Freitag, 11. Juni 2021

Was verbirgt sich hinter der Todtnauer Bürste?

Bürstenherstellung wie es einmal war

Am 17. 2. 1824 starb Leodegar Thoma. Es war ein Glücksfall für Todtnauberg einem Ortsteil von Todtnau, dass er hier geboren wurde und seine Wirkungsstätte hier beibehielt. Thoma hat das Bürstengewerbe im Wiesental eingeführt. Aber vor allem die Arbeitsteilung bei der Herstellung von Bürsten gilt als sein Verdienst. Im Jahre 1772 hat Thoma von einem in Freiburg stationierten Österreichischen Reiterregiment den Auftrag erhalten, soviel Pferdebürsten wie nur möglich zu liefern. Um überhaupt größere Mengen liefern zu können, zerlegte er die Fertigungsschritte der Bürste.

 

Familienmitglieder spezialisierten sich auf das Zurechtlegen von Borsten oder Haare, das Borstenbinden, des Bürstenholzes, das Einsenken der Haarbüschel und schließlich das Verpichen und Durchziehen der Borsten oder Haare durch das Holz. Um 1815 waren bis zu 600 Bewohner in die Bürstenbinderei eingespannt. Es wurden Schuh- und Kleiderbürsten, Wichs-, Fass-, Zahn- und Waschbürsten, Bodenwischer, Kartätschen und Maurer- und Malerpinsel hergestellt.

 

Den Handel haben nicht die Produzenten übernommen. Er wurde vom Hausierhandel ausgeführt, der aber aus derselben Großfamilie kam. In Todtnauberg waren bis 74 Männer ganzjährig im Hausierhandel tätig, die die Last zwischen 30 und 40 kg zu den Kunden trugen. Teilweise kamen die Hausierer nur zu Weihnachten, Ostern und zur Heuernte zu ihren Familien zurück. Ihr Absatzgebiet war neben dem Umland, die Schweiz, Frankreich, das gesamte Großherzogtum und einen kleinen Teil von Württemberg und Hessen. Jeder Hausierer hatte einen ganz bestimmten Absatzsprengel. Im Zentrum seines Sprengels hatte er sein Standquartier und bereiste von hier im Umkreis von 20 bis 40 km seine Kunden. Dorthin wurden ihm die Waren von Todtnauberg nachgeschickt. Die badische Regierung sah den Hausierhandel mit einer gewissen Skepsis, da sie glaubte, diese Herumreisenden seien politisch anfällig. Dies besonders nach den Erfahrungen 1848/49.

 

Der Niedergang der Hausindustrie wurde durch die Gewerbefreiheit 1862 beschleunigt. Durch diese verloren die Schwarzwälder Hausierer ebenfalls ihr Privileg des Hausierhandels. Die  neu gegründeten Fabriken verkauften direkt über Reisende in Läden bis in die kleinsten Gemeinden.  Von nun an konnten sich Verkaufsläden für Bürstenwaren etablieren. Aus diesem Grunde ließen viele Hausierer sich in den bereisten Städten nieder und gründeten Verkaufsläden, die sie mit Glas-, Porzellan- und Eisenwaren ergänzten. Konkurrenz der Bürstenmacher gab es auch durch die Bürstenmacherproduktion aus Gefängnissen und Spitälern. Zu Beginn des ersten Weltkriegs gab es noch 15 Hausierer.

 

1840 wurde von Fridolin Wissler der erste hölzerne Bürstenkörper maschinell hergestellt. 1907 gab es in Todtnauberg noch 49 Haushalte, die Bürsten herstellten. Bald begann der Fabrikant Alois Laitner die ersten Todtnauer Erzeugnisse nach Nordamerika auszuführen.

 

Um 1920 wurde von der Firma Zahoransky der erste Halbautomat als Bürstenbindemaschine gebaut. Ein Automat ersetzte sieben Arbeiterinnen. Damit war jegliche Handarbeit erledigt, der Handwerker wurde zum Fabrikarbeiter.

 

Noch heute genießen die Firmen Zahoransky und Ebser in Todtnau Weltruf. Die Bürsten werden in Asien hergestellt, aber die Maschinen kommen aus dem Schwarzwald. Noch heute werden Zahnbürsten-, Bürsten- und Besenmaschinen auf elektronischer Basis in die ganze Welt exportiert.

 

Heute ziert ein Bürstenhändler den Dorfbrunnen von Todtnauberg und erinnert an das untergegangene Gewerbe.