Freitag, 31. Januar 2020

Was verbirgt sich hinter dem "Langen Stein" bei Tiengen?


Am gegenüberliegenden Ufer der Wutach bei Tiengen mit dem Langensteinstadion steht der „Lange Stein“. Er ist 5,92 m hoch, hat einen maximalen Durchmesser und an dieser Stelle einen Umfang von 7,5 m. Der Stein besteht aus Nagelfluh, einem Sedimentgestein, das aus Kies und Geröll besteht. Die Steine sind durch ein feinkörniges Material verkittet. Dies ist eine typische Gesteinsformation der Umgebung.



Wenig bekannt ist von diesem Kulturdenkmal, das unter Denkmalschutz steht. Fest steht, dass dieser Stein hierher transportiert worden ist, denn bei Ausgrabungen wurde verbranntes Holz unter dem Stein gefunden. Aus diesem konnte man auf Transportrollen schließen. Er stammt aus der Zeit vor 4.000/5.000 Jahren. Also stammt er aus der Steinzeit und wurde von Menschenhand aufgestellt. Die Bedeutung liegt im Dunkeln. Sicher ist, dass damit religiösen Vorstellungen verwurzelt sind, die vielleicht mit der Ahnenverehrung zusammenhängen. Er liegt an den Kreuzungen der Völkerstraße des Rheins und der des Aaretals sowie an den Flüssen Rhein, Aare, Wutach, Schlücht und Steina.



Der „Lange Stein“ ist ein Menhir (aus dem Bretonischen: maen bedeutet Stein, hir eben lang) Weitere Menhire befinden sich bei Deggernau, Nöggenschwiel,, Stühlingen, Dossenbach und Schwörstadt. Der „Lange Stein“ ist aber der weitaus größte Menhir. Er wurde 858 erstmals erwähnt, seit dem 11. Jahrhundert ist er bis ins 17. Jahrhundert als Gerichtsstätte belegt. Hier hielt das Kaiserliche Klettgauer Landgericht seine Sitzungen ab, bis es üblich wurde in Behausungen zu tagen. An den Sitzungen des Landgerichtes wurde nicht nur Recht gesprochen sondern auch allgemein interessierende Angelegenheiten politischer Natur verhandelt, z. B. Steuern festgesetzt, die von der Landschaft bewilligt werden mussten oder auch Wein- oder Fruchtpreise festgelegt.



Von einer Zusammenkunft aus dem Jahre 1525 ist belegt, dass die Bauernversammlung damals am „Langen Stein“ ihre Anliegen vor den Rat der Stadt Zürich bringen wollte. Sie schwuren im Vertrauen auf die Hilfe der reformierten Stadt, „dem neuen Glauben anzuhängen“. Sie hatten dem Vogt der Küssaburg den Gehorsam verweigert. Graf Rudolf aber schickte ihnen den österreichischen Landsknechtführer Fuchs von Fuchsberg entgegen, der mit seinen Reitern und dem Fußvolk die Bauern umzingelte und alles zusammen hieb. Aber auch Sitzungen am Langen Stein von 1379 und 1425 sind belegt.



Wie üblich mit solchen Stätten wurde im Dritten Reich der „Lange Stein“ als „Germanische Thingstätte“ vereinnahmt.



Natürlich ist es üblich, dass bei solchen Steinen die Sagenbildung auf ihre Kosten kommt. So wurde auch dieser Stein als „Chindlistai“ bezeichnet. Hier sollen die Kinder auf die Welt gekommen sein, denn nach einer alten Sage soll hier eine Fee gewohnt haben, die bei Unfruchtbarkeit angerufen wurde. Oder waren  Fruchtbarkeitsriten an diesem Ort üblich?