohen Kanzel einen herrlichen Rundblick über den Schwarzwald, Vogesen und den Schweizer Jura. Beim Blick zum Hühnersedel fällt einem eine einsame Kapelle am Straßenrand im breiten Tennenbachtal auf. Diese Kapelle ist das einzige Überbleibsel eines mächtigen Klosters.

Das Zisterzienserkloster Tennenbach wurde um 1160 auf Initiative von Kloster Friensberg in der Nähe von Bern vom späteren Abt Hasso gegründet. Es entwickelte sich zu einem der bedeutendsten und größten Klöster im südwestdeutschen Raum. Ihm unterstanden die Zisterzienserinnenklöster Güntersthal, Lichtenthal, Wonnethal und Friedenweiler.

1723 zerstörte ein Brand viele Gebäude des Klosters. Allerdings trieb damals Abt Leo Münzer den Wiederaufbau des Barockklosters stattlicher denn je voran.  Doch schon 1782 war das Kloster von einer Aufhebungswelle des Kaisers Joseph II betroffen, wie alle vorderösterreichischen Klöster. Doch der mächtige Abt konnte dies bei einem Besuch in Wien abwenden. Aber nachdem die Säkularsierung als Entschädigung für den Verlust der linksrheinischen Gebiete beschlossen  worden war, hat das Großherzogtum Baden die Aufhebung des Klosters 1806 vorangetrieben.

Die 20 Ordensgeistliche und Laienbrüder verließen das Kloster, obwohl ihnen Wohnrecht zugesagt war. Der Großteil ging nach Kärnten und der Rest betätigte sich als Pfarrer und Lehrer in der Umgebung. Die Bibliothek wanderte 1809 zur Universität Freiburg, die Besitztümer des Klosters wurde verkauft. Dagegen war die großräumige aber abgelegene Abtei völlig unverkäuflich und damit ein schwerer Ballast für den badischen Domänenetat. Auch die Verpachtung als Strohmanufaktur oder Ähnliches, alles zerplatze wie Seifenblasen, als es um die Finanzen ging.

Wenn gar nichts geht, Soziales geht immer: Nach der Völkerschlacht bei Leipzig 1813 wurde die Region Aufmarschgebiet gegen Frankreich. Österreicher, Badener, Württemberger und Russen alles war da. Es diente 1813/14 als Lazarett, ebenso wie 1815 nach der Schlacht von Waterloo, als die Soldaten zurückfluteten. Gleichzeitig entwickelte sich in den leerstehenden Gebäuden die „Thennenbacher Colonie“ d.h. eine Bettler- und Asozialensiedlung, die sich zum Schrecken der Umgebung entwickelte. Bis 1835 wurde die Siedlung mit Gewalt geräumt,  die Personen notfalls nach Amerika abgeschoben, bis die Gebäude leerstanden. Diese wurden anschließend  demoliert und auf Abbruch versteigert. Das Tennenbacher Münster  wurde Stein für Stein abgebrochen und wieder als evangelische Ludwigs-Kirche in Freiburg aufgebaut. Sie sank 1944 nach einem Bombenangriff in Schutt und Asche.

Dass die abseits stehende gotische Kirchhof- oder Krankenkapelle als einziges Gebäude der Nachwelt erhalten blieb, war dem Umstand zu verdanken, dass der Erwerber sie nicht bezahlen konnte. Nach ihrer Entweihung 1836 diente die 1310 erbaute Kapelle als Geräteschuppen trotz aller Proteste des erzbischöflichen Ordinariats. 1898 wurde sie von Stadtpfarrer Sachs aus Emmendingen restauriert, ebenso 1957 renoviert.

Die der Muttergottes geweihte Kapelle zeigt über dem Eingang das Wappen des Abtes Antonius und die Jahreszahl 1721. 2011 wurde die „Schwarze Madonna“ feierlich aufgestellt. Sie stammte aus dem alten Kloster. Die Kapelle wird vorwiegend für Hochzeiten genutzt.

Kapelle Tennenbach 


 

 

 

Freitag, 13. September 2024

Was verbirgt sich hinter dem Hochschulort Schramberg?

R. Nacken 1884-1948

Sicherlich ist es für jede Stadt ein Wunsch oder eine besondere Auszeichnung, ein Hochschulstandort zu sein. Was sicherlich die wenigsten Leute wissen, war Schramberg in der Zeit von 1943-1948 ein Hochschulstandort: Das Mineralogische Institut der Universität Frankfurt unter Professor Dr Richard Nacken (1884-1971) war kriegsbedingt in den Räumen der H.A.U., Firma Junghans, untergebracht. Professor Nacken beschäftigte sich mit der hydrothermalen Mineralsynthese zur künstlichen Herstellung von Quarzen und Edelsteinen.

Das Oberkommando des Heeres hatte größtes Interesse an der Quarzforschung, denn die bisherigen Quarze kamen aus Südamerika, um die Probleme beim Nachschub zu umgehen, waren die künstliche Quarzforschung so wichtig. Quarz wurde als Frequenzstabilisator in Funkgeräten oder Radios verwendet,  da sie weitgehend hitze- und staubresistent sind. Deswegen übernahm der Reichsforschungsrat die Förderung der nunmehr als geheim eingestuften Arbeiten. Nach einem Jahr waren die ersten Kristalle künstlich gezüchtet. Nun wurden die Grundlagen der industriellen Quarzsynthese gelegt. Mittlerweile  standen das Institut und die Mitarbeiter unter dem Schutz von Rüstungsminister Albert Speer.

Wie es schon manche deutsche Großstadt getroffen hat, luden am 4. Oktober 1943 hunderte alleierte Bomber ihre Fracht über Frankfurt ab und legten ganze Stadteile in Schutt und Asche. Nicht getroffen wurde das Mineralogische Institut der Universität. Für dessen Leiter, Dr Nacken, war aber klar, dass er schleunigst diese Stadt mit seinem Institut verlassen musste.

Schramberg wurde aus verschiedenen Gründen ausgewählt: Das Atomprogramm wurde von Albert Speer in den Südwesten evakuiert, denn die Wissenschaftler wollte alle wegen einer eventuellen Niederlage im Westen sein, um im Osten den Russen nicht in die Hände zu fallen. Junghans war führend in der Rüstungsindustrie, Direktor Junghans war zum Wehrwirtschaftsführer aufgestiegen, das Unternehmen hatte seit 1941 ein umfassendes Stollensystem angelegt.

Die Wissenschaftler waren mittlerweile in der Lage, in vier Wochen ein Kristall von einem Kilogramm Gewicht zu züchten. Die Erfolge sprachen sich in den Fachkreisen herum, denn die Firma Telefunken interessierte sich für den Kauf der Patenten und die mögliche Industrieproduktion, die der konzerneigenen Leuchtstoff-Gesellschaft. Die Leuchtstoffkristalle könnten in der Radartechnik verwendet werden. Andererseits erschwerte der Vormarsch der Alliierten 1945 die Arbeit zusehends: Es fehlten immer wieder Materialien. Bis im April 1945 die französischen Panzer in Schramberg einrollten.

Die Alliierten, vor allem aber die Franzosen, wussten um die Bedeutung der Quarzsynthese und wollten diese für die Radiotechnik nutzen. Dr Nacken sollte das Institut für Hydrothermalsynthese wieder wie vor dem Kriege aufbauen, was auch geschah. Im August 1946  wurde Dr Nacken als Professor an die Universität Tübingen berufen. Gleichzeitig wollte er in Tübingen ebenfalls ein Institut für hydrothermale Mineralsynthese aufbauen. Als die französische Militärverwaltung dies bemerkte, da in Schramberg Geräte für Tübingen reserviert wurden, wurde Dr Nacken als Institutsleiter abgesetzt, durfte die Anlage nicht mehr betreten. Sein Stellvertreter wurde als neuer Leiter eingesetzt. In der weiteren Folge wurde die Forschungsstelle abgewickelt und mit Immanuel Franke als Leiter 1948 nach Paris verlagert.

 

Freitag, 6. September 2024

Was verbirgt sich hinter den kleinen Heuhütten in den engen Murgtal-Tälern?

Heuhütten bei Obertsrot Ätzenbach

Nach den gewaltigen Verheerungen des 30-jährigen Krieges war die stark verminderte Bevölkerung im Schwarzwald nicht in der Lage, den Bevölkerungsausfall aus eigener Kraft zu ersetzen. Dies übernahmen die Schweizer und Tiroler Alpen, die von diesem weniger berührt waren. Überbevölkerung und falscher Glauben trieb die Bevölkerung aus ihren Alpentälern. Beispielsweise hat Erzherzog von Steiermark, Kärnten und Krain 1598 auf Anraten der Bischöfe ein Edikt erlassen, das die Untertanen vor die Wahl stellte, innerhalb von zwei Jahren zum Katholizismus zurückzukehren oder ihr Hab und Gut zu verkaufen und untern Abzug von 10 % vom Erlös auszuwandern.

Im Nordschwarzwald lagen ergiebige und unberührte Wälder, die genutzt werden wollten. Dem rauen Klima und mageren Boden waren die Entbehrung gewohnten Alpenländerbewohner noch am ehesten gewachsen gewesen. So kamen sie vor allem als Holzfäller, Flößer, Glasmacher, Pottaschebrenner und als Bergleute. Sie haben bei der Erschließung und Besiedelung entlegener Schwarzwaldtäler ihren Anteil. Das galt auch für das Murgtal, in dem zahlreiche Tiroler Einwanderer festgestellt wurden. Schon bei der Gründung von Freudenstadt 1599 kamen die Neusiedler aus der Steiermark und Kärnten.

Im 18. Jahrhundert veränderte sich mit zunehmender Bevölkerung die Nachfrage nach Holz,  zum einen nach Scheiter- oder Klafterholz als Brennholz zum anderen von Langholz zum Bauen und darunter vor allem die „Holländer“ für den Schiffsbau und Bau von Hafenanlagen. Überall wurden Bäche und Flüsse floßbar gemacht, um die Nachfrage zu befriedigenden. Nicht zu vergessen die zahlreichen Sägewerke, die die Bretter als Oblast auf den Flößen sägten. Ganze Familien lebten nur von der Arbeit mit und vom Holz. Es waren besonders die großen Flößergesellschaften, Dürr in Rastatt, die Calwer Companie und die Murgschifferschaft, die „billige Arbeitskräfte“ in diese unwirtschaftliche, abgelegenen, dem Urwald gleichenden Gegend, heranzogen und sie daselbst sesshaft machten.

Während die Männer der harten Arbeit mit dem Holz nachgingen, sorgten die Frauen, dass wenigstens ein karges Mahl auf den Tisch kam. Auf ihren kleinen Parzellen, die mühsam dem Wald abgerungen wurden, konnte selten Ackerbau betrieben werden. Die Böden waren steil und karg, die Wiesen mager. Die Steinbrocken wurden für Trockenmauern verwendet. Für die Beweidung des Viehs waren die Wiesen zu steil. So wurden sie nur für die Graswirtschaft bearbeitet, um eine oder zwei Ziegen und vielleicht eine Kuh durchzufüttern. Ihre kleinen Behausungen eigneten sich nicht für den Heuvorrat. Deswegen wurden in den engen, steilen Seitentälern kleine Heuhütten aus Holz erbaut. Die Bauweise der Hütten stammt ursprünglich aus Tirol und wurde von Einwandern mitgebracht. Hier lagerte das Heu, bevor es im Winter mit einem Schlitten oder auf dem Rücken in einem hölzernen Tragekorb wieder ins Tal gebracht wurde.

Da die Heuhütten seit den 60er Jahren nicht mehr gebraucht wurden, die Heuhüttentäler nicht mehr bewirtschaftet wurden, sind die Hütten leider dem Verfall preisgegeben. Findige Großstädter kauften Wiesengrundstücke auf und bauten die Hütten zu Freizeitdomizilen aus. Nach langem Streit mit den Behörden verpflichteten sich die neuen Hüttenbesitzer, die Wiesen zu mähen, die Hütten rückzubauen, nur den Innenraum umzugestalten, dass nur ein vorübergehender Aufenthalt möglich war. Auch das Gericht stellte fest, keine Freizeitnutzung für die Heuhütten. Auch durch engagierte Hilfe von Freiwilligen,  Ehrenamtlichen und Bewohnern wurden einige Täler mit Ziegen von Baumbewuchs freigehalten. Die Heuhütten als Kulturgut stehen unter besonderen Schutz. Eine Sanierung wird mit 30% bezuschusst. Und so ist es in verschiedenen Seitentälern des Murgtals möglich, dass die Wanderer sich an dieser Besonderheit noch heute erfreuen können.