Freitag, 9. Juli 2021

Was verbirgt sich hinter den Orkanen wie "Lothar"?

 


Der Schwarzwald kannte schon immer die wiederkehrenden Frühjahrsstürme. Die bewaldeten Berge boten den Stürmen aus der Schweiz und Frankreich kommend genügend Angriffsflächen. Nur fegte der Frühjahrssturm „Vivian“ vom 25./ 27 Januar 1990 als Orkan über die Schwarzwaldberge hinweg. Der Schäden nicht genug, fegte schon wenige Tage später der schwere Orkan „Wiebke“ am 28.2./1.3. 1990 über den südlichen Schwarzwald hinweg. Allein  im Bereich der Forstdirektion Freiburg fielen 15 Mio Festmeter Sturmholz an. Die Schäden summierten sich auf über eine Million DM damals. Das gefallene Holz war mehr als ein Jahreseinschlag. Dass der Holzmarkt preisliche nicht zusammenfiel, wurden große Nasslager  (Nasskonservierung) für das Holz eingerichtet, um die Holzmengen nach und nach zu vermarkten.

 

Die Nasslager waren kaum abgearbeitet, da fegte am 2. Weihnachtsfeiertag 1999 erneut ein schwerer Orkan, den sie „Lothar“ nannten, von Frankreich kommend über den Schwarzwald hinweg und hinterließ vor allem im Nordschwarzwald eine der größten Naturkatastrophen. Es lagen über 30 Millionen Festmeter an Holz kreuz und quer übereinander. Das Dreifache der normalen Jahresnutzung lag auf dem Boden und dabei entstanden Kahlflächen von 40.000 ha. Sämtliche Aussichtstürme, die kaum über die Tannen- und Fichtenwipfel sehen konnten, standen plötzlich nackt auf den Hochflächen. Sie ließen die Autofahrer erschreckt von der Rheintalautobahn auf die kahlen Flächen blicken, aber auch plötzlich konnten die Wanderer von den  Höhen in die tiefen Täler blicken.

 

Auf dem Feldberg wurde eine Windgeschwindigkeit von 215 km/h gemessen, eine Geschwindigkeit, die es seit den Wetteraufzeichnungen von 1876 nicht gab. Neben abgedeckten Häusern, entwurzelten Bäumen brachen der Straßen-, Bahn-, Luftverkehr und Stromversorgung zusammen. Rettungsmannschaften mussten sich zu eingeschlossenen Bussen und PKWs durcharbeiten, um angstvolle Personen, Verletzte und Tote zu bergen. Die Wanderwege waren unpassierbar, die Forstverwaltung warnte vor dem Betreten der Schadensflächen, denn es bestand Lebensgefahr. Beim Aufarbeiten von Sturmholz gab es viele Tode. Das Management nach dem Orkan „Wiebke“ war die Generalprobe für die Jahrhundertkatastrophe. Das Holz musste möglichst schnell aus dem Wald, um dem Borkenkäfer die Vermehrungsgrundlage zu entziehen. Riesige Nasslager entstanden überall.

 

Im Unglück mit den verheerenden Schäden in vielfacher Millionenhöhe hatte der Schwarzwald auch Glück gehabt. Denn nur 48 Stunden später raste der Orkan „Martin“ über Frankreich nach Osten heran. Gottlob bog dieser  gerade noch rechtzeitig nach Süden ab und ließ sein zerstörendes Werk in Frankreich und der Schweiz ab.

 

Die Orkane „Wiebke“ und „Lothar“ haben die Forstwirtschaft zum Umdenken gezwungen. Nicht mehr die systematische Aufforstung mit Fichte und Tanne war angesagt. Die bessere Mischung zwischen Nadel- und Laubgehölzen, die verschiedensten Nadelgehölze wie Weißtanne und Douglasie und die Beachtung der Plenterstruktur des Waldes –das bedeutet die natürliche Verjüngung des Waldes zwischen dem Altbeständen.

 

Oben auf dem Schliffkopf eröffneten die Naturschützer den „Lotharpfad“. Die Bäume wurden belassen, wie sie kreuz und quer, über- und untereinander gewirbelt wurden. Der „Lotharpfad“ führt über Brücken und Stege den Wanderer bis zum Westweg mit seinem herrlichen Ausblick in die tiefen Täler des Schwarzwaldes, Rheinebene und Vogesen gegenüber.