Freitag, 4. März 2022

Was verbirgt sich hinter dem Uhrmacherdorf Gütenbach?

Gütenbach 1850

Gütenbach an der heute wichtigen Verbindungsstraße L 173 vom Simonswäldertal zur B 500 lag früher völlig abseits der Verkehrsströme und dazu im Schatten von Furtwangen. Die Gemeinde weist einen Höhenunterschied von 600 m auf. Die Gegend wurde um 12. Jahrhundert besiedelt, 1360 wurde Gütenbach als Woutenbach (wütender Bach) erstmals urkundlich erwähnt. Grund- und Lehensherr der 30 Höfe war bis 1805 das Kloster St Margarethen in Waldkirch. Ab 1565 gehörte Gütenbach bis 1924 zur Herrschaft Triberg und damit bis 1805 zu Vorderösterreich. Kirchlich war Simonswald zuständig, so dass  immer die beschwerliche Kilpenstraße ins Tal benutzt werden musste. Erst 1518 wurde Gütenbach zur eigenen Pfarrei erhoben. 1857 schloss der Eisenbahnpionier, Robert Gerwig, mit dem Bau der L 173 von Simonswald zur B 500 Gütenbach an das moderne Straßennetz an.

 

Um 1667 tauchten nachweislich die ersten Holzuhren auf, die vom Glashof in Waldau stammten. Ein Glasträger soll die Waaguhr von Böhmen mitgebracht haben. Damit wurde eine neue Ära im Schwarzwald und damit auch in Gütenbach eingeläutet. Jakob Winterhalder (1698-1735) war wohl 1720 der erste Uhrenträger des Schwarzwaldes, der mit seiner Uhrenkrätze zum Uhrenverkauf auf Wanderschaft ging und sich später bis Sachsen aufmachte. Denn zuvor hatten die Verteilung die Glasträger übernommen.

 

Sehr schnell entwickelte sich die Uhrmacherei auf den Schwarzwaldhöfen. Mathias Löffler (1689-1724) vom Obergschwendhof  gehörte zu den Patriarchen der Uhrmacherei. Mit seinem Erfindergeist baute er nicht nur Holzuhren sondern auch vielfältiges Werkzeug zur Arbeitserleichterung darunter auch das erste Zahngeschirr. Die Gebrüder Grieshaber vom Untergrundhof betrieben allesamt die Uhrmacherei. Einer davon, Mathias (1735-1808), entwickelte eine Bilderpresse, um in großer Zahl Uhrenschilder zu produzieren. Mathias Faller (1707-1791) vom Oberfallengrundhof schnitzte zuerst Figuren für Spieluhren und wurde zu einem der bedeutendsten Bildhauer  Süddeutschlands. Wilhelm Fackler (1757-1834) erstellte 1780 eine für damalige Verhältnisse modernste Gießhütte für Uhrenräder.  Mathias Siedle (1770-1846) war einer der bedeutendsten Musikuhrenmacher des Schwarzwaldes. 1808 zählte die Statistik 96 Uhrmacher in Gütenbach.

 

Mit der Familie Faller entstand in Gütenbach die industrielle Uhrenfertigung. Leo Faller (1832-1886) errichtete 1884/85 einen großen Fabrikbau. Sein Sohn Friedrich ging mit der Zeit und fertigte „Amerikaner Uhren“. Der Erfolg gab ihm Recht, denn eine zweite Uhrenfabrik wurde gebaut. Die „Badischen Uhrenfabrik in Furtwangen“ (Baduf) mit gleichem Produktionsprogramm fusionierte 1889 mit den Fallerschen Fabriken, die 170 Personen beschäftigten. Friedrich Faller versuchte noch zweimal 1894 und 1904, eine Uhrenfabrikation in Gütenbach zu etablieren. Die erste Fabrik verkaufte er nach 2 Jahren an die „Baduf“, bei der zweiten musste er wegen Geldmanipulationen mit der Familie in die USA fliehen.

 

Der Erste Weltkrieg und die Weltwirtschaftskrise der 20er Jahre versetzten der Uhrenindustrie einen vernichtenden Schlag. In dieser Zeit wurden Zünder für Granaten und anschließend Radios produziert. Aber trotz aller Bemühungen der Gemeinde Gütenbach musste 1931 Konkurs der „Baduf“ angemeldet werden. 1934 eröffneten die Triberger Uhrenfabrik „C.H. Schatz“ und die Schwenninger Uhrenfabrik „Hanhart“ jeweils einen Zweigbetrieb in Gütenbach. Bis heute werden unter verschiedenen Eigentümer aber immer unter dem Namen „Hanhart“ hochwertige Stoppuhren produziert. Dagegen hatte die Uhrenfabrik „C.H. Schatz“ 1986 schließen müssen. Zum Glück kamen 1946 die Gebrüder Faller nach Gütenbach  zurück und gründeten die „Spielenwarenfabrik Faller“. Heute füllt das Hightechunternehmen“ RENA“ die hinterlassenen Lücken.

 

Gütenbach Schlucht um 1900