Freitag, 20. Januar 2017

Was verbirgt sich hinter Büsingen?



Gleich östlich von Schaffhausen liegt Büsingen: 7,6 km² groß, 1.335 Einwohner und eigenes Kfz-Kennzeichen „BÜS“. Wirtschaftlich gehört die Exklave, die ganz von Schweizer Staatsgebiet umgeben ist, zur Schweiz und ist damit Schweizer Zollgebiet. Politisch gehört Büsingen aber zu Deutschland.



Wie kam es zu diesem Unikum? Jahrhunderte lang gehörten Büsingen und Umgebung zu Vorderösterreich und wurden von Wien aus regiert. Im 17. Jahrhundert wurde der Inhaber der österreichischen Lehensherrschaft, Eberhard im Thurn, nach religiösen Streitigkeiten von der eigenen Familie nach Schaffhausen entführt. Erst als die Österreicher Truppen aufmarschieren ließen, gab Schaffhausen nach und ließ den Lehensherrn wieder frei.



In den folgenden Jahrhunderten verkauften die Österreicher in dieser damals gottverlassenen Gegend immer wieder Dörfer an Schaffhausen und Zürich. Nur Büsingen wurde auf Grund der Freveltat nicht verkauft,  obwohl der Ort  mit der Zeit zur Exklave wurde. Die Jahrhunderte vergingen. Büsingen wurde 1805 württembergisch, fünf Jahre später badisch. 1918 glaubten die Büsinger ihrem Ziel näher gekommen. 96 % der Bevölkerung stimmte für den Anschluss an die Schweiz. Aber weit gefehlt, da die Schweiz kein Austauschgebiet anbieten konnte, blieb alles beim Alten.



1946 wurde dann wenigstens mit Bitten der Büsinger erreicht, dass der Schweizer Bundesrat die Zollschranken fallen ließ. 1956 gab es wieder Hoffnungen für die Büsinger. Aber jetzt sperrte sich der Landkreis Konstanz, der Büsingen nicht ziehen lassen wollte. Nach langen Verhandlungen gab es 1967 den bis heute gültigen Staatsvertrag.



Das führt zu folgenden Kuriositäten: Kauft der Büsinger in der Bundesrepublik ein, muss er sich an der Grenze behandeln lassen wie ein Nicht EU-Bürger. Er lässt sich in der Bundesrepublik die MWSt erstatten und zahlt in Büsingen die Schweizer Umsatzsteuer von 8 %.



Da die Büsinger wie Schweizer Bürger behandelt werden, konnten sie schon immer in der Schweiz arbeiten, erhalten dort das hohe Einkommen und müssen aber nach deutschen Gesetzen ihre Steuern bezahlen. Die Lebenshaltungskosten sind aber so hoch wie in der Schweiz. Die Folge ist, die Bewohner von Büsingen ziehen ein paar hundert Meter weiter und sind damit Schweizer Bürger mit dem niedrigen Einkommenssteuersatz. Das Stadtzentrum von Schaffhausen liegt nur 4 km von Büsingen entfernt.  Eines Tages wird es ohne Bürger sein, wenn hier der Staatsvertrag nicht geändert wird.



Büsingen hat eine Deutsche und  Schweizer Post, zwei Telefon Nummern und zwei Postleitzahlen. Der deutsche Fußballverein spielt in der Schweizer Liga.  Die Bewohner können zwischen deutschen und schweizer weiterführenden Schulen aber auch zwischen den Krankenversorgungssystemen wählen. 

Offizielle Währung ist der Euro, bezahlt wurde aber immer schon in Franken. Bis 1980 hat die Gemeinde und die Post nur Franken akzeptiert. Deutsche Briefmarken wurden mit Schweizer Franken bezahlt. Aber ab dann wurde durch eine Gesetzesänderung die Büsinger gezwungen, den Euro zu akzeptieren. Aber um alles bei der alten Gewohnheit zu belassen, werden die Rechnungen in Euro ausgestellt, umgerechnet und in Franken bezahlt. Selbst Rechnungen aus der Bundesrepublik werden in Franken beglichen.

Um die wirtschaftliche Situation zu verbessern,  hat ein Beratungsfirma folgendes Konzept entwickelt: Eine Spedition aus der Bundesrepublik meldet sich in Büsingen an. Sie braucht nur eine Adresse und keinen Umschlagsplatz in Büsingen, um ein Büsinger Autokennzeichen zu erhalten. Damit kann sie nicht nur den grenzüberschreitenden Verkehr bewältigten sondern auch den innerschweizer Verkehr abwickeln. Die Schweizer Behörden behandeln das "BÜS" –Büsinger Kennzeichen-  wie ein Schweizer Kennzeichen.

Die Realisierung des Konzeptes wird dann wahrscheinlich wieder zu jahrelangen Verhandlungen über eine Änderung des Staatsvertrages führen.