Der heilige Martin (Gedenktag 11.11.)
hatte seinem früheren Offiziersleben entsagt und ließ sich taufen. Als
Einsiedler zog er sich südlich von Poitiers in eine Einsiedlerzelle zurück. Ein
Jahrzehnt später wurde er zum Bischof von Tours gewählt.
Nach der Legende habe sich Martin bei
der Berufung zum Bischof von Tours in seiner Bescheidenheit im Gänsestall
versteckt. Aber durch das Gänsegeschnatter sei er verraten worden. Und deswegen
würden diese zur Strafe verspeist.
Eine weitere Legende besagt, dass eine
schnatternde Gänseschar in den Kirchenraum gewatschelt sei und habe dabei Bischof
Martin bei seiner Predigt unterbrochen. Sie sei gefangen genommen und zu einer
Mahlzeit verarbeitet worden.
Heute vergessen, es gab eine 40tätige
Fastenzeit vor Epiphanias, die begann am 12. November und dauerte bis zum 6.
Januar. Die Samstage und Sonntage wurden nicht gezählt. So bot der Tag des
heiligen Martin Gelegenheit, nochmals aus Herzenslust zu föllen, um die magere
Zeit gut überbrücken zu können. Dies geschah vorzugsweise mit einer fetten Gans.
Eine bäuerliche Erklärung ist, dass sich
der heutige Martinibrauch aus einem Abschiedsessen auf dem Bauernhof entwickelt
hat: Der Martinstag als Rechtstermin und Lostag spielte auf dem Land noch vor
Jahrzehnten eine große Rolle. Bei den Bauern war Martini Zahltag für das
Gesinde: Die Mägde und Knechte bekamen ihren Lohn und konnten sich weiter
verdingen. Bauern, die es sich leisten konnten, schlachteten Gänse oder Enten
für das Essen. Zu dem haben sich noch einmal alle versammelt, die den Sommer über
zusammen gearbeitet hatten. Daher der Brauch, an diesem Tag eine Gans zu
braten.
Eine historische Erklärung geht davon
aus, dass in Zeiten des Lehnswesens eine am Martinstag fällige Lehenspflicht
häufig aus einer Gans bestand. Mit der Zeit bildete sich die Bezeichnung
Martinsgans heraus. Und weil der Martinstag traditionell mit einer Kirmes oder
einem Tanzmusikabend gefeiert wurde, bot es sich an, die Gans zum Festessen zu
machen. Und an diesem Abend wurde sie festlich verspeist.
Zum Schluss noch
einige surreale Erklärungen: Der Heilkraft der wachsamen Vögeln wurde es zugeschrieben, dass das Fett der Gans gut
gegen Gichtleiden sei, ihr Blut senke Fieber. An Hexerei erinnert der Brauch, eine Feder des linken
Flügels zu verbrennen, mit Wein zu vermischen und anschließend zu trinken, um
Krampfanfällen vorzubeugen. Ebenso kurios der Glaube, aus dem gemeinsamen
Zerbrechen der Gänse-Brustknochen die Zukunft zu lesen: Wer das größere Stück
in den Händen hielt, durfte sich nach damaliger Auffassung auf die Erfüllung
eines lange gehegten Wunsches freuen.