Freitag, 17. Februar 2017

Was verbirgt sich hinter dem Anerbenrecht?



Der bekannte und typische Schwarzwaldhof des Mittleren Badischen Schwarzwaldes vereint alles unter seinem riesigen Stroh- oder heute Ziegeldach. Die gesamten Stallungen für Pferde, Kühe und Schweine sowie Hühner oder Ziegen, die Wohn- und Schlafräume der Bauernfamilie und des Gesindes sowie die riesigen Futtervorräte für den gesamten Winter sind unter einem Dach vereint. Ausgenommen war stets ein Leibgedinghaus, in dem der alte Bauer wohnt. Mit ihm wurde vertraglich bei der Hofübergabe bis in alle Einzelheiten festgelegt, was ihm für seinen Lebensunterhalt zusteht. Separat steht jeweils ein Speicher, in dem die Essens- und Saatvorräte gelagert werden, dass sie im Brandfalle nicht in Mitleidenschaft gezogen werden konnten.



Möglich war das Erhalten dieser großen und mächtigen Bauernhöfe seit dem Mittelalter bis zum heutigen Tag nur durch das Erbrecht. Seit 1450 wird bis zum heutigen Tag per Gesetz das Anerbenrecht angewendet. Der Bauer oder die Bäuerin darf ihren gesamten  landwirtschaftlichen Besitz nur einem Kind ungeteilt vererben. Normalerweise der jüngste Sohn oder die älteste Tochter. Alle anderen Kinder sind weichende Erben und werden mit dem „kindlichen Handschlag“ abgefunden. Er ist ein Bruchteil vom wirklichen Anspruch. Dieses Erbrecht treibt die restlichen Geschwister vom Hof, entweder in einen anderen Hof einzuheiraten, sich als Gütler durchzuschlagen oder notfalls unter dem Bauer  als Knecht oder Magd zu arbeiten. Die Gütler waren oftmals Waldarbeiter, Handwerker wie  Harzer, Köhler oder Flößer.  Gleichzeitig waren die Menschen das Potential  für die Glasbläser, Uhrmacher, Orchestrionbauer  und deren entstehenden Manufakturen. In schlechten Zeiten blieb nur die Auswanderung nach Polen, Rußland, Banat oder später dann nach Amerika.



Im Gegensatz dazu wird in allen anderen Gebieten des Schwarzwaldes bis zum heutigen Tag die Realteilung praktiziert. Der vorhandene Besitz wird unter den Geschwistern geteilt. Der bäuerliche Besitz wird zerstückelt und gelangt über die Generationen in viele Hände.



Die Landwirtschaftskammern im Mittleren Schwarzwald achten streng bis zum heutigen Tag, dass das gültige Anerbenrecht nicht aufgeweicht wird. Ein nicht praktizierender Bauer darf kein landwirtschaftlich genutztes Gelände erwerben.



Das Anerbenrecht ermöglichte den Erhalt dieser großen mächtigen Bauernhöfe, die aber im Laufe der Jahre ihre Funktionen geändert haben. Zuerst verschwand nach dem Zweiten Weltkrieg die Feldwirtschaft und teilweise die Milch- und Weidewirtschaft, so dass die Waldwirtschaft übrig blieb. Gleichzeitig entstandene neue Zweige wie die Touristik. Die großen nicht mehr benötigten Speicher und Bühnen wurden zu Ferienwohnungen mit allem Komfort ausgebaut. Es entstanden Käser-und Brennereien sowie Stallungen wurden für Vesperstuben ausgebaut. Der Hofladen mit seinen bäuerlichen Spezialitäten setzt sich durch.  Gleichzeitig verhindern die Subventionen des Mähgelds , dass die Weiden nicht mit Wald angepflanzt, um die Täler offen zu halten.



Andererseits ist es schwierig Gelände für Industrieansiedlung, Freizeitanlagen wie Schwimmbäder, Tennis- oder Golfplätze zu erwerben.

Vogtsbauernhof mit Leibgedinghaus