Margarethenkapelle Schlosskirche Pforzheim
Zu allen Zeiten
gab es Judenverfolgungen und Judenprognomen. Diese wurden durch die Kreuzzüge
und dem Vorwurf des Gottesmordes hervorgerufen. Denn schon zur Stauferzeit
werden diese durch den angeblichen Vorwurf der Ritualmorde an Christenkinder
erstmals hervorgerufen. Denn schon Kaiser Friedrich II, spricht nach
eingehenden Untersuchungen, jüdische Konvertiten, Juden von dieser Blutbeschuldigung
frei. Aber doch gibt es immer wieder Ausschreitungen. Neben religiösen
Fanatismus und finsteren Aberglauben ist auch nackte Habgier verschiedentlich
Anlass zu den Judenmorden, bei denen es nur auf die Vernichtung drückender
Schuldscheine oder Raub auf jüdischen Guts ankommt. Da den Juden Grundbesitz
ebenso wie Teilhabe an Gilden und Zünften versagt war, treten sie immer wieder
als Geldverleiher auf, weil sie wegen des kanonischen Zinsverbots am ehesten in
Frage kamen. Aber nun zur Margarethen-Legende:
Ein altes Weib
verkauft in Pforzheim aus schnöder Gewinnsucht ein siebenjähriges Mädchen
namens Margarethen an die Juden. Diese verstopfen ihm den Mund, öffnen die
Adern und umwinden es, um Blut aufzufangen, mit Tüchern. Nachdem das Kind unter
der Marter gestorben war, wird es von den Juden unterhalb des Schleiftors in die Enz geworfen und mit einer
Menge von Steinen beschwert. Nach etlichen Tagen reckt es die eine Hand in die
Höhe. Die Schiffer eilen voll Schrecken herbei und zeigen das merkwürdige
Ereignis bei der Stadt an. Der Markgraf kommt selbst herbei, und als das Kind
aus dem Wasser gezogen wird, richtet es sich empor, bietet dem Fürsten die Hand
und fordert ihn zur Rache auf. Dann sinkt es wieder tot zurück. Der Verdacht
fällt auf die Juden und sie werden zusammengerufen. Wie sich dem Leichnam
nähern, fangen die Wunden wieder an zu bluten. Darauf gestehen die Juden die Gräueltat, das alte Weib ebenfalls. Sie werden allesamt
gerädert oder gehängt. Der Leichnam des Kindes kommt in einen steinernen Sarg.
Dieser wird in der Schloss- und späteren Stiftskirche St Michael beigesetzt und
trägt in Latein die Aufschrift: „Margaretha, von den Juden umgebracht, starb seeliglich
am Freitag den 1. Juli 1267“.
Wie kann diese Legende
auf ihren wahren Gehalt zurückgeführt werden: Unstrittig ist, dass das
Nürnberger Memorbuch von einer Judenverfolgung um diese Zeit aus Pforzheim
berichtet. Zu Ehren des Mädchens wird an der Nordseite des Langhauses der Schlosskirche
eine Kapelle, die „Margarethenkapelle“ angebaut, an deren Außenseite als
Wasserspeier ein Judenkopf zu sehen ist. Auf der Spitze des Pfeilers befindet
sich eine Sitzfigur, des Mädchen Margarethe mit Krone und langem, von einem
Schnallengürtel zusammengehaltenen Gewand.
Die Geschichte
des siebenjährigen Kindes Margaretha, das in Pforzheim ermordet worden sei,
wurde erstmals durch den Predigermönch Thomas von Cantimpré (1201-1270) aus dem
heutigen Belgien schriftlich erwähnt. Das von den Juden getötete Mägdelein fand
als die Legende Margarethas in Jacob und Wilhelm Grimms 1816/18 erschienene
Sammlung „Deutsche Sagen“ Eingang.
Mit der Einführung
der Reformation in Pforzheim hatte der Margarethenverehrung ein Ende gesetzt.
Baden war geteilt in die evangelische Markgrafschaft Baden-Durlach, zu der auch
Pforzheim gehörte, und die katholische Markgrafschaft Baden-Baden. Gegen Ende des
Dreißigjährigen Krieges ließ der Baden-Badener Hof das als wertvoll angesehene
sakrale Objekt aus dem besetzten Pforzheim schaffen, um es dem Zugriff der
Lutheraner zu entziehen. Verantwortlich waren zwei Jesuitenpater, die 1647 den
Sarkophag in der Schlosskirche öffneten, dokumentierten die darin vorgefundene
mumifizierte Kinderleiche und ließen sie nach Baden-Baden überführen. Ab 1649
war die Reliquie in einem vergoldeten Schrein in der Kollegkirche in
Baden-Baden aufbewahrt. 1689 ist die Reliquie im Pfälzischen Erbfolgekrieg bei
der Zerstörung Baden-Badens durch französische Truppen vernichtet worden.