Samstag, 24. Juli 2021

Was verbirgt sich hinter dem Weltruhm von Vöhrenbach?

Vöhrenbach 1835

Vöhrenbach mit seinen knapp 3.000 Einwohnern im Bregtal im Schatten von Villingen und Furtwangen wurde schon 1244, als es die Stadtrechte erhielt, urkundlich erwähnt.  Dies obwohl es vorwiegend landwirtschaftlich geprägt war.  Bekannt wurde Vöhrenbach durch seine „Kapelle des hl Michael zu Vöhrenbach“ oder volkstümlich dem „Bruderkirchle“ und der bekannten Wallfahrt, die erstmals 1580 urkundlich erwähnt wurde.

 

Wie überall im Schwarzwald breitete sich um 1720 auf den Bauernhöfen die Uhrenherstellung aus, die Ende des 18. Jahrhunderts in eine größere Existenzkrise kam.

 


In Unterkirnach war schon die Familie Blessing als Musikwerkmacher mit dem Bau von Spieluhren, Drehorgeln und Orchestrien erfolgreich tätig. Dort konnte der Sohn eines Weißgerbers, Michael Welte, (1807-1880) aus Vöhrenbach in die Lehre gehen. 1833 konnte er zurück sich in Vöhrenbach selbstständig machen. 1846 konnte er schon das erste große Orchestrion mit allen damals bekannten Orchesterstimmen nach Odessa liefern. Für seine erfolgreiche Arbeit erhielt er vom Großherzog die „Goldene Medaille“. Überall auf den Ausstellungen in  London 1862 oder Paris 1867 wurden seine ausgestellten Orchestrien aus Vöhrenbach bewundert. Vöhrenbach war für Welte mittlerweile aber  zu abgelegen, um dem abzuhelfen, zog er mit seinem Unternehmen 1872 nach Freiburg.

 

Daniel Imhof (1823-1900) aus Spitzenbach und Leopold Mukle aus Furtwangen beides Spieluhrmacher reparierten nebenher Orchestrien in London, nachdem sie zur Firma Imhof & Mukle fusioniert hatten. Imhof übernahm 1874 die Gebäude von Michael Welte in Vöhrenbach während Leopold Mukle die Geschäfte in der Londoner Niederlassung abwickelte. Sehr schnell kam in Vöhrenbach die Produktion in Gang und große glanzvolle ausgestattete Orchestrien verließen das kleine Örtchen im Schwarzwald. Die Hoflieferanten der Königin von England und Kaiserin von Indien lieferten ihre Erzeugnisse außer England nach Amerika, Italien, Spanien und Benelux aber auch Ägypten, Indien und China. Im Palast des Sultans von Konstantinopel spielte ein im Maurischen Stil gehaltenes Riesenorchestrion, 1870 wurde ein „Monster-Orchestrion“ von bisher nicht gekannter Größe –nämlich 9 m breit, 7 m hoch und 2,5 m tief- für den Jockey-Club in New York geliefert. Ausgestattet mit Instrumenten wie Flöten, Flageolets, Trompeten, Hörner, Posaunen, Trompeten und Triangeln konnten die Orchestrien das Klangvolumen eines Orchesters erzeugen.

 

Vier Söhne von Daniel Imhof, alle tüchtige Orchestrionbauer, stiegen 1881 in das Unternehmen in Vöhrenbach und London ein. Um 1900 wurde die bisher bekannte übliche Stiftswalze, die die Lieder beinhaltete, durch gelochte Papierstreifen ersetzt. Diesen Übergang überlebten nur die großen Hersteller. Der Erste Weltkrieg und dann der aufkommende Siegeszug der Schallplatte in den 20iger Jahren fällten das Todesurteil über die Orchestrien. Ironischerweise überlieferten zwei Schallplatten den verbleibenden Ruhm des Orchestrions, die von Imhof & Mukle für den Turm des Aquariums in Blackpool geliefert wurde.

 

Mittlerweile hatten sich aber zwischen 1850 und 1900 mehrere Orchestrionbaufamillien etabliert, so dass Vöhrenbach das Eldorado des Orchestrionbaus wurde. Gleichzeitig strahlte dieses Gewerbe in die benachbarten Gemeinden Unterkirnach, Schönwald Triberg, Schonach und Furtwangen aus.

 

Überall auf der Welt sind heute noch diese Wunderwerke in Museen zu hören, nur im Eldorado des Orchestrions in Vöhrenbach herrscht Stille.

Orchestrion 1885