Freitag, 18. November 2022

Was verbirgt sich hinter den Schwarzwälder Uhrenträger?

 

Ein Glasträger aus dem Knobelwald, der zum Kloster St Peter gehörte, soll eine hölzerne Stundenuhr, die er einem böhmischen Glasträger abkauft hatte, auf den Schwarzwald mitgebracht haben. Die einen behaupten, die Gebrüder Kreutz vom Glashof (St Peter), die anderen legen sich auf Lorenz Frey im Pfarrsprengel in der Spritzen (St Märgen) fest, die erste Uhr nachgebaut zu haben. Es liegt eindeutig im Dunkeln. Der Zeitpunkt dürfte um 1650 gelegen haben.

Die anfänglich von den Schwarzwälder Glasträgern mitgeführten Uhren fanden guten Absatz und reichlich Gewinn. Dieses einträgliche Geschäft wollten die Uhrmacher sich nicht entgehen lassen und nahmen den Verkauf ihrer Produkte selbst in die Hand. Die Uhren, die sie im Winter hergestellt hatten, verkauften sie im Sommer über. Aber bald wurde ihnen klar, dass es lukrativer war, das Uhrenhandwerk das ganze Jahr zu betreiben und eine Person aus der Familie mit dem Verkauf zu beauftragen.

Nach übereinstimmenden Berichten wird 1720 Jakob Winterhalter aus Gütenbach als erster Uhrenträger erwähnt. Dieser hatte seinen Uhrenvorrat sorgfältig auf seine Krätze gepackt. Zu Fuß ging es hinunter in die Städte des Schwarzwaldrands, nach Straßburg, Richtung Köln und sogar bis Holland. Sie waren auf den Märkten nicht zu übersehen mit ihrer dunklen Kniebundhose, roten Weste, darüber einen langen Tuchrock und einem dunklen runden Filzhut.

Jakob Winterhalter reiste  als Uhrenträger bis nach Sachsen. Von dort brachte er Kanarienvögel mit, die er mit großem Gewinn im Rheinland und Holland verkaufte. Ab 1740 waren auch Thomas Bärmann aus Schollach, Joseph Kammerer aus Furtwangen und Joseph Ganter aus Neukirch unterwegs. Lagen anfänglich die Verkaufsgebiete im deutschsprachigen Raum wurde der Radius immer größer, fremde Länder wurden erschlossen. Bald wurden wie bei den Glasträgern Speditionsunternehmern beauftragt, die Uhren zu bestimmten Stützpunkten zu bringen hatten.

In der Zeit zwischen 1740-1760 gliederten  sich die Uhrenträger, die immer zahlreicher wurden, nach bestimmten Ländern. Das waren die Anfänge der Uhrenträgergesellschaften, die jeweils bis zu 20 Mitgliedern hatten: Die Schwarzwälder waren in Frankreich, Holland, Italien, England, Türkei, Rußland und Polen, Spanien und Portugal, Dänemark und Schweden, Ungarn und Siebenbürgen sowie sogar 1750 in Pennsylvenien in Nordamerika unterwegs.

Anfänglich schlossen sich meist nur Mitglieder einer Familie zu einer Händler-Sozietät zusammen. Die Vorschriften und Gepflogenheiten dieser Uhrenträgerkompanien wurden sehr streng gehandhabt. Jedes aufgenommene Mitglied musste 3 bis 5 Jahre als Knecht dienen. Erst nach Ablauf dieser Zeit erhielt der Träger erstmals einen Anteil am Gewinn. Dagegen war bei Krankheit oder Todesfall vorgesorgt. Sehr streng wurde bei einem liederlichen Lebenswandel durchgegriffen. Die Familie hatte auf dem Schwarzwald zu bleiben. Mindestens einmal im Jahr trafen sich die Uhrenträger zum Abrechnen in Triberg und kamen dann zu ihren Familien zusammen.

Mathias Faller Friedenweiler überbrachte dem Sultan des Osmanischen Reich eine Spieluhr und erhielt einen „Ferman“, einen Schutzbrief, der ihm den Verkauf im ganzen Osmanischen Reich ermöglichte. Urban Hummel aus Gütenbach konnte Kaiserin Katharina II von Rußland eine Kunstuhr schenken, auf der die zwölf Apostel die Stunde schlugen. Und Georg Rombach aus Eschbach erzählte, wie er im Westen Nordamerikas  einen Farmer und dessen Sohn in einer Kneipe erschreckte, als plötzlich der Kuckuck erschien und die Stunde schlug. Die beide hielten das für Zauberei.
Uhrenträger Museum Triberg