Freitag, 12. November 2021

Was verbirgt sich hinter Christian Ferdinand Öchsle?

 


Nähert sich die Weinlese misst der Winzer hin und wieder den Zuckergehalt der reifenden Trauben. Denn je höher der Zuckergehalt des Mostes ist, umso kräftiger wird der Wein später werden. Ein Teil des Zuckers wird durch Gärung in Weingeist d h. Alkoholgehalt umgewandelt, ein Teil des natürlichen Traubenzuckers wird dem Wein erhalten bleiben. Der Zuckergehalt des Mostes der Traube wird mit einer Weinwaage gemessen. Der Winzer spricht von Grad Öchsle. Das Ergebnis drückt sich dann meistens in der Mimik des Winzers aus.

 

Der Erfinder der Weinwaage war Christian Ferdinand Öchsle (1774-1852). Er war der Sohn des Glasmachers Israel Öchsle, der in der Bulbacher Glashütte als Faktor im heutigen Baiersbronn arbeitete. Der begabte Sohn spielte mit 9 Jahren schon die Orgel der Baiersbronner Kirche, mit 14 Jahren wurde er Glasmacher. Sehr schnell bemerkte der Vater die Begabungen seines Sohnes und schickte ihn in die Goldschmiedelehre nach Öhringen, und  1794 zog er nach Pforzheim. Er war in der Bijouteriefabrik Denning beschäftigt und brachte es um 1800 zum Kabinettmeister – heute würde man sowas als Betriebsleiter bezeichnen.

 

Ein Auftrag der Stadt Pforzheim brachte ihn mit der Optik und Feinmechanik in Kontakt, und er machte sich 1810 mit einer mechanischen Werkstatt in Pforzheim selbstständig. Sein Bestreben war damals, Gewerbe und Handel durch maschinelle Neuerungen zu unterstützen. Anfänglich produzierte er Präzisionswaagen aller Art wie etwa Gold- und Apothekerwagen.

Mit einem Kompanion gründete er eine Goldschmiedefabrik, um seine Erkenntnisse dort gewinnbringend einzusetzen. Aber nicht nur seine Kollegen legten ihm Steine in den Weg, da er aus Württemberg kommend noch nicht das badische Bürgerrecht von Pforzheim besaß, sondern der Erfolg wollte sich nicht einstellen. Die Produktion wurde wieder eingestellt. Oechsle wandte sich wieder seiner Mechanikerwerkstatt zu.

 

Der Erfinderdrang von Christian Öchsle war ungebrochen. In der langen Liste seiner Erfindungen waren unter anderem ein Harmonium, Mundharmonika, optische, feinmechanische und elektromagnetische Geräte für den Schulunterricht zu finden oder die Möglichkeit Glas rot zu färben. Auch mit der Spiritusfabrikation beschäftigte er sich. Kaufte ein alte halbverfallene Kapelle in der Pforzheimer Altstadt, installierte seinen Brennapparat und beschäftigte ein altes Weib, das ihm einen gleichmäßige Brand –auch nachts- garantierte.

 

1820 wurde ihm auf Grund seiner Fähigkeiten das lukrative Amt eines Großherzoglich Badischen Goldkontrolleurs übertragen. Als solcher hatte er Betriebsvisitationen durchzuführen, den Mindestfeingehalt des bei der Schmuckherstellung verarbeiteten Goldes und Silber zu überprüfen.

 

Seine wichtigste Erfindung, die aus seiner Werkstatt mit mehreren Beschäftigten stammte, war allerdings die Weinwaage. Bei dieser Senkwaage wird das spezifische Gewicht der Flüssigkeit gemessen. An einer Skala kann die Einbautiefe des schwimmenden Messinstruments abgelesen werden. Die Skala ist in Grade eingeteilt, die bald als Öchsle bezeichnet wurden. Hat der Most ein spezifisches Gewicht von 1,080 kg/l zeigt die Skala 80 Öchsle an. Über eine Formel kann auf den zukünftigen Alkoholgehalt geschlossen werden.

 

Zu jener Zeit waren die Hügel um das kleine Pforzheim voll mit Weinbergen, so dass obwohl diese heute alle übersiedellt sind, Pforzheim seit 1986 sein Weinfest in Gedenken an Öchsle feiert, obwohl Pforzheim keine Weinberge mehr besitzt.