Palmkönig 1925 Wolfach |
Hansjakob erzählt über diesen
Tag: Da hatten wir in den Wäldern der Heimat einige zuvor die Stechpalmen
geholt, schlanke Fichten gehauen und geschält, in den Gärten den „Fesenbaum“
(Thuja) beraubt, an den Bächen Haselruten geschnitten, um einen „Palmen“ zu
machen.
Am Sonntag früh, beim zweiten Glockenzeichen, zogen wir mit unseren
Palmen, an den haushohen Fichtenstangen sie tragend, dem Kirchplatz zu. In
diesem Moment lag die ganze selbstbewusste Knabenseele im „Palmen“. Herr Gott!
Mit welchem Stolz ward bei jedem Schritt an der Stange hinaufgeschaut, und wie
des Nebenmenschen Palmen gemessen und fixiert, wenn alle vor der Kirche
versammelt waren! Jeder wollte den schönsten und längsten Palmen haben, und oft
kam’s in diesem Wettstreit zur Palmenschlacht; der eine hieb auf den anderen
mit seinem stolzen Besen ein, und es entstand ein Höllenspektakel unter den
Palmenträgern. Erst das Erscheinen des Pfarrers unter der Kirchentür, um die
Zeremonie des Segnens vorzunehmen, trennte die Kämpfer. Aber jetzt rauschten
die Palmen nochmals durcheinander, jeder wollte den meisten Segen und die
größte Fülle von Weihrauch und Weihwasser auf seinen Liebling haben, und bis
vor die Nase des Priesters hin stritten
die Palmenköpfe um den Vorrang. So Hansjakob in seinem Buch „Jugendzeit“.
Schon im Februar sammeln die
Buben im Rench- und Kinzigtal die roten Beeren der Stechpalme. Vor dem
Palmsonntag werden diese dann auf Blumendraht aufgezogen und die religiösen
Monogramme gestaltet. Man erblickt die Buchstaben JHS, die Wörter Jesus und
Maria, köstliche Kronen und manchmal sogar die Marterwerkzeuge. Aber auch
Symbole von Glaube, Hoffnung und Liebe: Kreuz, Anker und Herz. An ihrem
oberen Ende tragen sie ein Büschel aus Buchs, Stechpalmen, Wachholder und
Sevenzweigen.
Die Sitte der Palmweihe hat den
Sinn Unheil und Gefahr, dämonische Einflüsse und Krankheiten fernzuhalten.
Daher werden die Palmen nach der Weihe im Hause an der Giebellucke, im Stall
oder im Garten angebracht als Wächter gegen jegliche Gefahr. Im Kinzigtal
müssen drei Gewitter über sie weggegangen sein, bevor sie ins Haus genommen
werden. Einige Zweige werden hinter das Kreuz im Herrgottswinkel oder unter den
Firstbalken gesteckt und bei drohendem Gewitter im Feuer verbrannt.
In Bachheim werden auf die
Fichtenstange des Palmen ein aus Weißtannenreisig geformte Kugel und ein Kreuz
gebunden. Als Krönung schiebt man Holunderröhrchen kreuzförmig auf einen
verästelten Zweig, auf deren Ende kleine Tannenkreuze gesteckt sind. Um Kugel
und Kreuz windet sich ein auf eine Schnur gereihter Kranz von Äpfeln. Nach der
Weihe werden diese an Verwandte und Nachbarn verschenkt. Sie gelten als Schutz
gegen Halskrankheiten.
In einigen Gegenden wurde
derjenige Bub als „Palmkönig“ gefeiert, der den schönsten und größten Palmen in
die Kirche brachte. Otto Schrempp berichtet von einem Palmen aus dem Ippichen,
Wolfach-Kinzigtal, der im Jahre 1925 mit einem Palmen von 5,5 m Höhe Palmkönig
wurde.
Aus Wittnau berichtet die
Chronik, dass der Mesner zur Säge greifen musste, um den Palmen zu kürzen, dass
die größten Palmträger überhaupt in die
Kirche zur Weihe kamen. Derjenige, der den kleinsten oder kümmerlichsten Palmen
zur Kirche brachte, wurde das Jahr über einen „Palmesel“ gerufen. In manchen
Gegenden war derjenige „Palmesel“, der
als letzter zur Palmweihe in die Kirche kam.
Aus dem 9. Jahrhundert ist uns
die erste Kunde über den Brauch des Palmsonntags erhalten. Die Palmprozession
und die dort mitgetragenen Palmen sollten an den Einzug Jesu in Jerusalem
erinnern. Nicht selten wurde noch vor der Zeit der Aufklärung (2. Hälfte des
18. Jahrhundert) in der Palmprozession ein hölzerner Palmesel mit einem
geschnitzten Christuskörper mitgeführt. Diese wurden dann aber mit der Zeit
verboten. In Bayern (Weilheim) und im Elsaß (Ammerschwihr) werden heute noch
Palmesel bei der Palmprozession mitgeführt. Mit dem Palmsonntag wird die
Karwoche –die stille Zeit- eingeleitet, so berichtet Alois Krafcyk.